Frauenstimme

Rr. 148 Jabroang

Beilage zum Vorwärts

Frauen, wehrt euch!

Liebt ihr die Knute oder die Freiheit?!

Wenn Herr Dr. Seber, ber nationalsozialistische Abgeordnete und Vertraute des großen Adolf Hitler , sagt:

..Die Fran muß wieder Magd und Dienerin werden",

so ist das mehr als eine Phrase; es ist ein Programm wie einft die Worte Wilhelms bes 3welten: Für die Frou find Kirche, Küche, Kinder da" ein Programan darstellten. Wem tönnte ein Zweifel darüber auftommen, daß wir gerade in der Frage des Frauenrechtes uns mitten in einer reaktionären Welle befinden! ft es ein Zufall, baß heute die Frauen im Reichstage nur noch reichlich sechs Prozent der gesamten Abgeordnetenzahl aus­machen, während der Prozentsah in der Deutschen Nationalversamm lung fast neun Prozent betrug? Nein es ist eine Folge ber Umschichtungen der Partelen, eine Folge der Tatsache, daß an ble Stelle der ursprünglichen bürgerlichen Bartelen mehr und mehr Fraktionen getreten find, ble das Frauenwahlrecht, zum mindesten aber das passive Wahlrecht der Frau, grundsätzlich ablehnen. Das sind die ständischen Bartelen, wie Wirtschaftspartel und Bandvolt; es ist aber vor allem ble zweltgrößte Fraktion des Reichstages, ble fogenannte Stationalsozialistische Deutsche Arbelterpartei, ble unter ihren 107 Abgeordneten nicht eine einzige Frau hat und auf eine entsprechende Bemerkung bes Führers der Bayerischen Volkspartei diese Tatsache mit einem Gott sei Dant" unterstricht

Ist es nun aber so gleichgültig, ab bie Frauen durch Geschlechts genossinnen im Parlament vertreten sind? Bernen wir aus zwe! Beispielen: eine ber wichtigsten politischen oder vielleicht richtiger gefagt polltlichen Lebensfragen für die Frau ist die Stellung der Gesezgebung zur Mutterschaft. Die fozialdemokratische Reichstagsfraktion, ble in der Deutschen Nationalversammlung 19 Frauen von Insgesamt 165 Mitgliedern zählte und heute 16 Frauen unter 143 mitgliedern zählt, hat felt zwölf Jahren ben Rampf geführt um eine Versorgung der Mutter, die der Frau die Mutterschaft nicht zur Qual macht. Hat sle euch nicht alles erreicht, fo tft ble heutige Wochenhilfe boch als ein großer Fortschritt an­zusehen. Anders die frauenfoje nationalsozialistische Reichstagse fraftion. Sie stellte im letzten Reichstage den folgenden Antrag:

8. Januar 1931

zubauen, fomelt diese nicht eine Verpflichtung zum Unterhalt bec Eltern haben, oder soweit nachweisbar teine Mittel für ben Lebensunterhalt vorhanden sind, oder beren Belaffung ein brin gendes Erfordernis ist."

Was bedeutet das anders, als das Eigenleben der Frau toieber zerstören, sie wieder hinzuweisen auf ble einzige Möglichkeit zu leben, nämlich ble Versorgung durch den Mann! Wer zweifelt baran, daß diefer Vorstoß bet den Behörden nur ein Anfang ist, dem ein welterer Borstoß im Wirtschaftsleben nur zu bald folgen wird. So zelgen diese beiden Beispiele, dle durch andere ergänzt werden fönnten, wole

in dem Augenblid, ba die politischen Rechte der Frau zurüd­gebrängt werden, auch ihre Stellung im Berufs- und Frauen­

feben in die schwerste Gefahr gerät.

Darum gilt es, mit aller Kraft den ersten Anfängen zu wehren!

Vor diese Aufgabe stellt uns Frauen das neue Jahr! Leiber müjjen wir es erleben, wie irregeleitete, vielleicht auch in ihrem ganzen Frauen- und Menschendalein unbefriedigte Frauen heute Männern wie Hitler und Goebbels zujubeln! Fast ist man versucht, babei zu benten an die fulturelt zurückgebliebene fla. wische Frau von vor hundert Jahren, von der uns die Schrift | steller erzählen, daß sie nur lieben fonnte, wo sie die Knute zu fühlen betam! Denn auch

bie Frauen, die den Nationalsozialisten nachlaufen,( leben die Knute,

mur, baß fie fich beffen größtenteils nicht bewußt find. Darum ist es an uns, den Frauen zu sagen, welches Unheil ihnen droht! hat uns nicht bas eine Jahrzehnt deutscher Demokratie und deutschen Frauen­rechts gezeigt, daß nur dieses Recht uns ble Möglichkeit gibt, zu schaffen, was der arbeitenden, der besiglosen Bevölkerung erst ein menschenwürdiges Dasein sichert? Warum hat das faiserliche reiche Deutschland nicht bereits alle jene fozialen Einrichtungen für Alte, Kranke, Wöchnerinnen, Kinder, Jugendliche geschaffen, die trotz aller Not der Nachkriegszeit in den letzten zwölf Jahren entstanden sind? Warum mußten erst jeht Erholungsstätten, Grünanlagen, Spiel pläße für die arbeitende Jugend hergestellt, gesunde Arbeiter­

,, Wer es unternimmt, ble natürliche Fruchtbarkeit des deut­schen Boltes zum Schaden der Nation fünstlich zu bemmen ober in Wort, Schrift, Drud, Bilb oder in anderer Belie folche Bewohnungen gebaut werden, anstatt daß all das fchon einige Jahr strebungen fördert, wird mit Zuchthaus bestraft."

Also Zuchthaus nicht nur für Schwangerschaftsunterbrechung. sondern für Geburtenverhütung!

Und ein zweites Beispiel: Für Millionen von Frauen lit bie Frage der Berufsmöglichkeit genau in bemfelben Maße eine Lebensfrage wie für die Männer. Der Krieg hat den Frauenüber schuß in Deutschland fo gewaltig ansteigen faffen, bas fede fünfte bis sechste Frau unverheiratet, also auch in ihrer wirtschaftlichen Existenz auf sich selbst gestellt, durchs Leben gehen muß. Deshalb tämpfen ble Sozlaidemokraten in Bartet und Gewerkschaften mit aller Energie um die toirtschaftliche Gleichstellung der Frau. Anders Bartelen, in denen Frauen nichts zu sagen haben, wie die Wirt schaftspartet. Unter dem 11. Dezember hat diese Fraftion einen Antrag eingebracht, in dem unter anderem die Reichsregierung ersucht wird:

jehnte früher von dem wirtschaftlich in Bollblüte stehenden Deutsch land angelegt wurde? Weil Arbeiter und Frauen früher von jedem maßgebenden Einfluß ausgeschaltet waren, weil der Besitzende fein Interesse für derartige soziale Einrichtungen hat, weil erst int republikanischen Deutschland jene Streise zu Mitbestimmungsrecht famen, für die solche Boltserholungsstätten die Vorbedingung file törperliche und geistige Gesundung find!

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Deshalb fann die Diktatur eines Mannes mag er Hitler oder Mussolini heißen uns Frauen nicht vorwärts helfen; fie fann uns nur erniedrigen,

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fiè tann uns nur zurückwerfen auf dem Wege zu wirtschaftlicher, geistiger und menschlicher Befreiung, um die wir fämpfen. Wenn pir also wolffen, daß das Jahr 1931 ein politisches Kampfjahr werden wird, ein Jahr des Ringens zwischen den Anhängern der Diftatur und den Berteidigern der Boffsrechte, so muß uns dieses Jahr an ,, bet allen Reichs, Staats- und Gemeindebehörden je be welder Gelte derjenigen finden, die das Menschenrecht und ble tere Einstellung von weiblichem Bersonal auf das absolut erforderliche Maß zu beschränken, die bereits im Reichs, Staats- und Gemeindedienst sich befindlichen weiblichen Sträfte, insbesontere blejentgen, die Männerfteffen beffelben, ab­

Menschenwürbe verteidigen, der Männer und Frauen der arbeitenden Schichten, also an der Seite der treuesten Repu Lulfe Schroeder, M. b. 9. bfifaner, ber Sozialdemokraten.