Die weiblichen Stadtverordneten.
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Die geringe Zahl der weiblichen Stadtverordneten hat eine außerordentliche Arbeitslast
Die Aufsplitterung der bürgerlichen Parteien in Inter -| der Grund, sondern Berufsgruppen, selbst Setten schieben sich effentenhäuflein und die radikale Ablehnung des paffiven Frauen vor und garantieren eine Stimmenzahl." wahlrechts in der Nationalsozialistischen Partei, die unter den trostlosen gegenwärtigen Wirtschaftsverhältnissen ihre Hochkonjunktur erlebt, sind der Mitarbeit der Frau in Reichs-, Länder und Gemeindeparlamenten nicht günstig gewesen soweit bie bürgerHiche Frauenwelt in Frage kommt. Hort und Rückhalt des aktiven und passiven Frauenwah! rechts in Verteidigung und praktischer Anwendung sind allein die Linksparteien. Die bedrohliche Lage des bürgerlichen Frauenmandats war mit der Anlaß zu einer sehr instruktiven Untersuchung über„ Erfahrungen und Wünsche der( weiblichen) Stadtverordneten" von Dr. Else Wer in der Zeit fchrift Die Frau".
Städte
Das wichtigste äußere Kriterium für Macht und Einfluß der Frauen in den Stadtparlamenten ist ihre 3 a b 1. Hier spricht die Statistik eine deutliche Sprache. Während der Bund Deutscher Frauenvereine vor den Neuwahlen 1924 noch über etwa 1100 Adressen weiblicher Stadtverordneter verfügte, weist das Jahrbuch Deutscher für 1928 nur noch 405 weibliche Stadtverordnete aus, davon 160 in Großstädten, 97 in Mittelstädten und 148 in fleinen Städten. In diesen drei Städtegruppen beträgt der Anteil ber weiblichen Stadtverordneten 10, 8, 7, resp. 7,2 Proz.; der Gesamtdurchschnitt ist 8,5 Proz. der Gesamtheit der Stadtverordnetenkollegien. Auf die Parteien verteilen sich die weiblichen Stadtverordneten folgendermaßen: Sozialdemokratische Partei 120, Kommunistische Partei 57, Zentrumspartei 64, Deutschnationale Partei 45, Deutsche Volkspartei 39, Demokratische Partei 35, Parteien der Reichswahlliste 1924 15, sonstige Parteien 30. Da die Bahl sich seit 1929 durch Ausscheiden, Verzug und Tod schon wieder Derringert haben dürfte, und in solchem Falle wohl niemals eine Frau als Nachfolgerin wieder einrückt, während das Nachrücken einer weiblichen Kandidatin an Stelle eines ausgeschiedenen Mannes sehr selten vorkommt, dürfte die Zahl seit 1929 noch unter 405 heruntergegangen sein. Die dem Aufsatz von Dr. Wer zugrunde liegende Umfrage des Deutschen Staatsbürgerinnenverbandes wurde von 238 weiblichen Stadtverordneten beantwortet. darunter 33 Angehörigen der Sozialdemokratischen Partei. Fast die Hälfte der gegenwärtigen weiblichen Stadtverordneten war seit 1919 im Gemeindeparlament tätig. Es handelte sich durchweg um Frauen, die während der Kriegs- und Revolutionsnöte und auch schon in der Vorfriegszeit ihre Befähigung zur Gemeindemutter" nachgewiesen hatten. Dieser Vorzug hatte den Nachteil einer gewiffen Ueberalterung" der weiblichen Stadtverordnetenschaft zum Gefolge, woraus sich der überaus ftarte Rückgang während der ersten Wahlperiode 1919/24 durch Ausscheiden infolge Krankheit und Tod erklärt.
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Der beruflichen Gliederung nach sind von den 238 antwortenden weiblichen Stadtverordneten: 127 Hausfrauen, 62 Lehre rinnen, 17 Sozialbeamtinnen und nur 5 Schneiderinnen als Vertreterinnen handarbeitender Berufe, wobei man allerdings annehmen fann, daß vorwiegend die Angehörigen handarbeitender Berufe nicht auf die Umfrage einer bürgerlichen Organisation geantwortet haben. Nicht mit Unrecht bemerkt die Verfasserin Dr. Wer, daß bas starte zahlenmäßige Ueberwiegen der Hausfrauen" zurüd zuführen sein dürfte auf
die Vorliebe der die Listen aufstellenden Parteimänner für diefen den Mann nicht mit Konkurrenz bedrohenden„ weiblichen" Beruf,
der nicht besondere, an das Geschlecht nicht gebundene Fachqualitäten zur Entwicklung bringt, sondern bestenfalls für Wohlfahrts- und Erziehungsfunktionen besonders befähigt.
So bestätigt denn auch die Umfrage das bekannte Bild der unverhältnismäßig starten Mitarbeit der Frauen in sozialen und Bildungsausschüssen und der geringeren Beteiligung in Wirtschafts- und Finanzkommissionen.
Die höchsten Beteiligungen von Frauen weisen auf: die Aus
schüsse für Wohlfahrt( 169), Jugendamt( 89), Gesundheitswesen ( 57), Anstalten( 56) und Schule( 100).
Die Kleinheit der Fraktionen wirkt sich einerseits wohl schädlich aus für das Frauenmandat, hat aber andererseits den Vorzug, daß die wenigen, in das Stadtparlament gelangten Frauen zur Mitarbeit in wichtigen Ausschüssen herangezogen werden müssen. In einigen Fällen beschritten die bürgerlichen Frauen den Ausweg, daß sie eine besondere Frauenliste aufstellten und dadurch eine Frau ins Stadtparlament brachten. Ueber die Zurücklegung der Frauen bei der Listenaufstellung der bürgerlichen Parteien Ichreibt eine Stadtverordnete:" Nicht Untüchtigkeit der Frauen ist
im Gefolge; sie arbeiten durchschnittlich in drei Deputationen oder großen Ausschüssen, einige sogar in 15 und mehr Ausschüssen. Besonders schwierig, arbeitsreich und verantwortungsvoll ist die Stellung der einzigen Frau im Stadtparlament. Wie ein Not schrei flingen die Worte einer solchen„ Einzigen":„ Ich soll für drei arbeiten und bin allein." Die einzige Frau repräsentiert den Mänern gegenüber das ganze Geschlecht( Die Frau darf sich in feiner Weise eine Blöße geben, sonst wind sie sofort nicht mehr ernst genommen"), sie ist außerdem die Zuflucht aller Frauen aller Barteien mit ihren Wünschen und Beschwerden, und Frauen in der betreffenden Gemeinde( Zur Frau kommen die sie hat die Pflicht, ihnen allen zu helfen mit all ihren Kräften"). Diese einzigen Frauen" fühlen sich über den Rahmen ihrer Partei hinaus start als Vertreterin des weiblichen Elements in der Stadtverwaltung.
Nach ihren Erfahrungen befragt, antworteten die Frauen recht verschieden; gute und schlechte Erfahrungen, meist beides nebeneinander, werden berichtet. Neben der Klage: Die Frau wird auch heute noch in jeder Weise auszuschalten versucht und muß sich jeden Fußbreit Boden immer wieder neu erkämpfen; fast durchweg ist die Zurücksetzung der Frau festzustellen, hierin sind alle Parteien gleich." Urteile wie: Die Männer haben die Frau durchaus als gleichwertig geachtet, es bestand ein gutes, fameradschaftliches Verhältnis, feine Voreingenommenheit." Eine einzige Frau" faßt ihren Eindruck dahin zusammen, daß bei aller Höflichkeit der Männer immer ihr Untergedanke spürbar war, daß
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die einzige Frau durchaus entbehrlich wäre." Auch wird darüber geklagt, daß die männlichen Kollegen den sozialen Fragen, diesem speziellen Arbeitsgebiet der Frauen, zu wenig Interesse entgegenbringen, und dazu neigen, in Frauen- und Jugendfragen schnell Schlußantrag zu stellen". Sie haben auch nicht genügend Verständnis und Sachkenntnis, um die Leistungen einer Fürsorgerin oder einer sonstwie in der sozialen Arbeit stehenden Frau zu würdigen.
Die Wünsche der weiblichen Stadtverordneten werden dahingehend präzisiert, daß man sich nicht stets auf das Wohlfahrtsgebiet, abfchieben" laffen möchte, daß das Wohlfahrts- und Jugenddezernat den Frauen als den besten Sachkennerinnen auch hauptamtlich übertragen werden sollte daß die Frau Zutritt zu der Bautemmission haben, daß überhaupt der Fraueneinfluß durch eine entsprechende Personalpolitik gefördert werden soll.
Am interessantesten sind die Ausführungen der weiblichen Stadtverordneten in bezug auf ihre anderseitige Grundeinstellung zu allen Fragen gegenüber den Männern. Die bürgerliche Frau ist nicht in dem Maße wie der Mann ihrer Schichten verstrickt in nacktes, unmittelbares Klasseninteresse; sie ist als Mutter und Mitarbeiterin in privaten Wohlfahrtsorganisationen leichter geneigt, Menschenleben und-glüd über das materielle Klaffenintereffe zu stellen.
Die bürgerlichen Frauen, die diese Zusammenhänge nicht sehen, erblicken in ihrer oftmals gegenfäßlichen Einstellung zum männlichen Fraktionskollegen eine geheimnisvoll waltende ,, weib. liche Eigenart". Wie sie ihre Situation empfinden, beweisen nachstehende Auslassungen: Eine Verschiedenheit besteht in den Fragen, bei denen es sich um Organisation oder Menschen, um Augenblicks- oder Dauererfolge handelt." Augenblicks- oder Dauererfolge handelt."„ Es ist wohl selbstverständlich, daß bei Männern rein wirtschaftliche Gesichtspunkte zuweilen stärker hervortreten; hier tritt dann die wünschenswerte gegenseitige Ergänzung in ihr Recht." Die Männer betrachten standpunkt aus, nicht vom allgemeinen." Der weibliche Einfluß auf viel leichter die Sache von ihrem persönlichen Interessenden Gang der Verhandlungen macht sich nach verschiedenen Aeußerungen sehr wohltuend bemerkbar. Wenn er auch nicht aufdringlich sichtbar" wird, wirft er doch häufig einend, versöhnend". Im Rathaus und Wohlfahrtsamt wurde die Behandlung der Unterstügungsempfänger durch die anwesende Frau höflicher und rücksichtsvoller". Vor allem ist aber wichtig, daß die ,, weibliche Bürgerschaft mehr Interesse an Kommunalpolitik bekommt", wenn sie ihr durch weibliche Abgeordnete nahegebracht wird. 3u Tammenfassend läßt sich auf Grund dieser Umfrage sagen, daß der Fraueneinfluß in der Kommune sich durchaus positiv ausgewirkt hat, und daß darum die Gefahrenmomente, die das Frauenmandat mit weiterem zahlenmäßigen Rückgang bedrohen, durch verstärkte Aktivität der Frauen ausgeschaltet werden müssen.
H. S.