E

Zu Unrecht vergessene Frauen. 3u

Aerztinnen, Gelehrte, Kämpferinnen.

Die bedeutenden Frauen der Vergangenheit hällen ganz ernsthaften Grund, fich zurückgesetzt zu fühlen. Jedem Gymnafiaften ist Newton bekannt, und schon als Zwölfjährige bekommen wir es mit Euklid zu tun. Wer Pythagoras war, wiffen wir im Schlafe. Aber fiefes Schweigen herrscht auch bei Erwachsenen, wenn sie etwa gefragt werden, wer Mary Somerville war. Auch vielseitig gebildete Menschen werden auf die Frage nach dem Namen der Frau, die Newtons Principia" ins Französische übersetzte und so eins der bedeutendsten wissenschaftlichen Werke den Gebildeten ihrer Zeit erst zugänglich machte, stumm bleiben. Was gehen die Naturwissenschaften, die Mathe matik und die Philosophie die Frau an? Die Frau gehört an den Herd. So sonderbar vertraute Ansichten dringen bereits aus der Welt des klassischen Altertums an unser Ohr. Kennzeichnender weise sind die Berichte über jene Frauen, die im alten Rom und Griechenland Hervorragendes leisteten, überaus dürftig. Und doch wissen wir, daß es bereits im 6. Jahrhundert vor Chrifti Geburt in Hellas bedeutende Aerztinnen und Philofophinnen gab. Kurz wird die Gattin des Pythagoras , Theono, in alten Quellen erwähnt, die immerhin nach dem Tode ihres Mannes die von ihm geleitete Philosophenschule erfolgreich weiterführte und außerdem eine der berühmtesten Aerztinnen ihrer Zeit war. Hippokrates und Plinius erwähnen überhaupt des öfteren die bahnbrechenden Leistungen weiblicher Aerzte. Ihre Namen hat die Welt längst vergessen. Im Mittelalter befand sich die Heilpraxis zum größten Teil in den Händen von Mönchen und Nonnen, unter denen die heilige Hildegard die berühmteste war. Aber in vielen Ländern war es den Frauen gefeßlich verboten, sich auf dem Gebiete der Heilkunde au betätigen, und so finden wir faum eine berühmte Aerztin bis zu dem Zeitpunkte, da Elizabeth Anderson den Kampf gegen ihre Zelt aufnahm.

Als Elizabeth Anderson im Jahre 1836 zur Welt fam, war es ganz ausgeschlossen, daß eine Frau sich dem Studium der Medizin zuwandte. Das wäre geradezu schamlos gewesen. Nachdem die Anderson also vielfache vergebliche Versuche unternommen hatte, in eine der bestehenden medizinischen Schulen aufgenommen zu werden, studierte sie im Londoner Hospital privat Anatomie und nahm bei ben bedeutendsten Professoren jener Zeit Unterrichtsstunden Nach vielen Jahren unverdroffenen Kampfes erhielt sie endlich ein Diplom, das es ihr ermöglichte, sich als erste Frau Englands als praktischer Arzt niederzulassen. Ihr nächstes Ziel war die Gründung eines Spitals, in dem bedürftige Frauen von Aerztinnen behandelt werden follten. Das Londoner New Hofpital, ihre Gründung, beschäftigt heute nur Aerztinnen, und noch bevor Elizabeth Anderson im Alter von 81 Jahren starb, hatte sie die Genugtuung, zu wissen, daß sie den Frauen Englands den Zugang zum ärztlichen Berufe ge­bahnt hatte.

-

Die Leistungen der Frauen in den Naturwissenschaften sind niemals nach Gebühr gewürdigt worden. Nur ein Student der Astronomie oder ein berufsmäßiger Astronom kennt heute das ge­waltige Werk Caroline Herschels, der Schwester und Assistentin des berühmten William Herschel ( des Entdeckers des Planeten Uranus d. Red.). Und doch war sie es, von der der Plan zu Herschels Lebenswert ausging. Nacht für Nacht saß sie bis zum Morgengrauen am Fernrohr, während es oft so falt mar, daß die Tinte in der Flasche gefror.' Sie überprüfte jede Beobachtung thres Bruders und machte das Werk ihres Bruders der wissenschaftlichen Welt erst zugänglich. Ja, man ist heute der Ansicht, daß ihr das Hauptverdienst am Ruhme ihres Bruders gebührt. Nur Spezialisten find heute die Namen anderer hervorragender weiblicher Astronomen bekannt. Wer wüßte etwas von Hortense Lepaute, der be­deutendsten Astronomin Frankreichs ? Oder von Henriette Leavitt , von der Henry Smith Williams sagt, daß sie die einzige Frau unserer Zeit sei, der in der Astronomie Wesentliches zu verdanken ist! Welcher Student der Physik hört überhaupt etwas von Mary Somerville deren englische Uebersetzung Himmelsmechanik", dieses Ewigkeitswert, erst berühmt machte und Leplace zu jener Geltung verhalf, die er sonst vielleicht nie erlangt hätte? Laplace selbst sagte von ihr, daß sie die einzige Frau sei, die fein Werk verstehe. Mary Somerville , die selbst originelle und be deutsame wissenschaftliche Leistungen vollbracht hat, gehört heute ebenso zur Armee der unbekannten großen Frauen wie vielleicht die Gattin Lavoisiers.

Und nach Lavoisiers tragischem Tode( Lavoisier wurde während der franzöfifchen Revolution hingerichtet d. Red.) hat fie feine Me­moiren herausgegeben.

-

Wer ist die Here von Agnesi"? Nein, sie ist keine der drei Heren aus Shakespeares" Macbeth". Es ist die Bezeichnung einer mathematischen Kurve, die eine der bedeutendsten Frauen, die je gelebt haben, gefunden hat. Maria Goetana Agnesi, die im Anfang des 18. Jahrhunderts das Licht der Welt erblickte, war nicht nur eine außerordentliche Mathematikerin, sondern auch eine Sprach­forscherin und Philofophin von Ruf. Im Alter von neun Jahren veröffentlichte sie eine in lateinischer Sprache geschriebene Ab­handlung, in der sie das Recht der Frau, sich wissenschaftlichen Be­rufen zuzuwenden, verfocht Als Dreizehnjährige besaß sie gründliche Kenntnisse des Griechischen, Hebräischen , Franzöfifchen, Spanischen , I wie ihr Biograph bescheiden hinzu­Deutschen, Lateinischen und

,, noch anderer Sprachen". Ihr Vater war Professor der fügt Mathematik an der Universität von Bologna . Als Fünfzehnjährige folgte fie ihm in feine Gelehrtenzirkel und nahm dort an den Sie veröffentlichte schwierigsten philosophischen Diskussionen teil. nicht nur bedeutsame Studien aus dem Gebiet der Infinitesimal= rednung, sondern wurde auch, als ihr Vater erkrankte, von der Universität Bologna auf den Lehrstuhl für Mathematik und Natur= philosophie berufen. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in der Zurückgezogenheit des Klosters.

Lefèbre je untergekommen? Nein? Und doch ist Elizabeth Fry Gind Ihnen die Namen Elizabeth Fry oder Madame jene Frau, deren unermüdlichen Anstrengungen es gelang, die eng­lische Gefängnisreform durchzusetzen, und Madame Lefèbre jene Chemikerin, in deren Kopf- 50 Jahre, bevor ihre Entdeckung in die Praxis umgesetzt wurde der Gedanke auftauchte, aus der Atmosphäre Nitrate zu gewinnen.

-

Nur ganz wenige aus der großen Schar der zu Unrecht ver­geffenen Frauen wurden hier erwähnt. Stünden sie aus ihren Gräbern auf, sie hätten wahrlich Grund, sich über das ungerechte Gedächtnis der Menschheit zu beklagen, das Männern die Erinnerung bewahrt hat, die durchaus nicht Leistungen vollbracht haben, welche die der zu Unrecht Vergessenen übertreffen würden. B. Pitkins.

Gemeinnüßige Ehevermittlung. ments

, da es sich meistens darum handelte, für die verwaisten Er­werbsunternehmen dieser Witwen wieder einen männlichen Leiter zu bekommen. Professor Fetscher stellt in den Mittelpunkt seiner Borschläge mit Recht die Untersuchung auf biologische Ehetauglich­feit. Als erste Anknüpfungsmöglichkeit hält er die Heiratszeitung nicht für ungeeignet. Jeder Bewerber aber hat sich einer ver­trauensärztlichen Untersuchung zu unterwerfen, die Familieneigen­tümlichkeiten, innere Organe, Wassermannsche Reaktion und Urin untersuchung umfaßt. Ferner sollen verlangt werden ein polizei­liches Leumundszeugnis, ein Ledigkeitszeugnis, Einkommensteuer­bescheid eventuell Bankkontoauszug oder Anstellungsurkunde, um Schwindlern die Bemuzung der gemeinnüßigen Eheberatung zu verwehren und dem berechtigten Wunsche des anderen Partners nach Klarheit Rechnung zu tragen. Nach dieser Borprüfung wird eine Karteikarte über den Bewerber mit einer Decknummer aus­

Die

gestellt, unter der er seine Wünsche betreffs des Ehepar'ners in einer Briefliste" aufführen kann. Diese wird unter der Be­dingung strengster Diskretion an in Betracht kommende Barner weitergegeben. Ueber eine Reichszentrale wird dann der zunächst unter einer Chiffre gehende Briefwechsel angebahnt. Die ärz liche Untersuchung der Chebewerber könnte in den kommunalen Ehe­fuchung auf eigene Kosten durch Vertrauensärzte gestattet. beratungsstellen erfolgen; natürlich wäre auch eine private Unter­übrigen Unfosten wären durch einen mäßigen Beitrag der Be­werber selbst aufzubringen, denn wer auf Freiersfüßen geht, dürfte Die Mittel, die für immerhin nicht vollständig mittellos fein. von Laplaces Annoncen und Heiratsvermittlungen zweifelhaften Charakters auf­gebracht werden, beweisen ja die Rahlungswilligkeit des Bublikums. Der Vorschlag Professor Fetschers, die fozial, biologisch und persönlich so unendlich bedeutungsvolle Eheanbahnung dem blind schaltenden Zufall und den Klauen der Profithnänen zu entreißen, ist sicherlich erwägenswert. Freilich muß man sich auf diesem komplizierten Gebiete vor allzu weitgehenden Erwartungen hüten und die Grenzen des Rationalismus gegenüber der gewaltigiten irrationalen Macht, dem erotischen Triebe, flar erkennen. Sabft das prächtigste Tauglichkeitszeugnis und der einwandfreieste Waffer­mann fönnen nicht das erzwingen, was man gemeinhin Siebe nennt. Die öffentliche Ehevermittlung wird fte's auf die Maffe Mensch" in allen Gesellschaftsfreifen beschränkt bleiben: für differenzierte, geistig und feelisch anspruchsvolle Menschen ist dieser Weg unaonabar. Mit fortschreitender Emanzipation der Frau aber wächst dauernd die Rahl von Lebensbünden auf der Grund­lage geiftiger Kameradschaft. Da sind Büro und Fabrikiaal. Ber­fammlunasraum. Sportplaẞ, Bünde und Vereine aller Art bessere Chevermittlungsstellen als ein noch lo fein und vielseitig aus­geflügeltes Vermittlungsinstitut.

-

Sie wußten, daß Lavoisier verheiratet war, sagen Sie; aber was hat seine Frau schon geleistet? Nun, Lavoisier brauchte für seine Arbeit Auszüge aus zahlreichen Büchern, die ihm, da sie in fremden Sprachen geschrieben waren, nicht augänglich waren. Seine Frau war entschlossen, ihm zu helfen. So erlernte sie das Lateinische und Englische und wurde die vollkommene Uebersetzerin jedes in lateinischer oder englischer Sprache abgefaßten Buches, das ihr Gatte benutzen wollte ,, Und das ist alles?" fragen Sie? Nein, durchaus nicht Als Schülerin des berühmten französischen Maiers Louis David und als ausgezeichnete Kupferstecherin unternahm es diese vielseitige Frau, die bereits die Ergebnisse aller Experimente ihres Gatten niedergeschrieben hatte, seinen berühmten ,, Traité élémentaire de Chimie", das erste Lehrbuch der modernen Chemie, zu illustrieren. I

-

-