Es kommt noch hinza daß die nach dem Reichsversorgungs- gesetz gewährten Beihilsen bei vielen Witwen gekürzt oder ganz entzogen wurden. Die Familien sind dadurch in das größte Elend gekommen und sind vollständig auf die allgemeine Wohlsahrtspslege angewiesen. Ob wohl alle diejenigen, die glauben, daß die Krieger- witwen gut versorgt seien, um diese Versorgung Lebensglück, Sicher- heit, Gemeinsamkeit und volles Frauentum hingeben möchten? Die Erziehungsbeihtlsen sind gekürzt. Stärkere An- rechnung der Mittel aus anderen Quellen findet überall statt. Viel- fach ist dadurch die Berufsausbildung der Kriegerwaisen vollständig in Frage gestellt. Auch hier ist die Antragstellung gesperrt, wenn auch Weiterbewilligungen der schon gewährten Beihilfen erfolgen können. Viele Waisen, die jetzt die Berufsausbildung be- ginnen sollten, kommen in die schwierigsten Verhältnisse, weil die Erziehungsbeihilsen nicht bewilligt werden können. Die Krieger- waisen, die aus der Versorgung ausgeschieden sind, leiden zum größten Teil unter der allgemeinen Arbeitslosigkeit. Die Kriegerwitwen haben sich zum großen Teil bemüht, ihre Kinder zu republikanischen Staatsbürgern zu erziehen. Die dauernde Rol der Mutter, die Aussichtslosigkeit für die eigene Zukunft, die Entziehung der bisher gewährten Beihilfen kann nicht dazu dienen, die Zugend zu freudigen Staatsbürgern zu erziehen, die den heutigen Staat bejahen. Schon aus staatspolitischem Interesse müssen wir warnen, etwa weitere Kürzungen vorzunehmen. Es ist höchste Zeit, die bis- herigen Kürzungen wieder aufzuheben. Anträge auf Elternrente oder Beihilfe können nicht mehr gestellt werden. Welche chärte darin liegt, nur an einem Beispiel: Ein Elternpaar, Vater und Mutter, beide über 60 Jahre alt. Der Vater hat bis zum 31. März 1930 einen Verdienst von monat- lich 75 M Vom 1. April ab wird er nur noch im Gnadenwege beschäftigt und erhält nur noch 45 M.. Kürzung also nach Ablauf der Frist. Die Kriegermutter, auch berufstätig, erkrankt schwer, muß operiert werden, erhält bis zum Juni 1930 monatlich 100 M. Krankengeld, bis zum Dezember 1930 wöchentlich 12 M. Arbeits­losenunterstützung. Im Januar 1931 wird Krisenunterstützung ab- Die Kultur der Wer jemals in einem M ö n t e s s o r i- Kinderheim zu Gaste war, der weiß, mit welch freudiger Andacht die Kleinen und Klein- ften täglich den Tisch decken. Sorgfältig legen sie«ine weiße over bunte Decke auf! in die Mitte wird eine Vase mit Blumen gestellt und auf den einzelnen Tischplätzen werden regelmäßig Teller, Tassen und Bestecke angeordnet. Prüfend lassen die kleinen Tischdeckkün'tler noch einen letzten kritischen Blick über ihr Werk gleiten: hier rücken sie etwas zurecht, dort schieben sie den Lössel ein wenig vor, damii er in gerader Linie liegt. Erst dann, wenn wirklich alles zu ihrer Zufriedenheit, ausgefallen ist, werden die Spiel- und Arbeitsgefähr- ten zum Essen gerufen. Tadellos saubergewaschene Kindergesichter, aus deren Mienen frohe Erwartung spricht, neigen sich über die aufgetragenen Speisen. Saubere Kinderhände hantieren sorgsam mit Gabel und Löffel. Ueber der ganzen Kindergruppe, der schönen Anordnung der Dinge, liegt eine geruhsame, heitere Stimmung, die sich unwillkürlich auch dem Gaste mitteilt. In ungekünstelter Weise, mit einfachsten Mitteln ist hier von Kindern die Kultur des gedeckten Tisches verwirklicht worden. Mit vollem Bewußtsein hat Maria Montessori schon das Klein- lind zu dieser Aufgab« erzogen. Nicht bei allen, aber sicherlich bei vielen dieser Kinder wird eine solche Erziehung nachwirken bis in die Jahre des Erwachsenleins und wird ihre Früchte tragen im eigenen Haushalt. In einem solchen Kinde ist ein Gefühl dafür ge- weckt worden, daß die Kultur des täglichen Lebenz bei den kleinen Dingen beginnt, bei der Sauberkeit des Fußbodens, und der Möbel, des Tischtuchs und Geschirrs, bei dem harmonischen Uebergang der Formen und Farben, bei der Sorglichkeit, mit der Tassen, Teller und Besteck« angeordnet werden. Denn nicht der Luxus, sondern die Aesthetik, nicht der materiell« Wert, sondern der Stil ist ent- scheidend. Es ist gewiß schwer, in einer Zeit größter materieller Not die Kultur der kleinen Dinge nicht zu vernachlässigen. Aber der Sozialismus hat von Anfang an, als das Proletarcat noch un- gleich schlimmer daran war als heute, als der Arbeiter unfrei, be- drückt und rechtlos, ausgebeutet und ohne Schutz war, das große Kulturproblem in sein Programm aufgenommen. Dem Arbeiter nicht nur politische Freiheit, sondern auch seelische und geistige Weiterbildunng, das Bewußtsein zu geben, daß auch er ein Recht habe, an den Kulturgütern teilzunehmen, war schon vor einem halben Jahrhundert das große Ziel unserer Vo-kämpfer. Und immer wieder beginnt der Weg zu diesem Ziel bei den kleinen Dingen, die uns täglich umgeben, die an uns formen und unser Wesen mitbestimmen. iDa steht am Fenster einer engen Wohnküche ein einfacher, vier- eckiger Tisch, der mit weißem Wachstuch bedeckt ist. Einfache Speisen in billigem Geschirr laden zum Essen ein. Eine unendliche Schlichtheit, aber ebensoviel innere Wahrhaftigkeit geht von diesem gedeckten Tisch aus, der so ganz seinen Zweck erfüllt: Er lädt die Bewohner ein, zu rasten und sich zu stärken, auszuruhen und neue Kraft. zu sammeln. Da steht ein dunkelgebeizter Tisch in einer kleinen Wohnstube, die der ganzen Familie als Aufenthalt dient. gelehnt, da sie nicht alleiniger Ernährer der Familie fei. Arzt be» scheinigt ihr völlige Erwerbsunfähigkeit. Ihre Stelle muß sie auf» geben, Invalidenrente wird nicht ge, zahlt, da die Anwartschaftszelt nicht erfüllt. Einkommen der. Kriegereltern inonatlich 45 M. Ein Sohn gefallen, ein Sohn vermißt, also zwei Söhne dem Vaterlande geopfert. Nur eine Tochter lebt noch, die verheiratet ist. Läßt es sich unter solchen Verhältnissen überhaupt oerantworten. daß die Bestimmungen über Versorgung der Kriegereltern Im Härteausgleich noch nicht herausgegeben sind? Muß nicht der Staat wenigstens soviel Mittel haben, um diese Eltern zu versorgen? Es dürfte Zeit sein, einmal darüber nachzudenken, wie sich das Lebensschicksal der kriegerhinlerbtiebenen weiter gestalten soll. Wenn auf der anderen Seite zur Sanierung der Landwirtschaft. für den Bau eines Panzerkreuzers usw. große Summen bewilligt werden, muß man auch die Mittel haben, für die Kriegsopfer zu sorgen. Kürzungen an der materiellen Versorgung können von den Hinterbliebenen, von diesem Personenkreis, der aus durchaus ge- sunden wirtschaftlichen Verhältnissen stammt, nicht ertragen werden. Noch sind nicht alle Soldaten des Weltkrieges beerdigt. Auf den Schlachtfeldern in Frankreich liegen noch un'bestattete Soldaten. Das Schicksal ihrer Hinterbliebenen aber ist in der ganzen Grausamkeit, mit der es diese Kriegsopfer betroffen hat, von dem deutschen Volk niemals erfaßt und jetztzum großen Teil vergessen worden. Pflicht der R e i ch g r e g t e r u n g ist es, bei allen Angriffen aus die Versorgung der Kriegerhinter» bliebenen, wo sie auch erhoben werden, darauf hinzuweisen, daß diese Kreise ein Opfer gebracht haben zum Schlitze des Staates, zum Schutz der Allgemeinheit, das mit der geringen Versorgung bestimmt nicht als abgegolten angesehen werden kann. Wir haben Opfer gebracht für das deutsche Volk. Eine Krieger» mutier sagte:Unsere Männer und Söhne haben nur eins gekannt als sie gerufen wurden: Ich muh!" Wir erwarten den gleichen Willen von der Reichsregierung, wenn es um das Wohl der Krieger» hinterblieben geht. Opfer gegen Opfer! kleinen Dinge. Eine leicht waschbare, bunte Decke liegt auf der Tischplatte, und in schlichtem, weißem Geschirr sind einige Speisen ailgericbtet. Freilich gibt es auch ander« Tische. Sie sind Abladeplätze sir alles, man der Eintretende gerade in der Hand hält, und selbstverständlich wir!» hier auch gegessen. Gehetzt kommt die Frau aus der Küche herein» gestürmt: vielleicht ist sie selbst erst vor kurzem von der Arbeit nach Hause gekommen, und die Kinder haben es nie gelernt, die kleinen Dinge um sie her z» beachten. In Eile werden Zeitungen, Woll- knäuel, Spiel.zeug, Stopssachen beiseitegeschoben. Der Tops wird, wie er vom Herd kommt, aus einen Holzuntersatz gestellt, und dann söttigt man sich. Mißmutig und hastig wird gegessen in der ungast» lichen Umgebung. Wer fertig ist, der erhebt sich erleichtert und sucht das Weite. Zwar hat die Hausfrau noch andere Schüsseln und Teller in ihrem Küchenschrank, aber wozu sie herausholen? Das kann man tun, wenn einmal Besuch kommt. Für die eigene Familie aber sind beschädigte Geschirre, Tassen mit abgeschlagenen Henkeln, ge- sprungene Teller gut genug. Man ist ja auch viel zu müde im All» tag geworden. Das Leben ist so schwer, und man hat nicht mehr die Kraft, von innen heraus Freude und Glanz über die kleinen Dinge zu legen. Aber manchmal ist es seltsam es ist, als ob die vernachlässig- ten.-unscheinbaren kleinen Dinge sich an den Menschen rächen wSll» ten. Denn wie kommen die Kinder plötzlich darauf, unappetitlich und unartig zu essen, und warum' steht der Mann mit einer Ge» bürde des Ekels auf und geht ins Wirtshaus? Haben die kleinen Dinge ihr Eigenleben und ihr« eigene Seele, wie es Kinder unk» Märchen erzählen? Vielleicht müssen wir Erwachsenen immer wie» der lernen von den Kindern, die in Ruhe und stiller Heiterkeit ihren einfachen Tisch decken, müssen das alte Märchen vomTischlein deck dich" täglich von neuem verwirklichen, so schwer es auch heute Ist. Vielleicht ist diese Kultur der kleinen Dinge des Alltags die best« innere Ergänzung zu dem großen Kampfe des Sozialismus, um. menschenwürdige Wohnung und ausreichende Löhne, um Freiheit und Wochenende, um polltischen und kulturellen Aufstieg. M. E. Moderne Krau und Krühjahrsmode. Noch vor wenigen Monaten glaubte man, daß die Zeit der langen Röcke, der Staubfänger, der Schleppen von neuem begonnen habe. Das billige, zweckmäßige, kurze Frauenkleid hatte sich in ekn stoffreiches, weites, gebauschtes Ungeheuer verwandelt, das lebhaft an Grohmutters Zeiten erinnerte. Zipfel rechts und links, vorn und hinten, Volants, Fältchen und endlich die Krönung der neuen Mode» fchöpfung des 20. Jahrhunderts, die. Schleppe. Nicht nur im Ballsaal, sondern bereits auf der Straße, nicht nur in der Großstadt, sondern auch auf den Dörfern fah man Gestalten früherer Jahr» hunderte erneut auserstehen, die den neuesten Modetyp darstellten� Lange, nahezu bis zum Erdboden reichende Kleider tnit engen, kürzen