Für unsere Kinder Nr. 15 o o o c> O o o Beilage zur Gleichheit 0000000 1309 Inhaltsverzeichnis: Einem Kinde. Von Cäsar Flaischlen. (Gedicht.)— Uebcr den Grenzen. Von Ernst Almsloh.— Maiseier der Kleinen. Von Ludwig Hand.(Gedicht.)— AuS der rö mischen Geschichte.(Schluß.)— Arria. Von Karl Gerok. (Gedicht.)— Der Teuscl und der Vogt. Ein nordisches Märchen.— Mama Maus. Bon Emma Döltz. (Gedicht.) 0 0 Einem Kinde/ 0 0 Von Cäsar Flatschlen. Sei nicht traurig, sei nicht traurig... es ist heute nur so trübe, es ist heute nur so schwer. Morgen blitzt die Sonne wieder, leuchten Rosen weiß und rot, und mit lauter Lerchenliedern jubelt's in den hellen Morgen, jubelt's in den blauen Äimmel siegreich über Leid und Not... Quillt und schwillt mit jungen Kräften, quillt und schwillt mit junger Lust lebenswarm dir in die Brust; weckt und wappnet deine Seele glaubensfroh zu neuer Wehr... Sei nicht zag drum, sei nicht traurig... es ist heute nur so trübe, es ist heute nur so schwer! 000 Lieber den Grenzen. Als wieder einmal der alte Streit Zwischen seinen Eltern und den Nachbarsleuten los brach, schlüpfte Ludwig schnell durch die Hof- * AuS„Aus den Lehr- und Wanderjahren de» Lebens". Gesammelte Gedichte, Brief- und Tage- buchblätter. Von Cäsar Flaischlen . Egon Fleischel st Co.. Berlin . tür und kletterte die schmale, steile Treppe zum Boden hinauf. Fast in jedem Frühjahr, wenn die Gärten wieder instand gesetzt wurden, kochte in Lud wigs Vater der alte Groll über den schmalen Streifen Erde auf, den ihm der Nachbar an geblich vor sieben Jahren weggenommen haben sollte, als er eine neue Einfriedigung um seinen Garten zog. Es war zwar nur die halbe Breite eines Spatenstichs, die der Nachbar zu weit auf seines Vaters Grundstück gekommen war, und Ludwig konnte gar nicht begreisen, warum der Vater darüber stets in solchen Zorn geriet, wenn da» Gespräch daraus kam, oder wenn er im Garten arbeitete. Die beiden Nachbarn kamen auch sonst ganz gut mit einander aus, besonders im Winter, wenn es im Garten nichts zu tun gab. Dann kamen sie oft genug zusammen von der Arbeit heim, oder sie gingen zusammen in die Versamm lung. Aber sobald der Vater im Frühjahr den Spaten und die anderen Gerätschaften aus der Ecke des Ziegenstalls holt«, wußte Ludwig auch, was bevorstand. „Anzeigen müssen hätte ich den Kerl da mals-- ich reiß' ihm den Zaun doch noch runter-- von meinem Erbe einfach einen halben Meter abstechen—— das lasse ich mir nicht gefallen--" So waren die Redensarten, mit denen der Zorn begann. Der Nachbar antwortete dann auf das Geknurr und sagte wohl gar. daß er Ludwigs Vater gern noch mal so viel Grund und Boden wiedergeben wollte, wenn er den Zaun wieder einmal erneuern müßte, und daß er doch jetzt nicht den guten Zaun um nichts und wieder nichts abreißen könnte, daß er so dumm nicht wäre, und daß doch nicht so viel Wesens um das bißchen lumpige Erde ge macht werden sollte. Bald gab ein Wort das andere, und Schimpfteden klangen darein. Auch die Frauen gaben ihren Senf dazu, und mit roten Köpfen und ergrimmten Gemütern zogen sich schließlich die Männer in ihre Häuser zurück. Wochenlang sahen sich die Familien dann gegenseitig nicht an; selbst Ludwig durfte während dieser Zeit nicht mit Nachbars Karl und Lilli spielen. Traurig stand der Junge am Bodenfenster und schaute in die fliehenden zarten,«eiße»
Ausgabe
6 (26.4.1909) 15
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