Für unsere Kinder Nr. 11 o o o o o o o Beilage zur Gleichheit 0000000 1912 Inhaltsverzeichnis: Spruch. Von I.V. Eichen dorff.— Der Funkcnsonntag in Schwaben . Von Heinrich Wandt. — Geschichte des Javancn Said jah. Von Multatuli.(Forts.)— Die Kinder im Schnee. Von Heinrich Seidel. (Gedicht.)— Die Wurzelprinzcssin. Von Robert Reinick. (Forts.) Zpruch. von Joseph v. Eichendorff. Ein wildes Roß ist's Leben, Die Hufe Funken geben, Iver's ehrlich wagt, bezwingt es, Und wo es tritt, da klingt es! 000 Der Funkensonntag in Schwaben . Lichtmeß und die ganze bunte Fastnachts zeit, der Sonntag Lätare und noch einige christ liche Haibfeierlage der Monate Februar und März tragen Merkmale an sich, die ins graue Heidentum zurückweisen. Sie bildeten einen Reigen von Volksfesten, der sich bis über die Osterzeit hinaus ausdehnte. Namentlich der Sonntag nach Aschermittwoch, der die christ liche Fastenzeit einleitet, hat viel von einem alten Fest überkommen, das von unseren heid nischen Ahnen zur Feier des erwachenden Frühlings begangen wurde. Dieser Sonntag heißt im Schwäbischen vielerorts Funken- oder Scheibensonntag. Die Bräuche, mit denen er auf dem Lande noch begangen wird, deuten auf die uraltheidnische Verehrung des Feuers und seiner Geister hin, eine Verehrung, die weit über die Erde verbreitet ist. Der Funkensonntag hat sich als ein Tag ursprünglicher Volksfreude in Schwaben am längsten in den katholischen Gegenden erhalten. So namentlich in der Baar, auf dem Heuberg und in Oberschwaben . Allerlei süße Gebäcke, die den Tag vor anderen auszeichnen sollen, werden dort nach altem Herkommen auf den Mittagstisch gebracht. Gewitter und Hagel schädigen nach dem Volksglauben im kommen den Sommer die Familie, in der die Haus frau von dieser Überlieferung abweicht. Denn der Tag war einst dem trotzigen Wettergott Donar geweiht, der die keimende Saat beschützt und den Obstbäumen Gedeihen schenkt. Aus dem Grunde wird noch heute, wenn auch unbewußt, das Andenken des rotbärtigen Gottes im Jller- und oberen Donautal mit dem Backen von Funkenküchlein am Funken sonntag geehrt. Am Bodensee wird der Tag vielfach mit Apfelküchlein gefeiert. Eigenartige Funkensonntagsgebäcke werden in manchen Gegenden schon tags zuvor in Bäckerläden und an Marktständen seilgeboten. Es sind der Hanselmann und das Hanselweibchen, ein Männchen und ein altes buckliges Weibchen aus Hefenteig, mit Augen und Rockknöpfen aus Rosinen. Sie werden mit Vorliebe Burschen und Mädchen zum Spott verehrt, die noch keinen Schatz besitzen. Denn Gott Donar war als Gott des Feuers und Herdes auch der Schützer der Familie und der Ehe. Das eigent liche Funkensonntagsgebäck aber ist der noch in ganz Oberschwaben anzutreffende Funken ring. Er ist aus Kuchenteig, hat die Form eines Kranzes und wird in allen Größen ge backen, vom Umfang einer Brezel bis zu dem eines kleinen Wagenrads. Die altheidnischen Bräuche, die am Abend des Funkensonntags üblich sind: der Fackelzug in den Kornösch, das sind die Getreidefelder, das Funkenfeuer und das Scheibenschlagen werden auch in Schwaben seltener. Sie ver lieren ihren Sinn in der Neuzeit, in der die Kleinbauern verarmen und die Industrie sich immer mehr auch auf dem Lande ausdehnt. Auch das Mittelalter, in dem die Kirche all mächtig war, in dem aber weniger fromme Heuchelei als heutzutage herrschte, prägte dem Funkensonntag seinen Stempel auf. So hielt im helfensteinischen Städtlein Wiesensteig bei Geislingen ehedem ein Ellwanger oder Ried linger Kapuziner eine Art Rugpredigt in der Gottesackerkirche, wobei Hoch und Niedrig die des Jahres über begangenen Sünden weidlich um die Ohren geschlagen bekam. Der Fackelzug in den Kornösch war einst eine Ehrung Donars. Er soll den Frühlings anfang, die Wiedererweckung der Natur be kunden und nach dem Volksglauben die Saat vor Hagel schützen. Der Brauch wird in vielem der Überlieferung getreu begangen. Erst durch das kirchliche Beiwerk, die Abbetung des Rosen kranzes, das Singen von geistlichen Liedern und einiges andere hat er das Gepräge einer l
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8 (19.2.1912) 11
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