Nr. 2 der ,, Gleichheit" gelangt am 25. Januar 1892 zur Ausgabe.
Kleine Nachrichten.
Die Beschäftigung der Arbeiterinnen an Schleifsteinen hält der Aufsichtsbeamte für den Regierungsbezirk Düsseldorf als für den weiblichen Organismus besonders nachtheilig. Die Natur der Schleifarbeit und die bekannte Schädlichkeit derselben, das öftere Fehlen einer entsprechenden Betriebsüberwachung lassen nach ihm das Verbot der Frauenarbeit in dem betreffenden Berufszweig als wünschenswerth erscheinen.
Die badische Regierung hat die Zulassung der Frauen zum Universitätsstudium, zunächst in der mathematisch- naturwissenschaftlichen Fakultät, beschlossen. Es ist mit Freuden zu begrüßen, daß endlich ein deutsches Land mit dem alten Zopf gebrochen, aber man begreift nicht, warum den Frauen nicht gleichzeitig der Zutritt zu allen Fakultäten gestattet worden ist. Das dringendste Bedürfniß liegt unbestreitbar für Freigabe des medizinischen Studiums vor, damit die Frauen endlich Gelegenheit erhalten, sich im Krankheitsfalle von Geschlechtsgenossinnen behandeln zu lassen und nicht, wie dies vielfach vorkommt, sich jahrelang mit Leiden zu schleppen, weil es ihrem Gefühle widerstrebt, die ärztliche Hilfe eines Mannes in Anspruch zu nehmen.
Das badische Unterrichtsministerium hat verordnet, daß für alle Mädchen einer Fortbildungsschule, sowie für freiwillige Theilnehmerinnen, an Stelle des Fortbildungsunterrichts die Unterweisung in der Haushaltungskunde verbunden mit Kochkurs treten kann. Der Unterricht soll auf Erwerbung von Kenntnissen behufs Führung einer praktischen Lebenshaltung gerichtet sein. Sehr schön, aber welches Ministerium verordnet, daß die männlichen Angehörigen der Proletarierfamilien so viel verdienen, daß ihre Frauen und Töchter zu Hause bleiben, daß sie über die nöthigen Mittel für die Lebenshaltung verfügen können, um die im Haushaltungsunterricht erworbenen Kenntnisse praktischer Wirthschaftsführung zu verwerthen? Die Proletarierinnen können nicht zuerst ans Kochen und Wirthschaften, sie müssen zuerst ans Verdienen denken, und der Verdienst der gesammten Arbeiterfamilie ist meist derart, daß ihre praktische Lebenshaltung" nach dem erschütternden Vers geregelt werden muß:
,, Kartoffeln in der Früh',
Des Mittags Kartoffeln in Brüh,
Des Abends Kartoffeln im Kleid, Kartoffeln in alle Ewigkeit."
Die Nürnberger Bau-, Maurer- und Zimmermeister- Innung giebt in der„ Baugewerkszeitung" die ortsüblichen Arbeitslöhne für Maurerarbeiten an. Nach den betreffenden Angaben erhält eine Arbeiterin pro Stunde 22 Pfg., sage und schreibe zweiundzwanzig Pfennige. Der höchste Lohnsatz für Männer beträgt 65 Pfg. pro Stunde. Solch schamloser Ausbeutung der weiblichen Arbeitskraft gegenüber erhellt die Nothwendigkeit der Forderung: gleicher Lohn für gleiche Arbeit ohne Unterschied des Geschlechts, eine Forderung, die nur in dem Maße verwirklicht wird, als die Arbeiterinnen sich organisiren und am Kampf ihrer Klasse gegen die kapitalistische Gesellschaft theilnehmen.
Zur Lage der Kellnerinnen. Wie die„ Münchener Post" berichtet, müssen in München die Kellnerinnen den Stellenvermittlern geradezu Riesenpreise zahlen. Es sind Fälle bekannt, wo Kellnerinnen für die Zuweisung eines Plates 40, 50, ja 72 Mf. bezahlen mußten. Die Lohnverhältnisse entsprechen durchaus nicht diesen den Mädchen abgepreßten Summen. In vielen Wirthschaften erhalten die Kellnerinnen überhaupt keinen Lohn, und dort, wo sie gezahlt werden, nimmt ihnen die Herrschaft ihren„ Gehalt" unter den verschiedensten Vorwänden wieder ab. So giebt es z. B. größere Wirthschaften, in welchen eine Kellnerin pro Monat 12 Mt. Lohn erhält. Davon gehen 1 Mt. 40 Pf. für Invaliditäts- und Krankenkasse und 10 Mk. für die Wohnung ab; von den übrig bleibenden 60 Pf. muß die Kellnerin die Fenster- und Besteckpuzzer bezahlen. Für jedes Loch, das ein Gast in eine Tischdecke gebrannt, muß die Kellnerin eine Mark bezahlen. Solche Erwerbs- und Lohnverhältnisse bereichern- nämlich Stellenvermittler, Wirthe und das Heer der Prostituirten.
Frauenstudium. Eine in Stry( Desterreich) stattgefundene ruthenische Frauenversammlung beschloß, bei dem Reichsrathe zu petitioniren, es möge den Frauen fortan die Aufnahme in Gymnasien und Universitäten gestattet werden.
Von welcher Wichtigkeit die Einsetzung von parlamentarischen Untersuchungskommissionen, wie sie der Abgeordnete Bebel im Reichstage beantragte, für die Erforschung der Lage der Arbeiterklasse ist, zeigen die in den letzten Sizungen der parlamentarischen Untersuchungsfommission in England gemachten Erhebungen über die Lage der Arbeiterinnen Londons . Sämmtliche vernommenen Zeuginnen, Arbeiterinnen der verschiedenen Industrien, klagten über schlechten
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Lohn, lange Arbeitszeit, Ueberzeitarbeit, ungesunde Arbeitsräume und theilweise über grobe Behandlung und mangelhafte Fabritinspektion. Die Vertreterin des Tapezierergewerks gab an, daß hier oft bis 10 Uhr Abends, manchmal die ganze Nacht hindurch gearbeitet werden müßte. Auf die Frage des Vorsitzenden, ob sie nicht wisse, daß Frauen nach dem Fabrikgesetz nicht über die gesetzlich bestimmte Zeit arbeiten dürfen, antwortete sie:„ Ach, sie thun es aber doch!" In Uebereinstimmung verlangten die Zeuginnen weibliche Fabrikinspektoren, weil die Arbeiterinnen mit solchen freier und offener sprechen könnten, namentlich in Bezug auf gesundheitliche Verhältnisse. Geradezu schauderhafte Dinge tamen über die Lage der Barmaids( Kellnerinnen) zu Tage. Die Arbeitszeit derselben ist so lang, daß eine Wirthschaft, in welcher sie wöchentlich nur 105 Stunden arbeiten, ein gutes Haus genannt wird. Nur in einigen großen Restaurants beträgt die Arbeitszeit 90 Stunden pro Woche. Die gesundheitlichen Bedingungen, unter welchen die Mädchen leben müssen, sind oft ganz unerhörte. Die Schlafräume sind nicht nur ungesunde, sondern oft geradezu mörderische. Die Gesundheit der Mädchen leidet sehr durch das lange Stehen, das viele Korkziehen und durch Alkoholvergiftung verschiedener Art. Was die Sittlichkeitsverhältnisse betrifft, so giebt es Arbeitgeber, welche es beinahe zur Engagementsbedingung machen, daß die Mädchen ihnen zu Willen sind. Es giebt in England und Wales ungefähr 80 000 Kellnerinnen. Auf dem Wege der Organisation kann nur wenig für dieselben gethan werden, dagegen sehr viel durch Unterstellung der Wirthschaften unter das Fabrikgesetz. Vor der nämlichen Kommission wurde auch Dr. Tatham, Gesundheitsbeamter für Manchester , über die Ursachen der großen Kindersterblichkeit vernommen. Derselbe behauptete, an derselben sei hauptsächlich Schuld, daß viele junge verheirathete Frauen bald nach der Entbindung wieder in die Fabrik gehen und ihre Kinder fremder Pflege überlassen. Ein Monat Ausschluß aus der Fabrik nach erfolgter Entbindung, wie ihn das Fabrikgesetz vorschreibt, sei nicht genügend, vielmehr sollten die Frauen erst sechs Monate nach der Niederkunft wieder arbeiten dürfen. Eine dahin lautende Bestimmung würde, wie er glaube, von hervorragendem Einfluß auf die Verminderung der Kindersterblichkeit sein. Er zweifle auch nicht, daß die Gesundheit der Mütter durch die zu frühe Rückkehr zur Arbeit leide. Der gute Mann meint es unzweifelhaft gut mit den Arbeiterinnen, aber sein Vorschlag ist deshalb unausführbar, weil er die für sechs Monate aus der Fabrik gesperrten Arbeiterfrauen mit ihren Kindern dem Hunger überliefern würde. Umfassender Schutz der Gesundheit wird den Arbeitermüttern erst in der sozialistischen Gesellschaft zu Theil werden.
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Eine Nordamerikanerin, Frau Helen Remington in San Francisco , behauptet, das Verfahren erfunden zu haben, einen Faden durch das Papier einer Banknote laufen zu lassen und dadurch deren Nachahmung unmöglich zu machen. Die Dame besitzt ein Patent für ihre Erfindung und will die Regierung zwingen, ihr für den Gebrauch derselben ein Abstandsgeld zu zahlen.
Wissenschaftliche Autoritäten( Proust , Arnould, Deplats 2c.) haben nachgewiesen, daß in den Bleiweißfabriken jährlich auf je 100 Arbeiter 50 Kranke kommen. Von geradezu mörderischen Folgen ist die Bleiweißvergiftung der Arbeiterinnen im Mutterschaftsfalle begleitet. Nach Constantin Paul kamen auf 27 Schwangerschaften 22 Fehlgeburten, 4 Todtgeburten und nur ein lebendes Kind. Für 43 Schwangerschaften ergaben sich folgende Resultate: 32 Fehlgeburten, 3 Todtgeburten, 2 lebende, aber sehr schwächliche Kinder. Eine Frau, welche bereits fünf Fehlgeburten gemacht hatte, gab ihre Arbeit in der Bleiweißfabrik auf und bekam ein gesundes Kind. Je nachdem die Arbeiterinnen in Bleiweißfabriken schafften oder nicht, kamen sie mit todten oder lebenden Kindern nieder. Auf 141 Schwangerschaften, die von an Bleiweißvergiftung leidenden Männern herrührten, zählte man 82 Fehlgeburten, 4 Frühgeburten, 5 Todtgeburten. Von den 50 lebenden Kindern starben 20 im Alter vor einem Jahre, 15 wurden 1-3 Jahr alt, 14 verschieden im dritten Lebensjahre, nur 4 überschritten dasselbe. Ist das nicht Engelmacherei im großen Stile, welche alle Enthüllungen über Kindesabtreibungen durch Hebammen tief in den Schatten stellt?
Von Frau Henrich- Wilhelmi geht uns unter Hinweis auf § 11 des Preßgesetzes eine Entgegnung auf eine aus Köln datirte Korrespondenz in Nr. 51 der„ Arbeiterin" zu; Frau H.-W. behauptet in dieser Entgegnung, daß sie die Verantwortung für die Erklärung des Kölner Freidenkervereins nicht übernehme; sie habe entgegengesetzt, als sie Kenntniß davon erhielt,„ einige Stellen, die böswilligen Gegnern(?) zu Mißdeutungen Anlaß geben konnten, bemängelt." Die übrigen Auslassungen der Frau H.-W. drucken wir nicht ab, da sie nicht zur Sache gehören.
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