In England widersetzen sich die Kapitalisten mit ihrer ganzen wirthschaftlichen Uebermacht den Organisationsbestrebungen der Ar­beiterinnen, bezw. der ungelernten Arbeiter. Die Kämpfe, welche die Gewerkschaften der gelernten Arbeiter vor 50 und 60 Jahren für das Recht der Organisation zu bestehen hatten, die müssen heute in gleicher Form von den ungelernten und weiblichen Arbeitern durchgefochten werden. Entlassungen und Aussperrungen von organisirten Arbeiter­innen regnen nur so hernieder; je schwächer noch die Organisationen sind, um so unverschämter gehen die Herren Unternehmer gegen sie vor. In Bukfastleigh( Südengland  ) hatte sich die große Mehrzahl der Arbeiter und Arbeiterinnen zweier Wollenmanufakturen der Union  der Gasarbeiter und Handarbeiter aller Art" angeschlossen, um ihre ganz miserablen Arbeitsverhältnisse verbessern zu können. Da aber diese Verbesserung eine Schmälerung der kapitalistischen   Profite be­deutete, so erklärte sehr bald der eine der Fabrikanten seinen Händen", daß sie entweder ihre Arbeit verlassen oder aus der Union   austreten müßten. Die Androhung der Hungerpeitsche verfehlte nicht ihre Wir­fung. Die Arbeiter und Arbeiterinnen traten aus der Organisation aus. Dadurch ermuthigt, stellte der andere Fabrikant seine Arbeiter und Arbeiterinnen vor die gleiche Wahl, jedoch nicht mit dem gleichen Erfolg. In der Folge wurden die in der Fabrit beschäftigten 300 Männer und Frauen vor ca. sechs Wochen ausgesperrt. Ihr Verdienst war ein so niedriger, daß sich viele von ihnen Dank der Unterstütz­ung seitens der Union   und freiwilliger Beiträge während der Aus­sperrung besser stehen, als vorher, wo sie arbeiteten. Auf ihr Nach­geben war also nicht sobald zu rechnen. Der Fabrikant kündigte nun den Arbeitern und Arbeiterinnen, welche fast ausschließlich ihm gehörige Häuser bewohnen, die Miethe. Sein Vorgehen zeigt wieder einmal recht sinnenfällig, daß die als Wohlthat" gepriesene Errichtung von Arbeiterhäusern" seitens der Unternehmer nur den Zweck verfolgt, die Lohnsklaven an die Scholle zu fesseln, ein Mittel mehr zu schaffen, ihren Widerstand zu brechen, sie bis aufs Mark ausbeuten zu können. Die Führer der Ausgesperrten von Bukfastleigh haben diesen den Rath gegeben, einer Ausführung der Mittheilung Widerstand entgegen­zusetzen, wie dies die irischen Pächter seiner Zeit auf Parnell's Rath hin gethan. Die englischen Arbeiterblätter erkennen einstimmig den bewundernswerthen Muth, die entschlossene Haltung der ausgesperrten Frauen und Mädchen an, welche durch ihre Begeisterung die Männer zum Aushalten anfeuern.

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Die Herren Geldsäcke finden bei ihrem Bemühen, den Organi­sationen der Arbeiterinnen das Lebenslicht auszublasen, allzeit dienst­beflissene Bundesgenossen in den Polizeibehörden. So wird aus Frankfurt   a. M. berichtet, daß die dortige Filiale des deutschen Schneider und Schneiderinnen- Verbandes auf Grund des berühmten § 8 des Vereinsgefeßes abermals geschlossen worden ist, weil sie nach ihrer fürzlich erfolgten Wiedereröffnung aufs Neue weibliche Mit­glieder aufgenommen habe und sich mit Politik beschäftige.

Der Vorstand des sozialdemokratischen Wahlvereins Augs­ burg   hatte im Dezember v. J. eine Beschwerde gegen die polizeiliche Ueberwachung eines Familienabends an die städtischen Behörden zu Augsburg   gerichtet. Die Beschwerde ward abgewiesen, da der Polizei­behörde das Recht zustehe, alle Versammlungen politischer Vereine zu überwachen. Der Vorstand des Wahlvereins legte gegen den Bescheid bei der königlichen Regierung von Schwaben   Berufung ein. Diese entschied ebenfalls, daß Familienabende, zu denen auch Frauen und Kinder zugelassen wären, politischen Versammlungen gleich zu stellen seien, wenn sie von politischen Vereinen organisirt worden.

In Elmshorn   fand am 7. Februar an Stelle eines allge­gemeinen Festes ein Männerfränzchen des Arbeiterbildungsvereins statt, weil die königliche Regierung zu Schleswig   den Frauen den Zutritt als zu einer politischen Versammlung" verboten hatte. Während die Männer in dem einen Saale miteinander tanzten, sangen die zahlreich in einem Nebensaale versammelten Frauen Freiheits­lieder. Wann werden die Polizeibehörden die letzte Konsequenz aus ihrer Auslegung der Vereinsgesetze ziehen und jede Arbeiterfamilie in ihrem Hause als politische Versammlung" überwachen lassen, jede Arbeiterehe als einen politischen Verein," dem Frauen nicht ange­hören dürfen," auflösen?

Korrespondenz.

Lübeck  . Am Sonntag den 31. Januar 1892 hielt Herr Haupt­lehrer Groth im Tivoli einen Vortrag über Die hauswirth­schaftliche Ausbildung des weiblichen Geschlechts," der so interessante Details enthielt, daß er verdient in den weitesten Frauenkreisen be­kannt zu werden. So führte der Redner z. B. an: Die Frau muß Herrin sein über Küche, Keller und Kammer, sie muß in den weib­lichen Künsten tüchtig sein und vor allem ihre Kindlichkeit und

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Keuschheit bewahren; dann ist sie eine liebliche Krone ihres Geschlechts, des Mannes Freude und des Hauses höchster Schmuck." Schöne Worte gedankenlosen Inhalts! Für Herrn Groth scheint die Frau überhaupt nichts weiter als ein Spielzeug oder eine Nippfigur zu sein; es wäre interessant zu erfahren, welche Frauen er eigentlich bei seinen Worten im Auge hatte, wahrscheinlich die Bourgeoisdamen, denn an die Proletarierinnen kann er doch unmöglich gedacht haben. Hat Herr Groth schon gesehen, wie Frauen, mit kurzen Röcken und groben Stiefeln angethan, bei der Abtragung des Walles Seite an Seite mit den Männern arbeiten müssen? Wie es scheint nicht, obgleich er dies in seiner nächsten Nähe beobachten könnte. Ferner muß Herr Groth, als Leiter einer Knaben- Freischule, doch auch sicherlich wissen, daß in vielen Fabriken Kinder in Gemeinschaft mit Erwachsenen beschäftigt werden, und daß da nicht bei jedem Worte Rücksicht auf die anwesenden Kleinen genommen wird. Bei unserem heutigen Ge­sellschaftszustande, wo der Mann nicht immer so viel verdient, daß er Frau und Kinder zu ernähren vermag, wo die ganze Familie von Morgens früh bis Abends spät auf den Erwerb ausgehen muß, um das Nothdürftigste für ihren Unterhalt zu verdienen, kann aber der Bildungsgrad des Volks kein allzuhoher sein. Was die Kinder von den Erwachsenen bei der Arbeit hören, ist nicht immer gut und schön. Wo bleibt da die Kindlichkeit und Keuschheit der jungen Mädchen. Schon in den Kinderjahren wird sie abgestreift. Sehr liebenswürdig räumt Herr Groth der Frau das Recht ein, über Küche, Kammer und Keller Herrin zu sein; vergißt aber zu erwähnen, daß nur ein Drittel des weiblichen Geschlechts in den Hafen der Ehe einläuft, und daß von den Verheiratheten noch nicht der zehnte Theil Küche, Kammer und Keller besitzt. Glücklich schätzt der Herr Hauptlehrer die Mädchen, welche bald nach Verlassen der Schule zu einer tüchtigen Hausfrau in den Dienst kommen, denn das Dienen sei keineswegs entehrend, sondern eine allgemeine menschliche Pflicht. Das ganze Berufs- und Erwerbsleben sei ein bürgerlicher Ehrendienst. Sehr richtig, Herr Groth! Aber erst in der Zukunftsgesellschaft wird die Arbeit Ehrendienst, wenn die Klasse der jetzt faullenzenden Bevorzugten sich abgewirthschaftet hat, und für alle Menschen die Arbeit zur Pflicht geworden ist. Weiter empfiehlt Herr G. die Einschränkung der Fabrikarbeit des weiblichen Geschlechts, damit wenigstens die verheirathete Frau dem Hause und ihren Kindern leben könne; er bedenkt aber nicht, daß dadurch das pekuniäre Elend der Bevölkerung gesteigert würde, denn wie viele Frauen giebt es, die der kräftigen Stütze des Gatten beraubt sind, die allein für ihren und der Kinder Unterhalt sorgen müssen. Und was sollte aus den alleinstehenden Mädchen werden, die freund- und elternlos durchs Leben gehen, wenn ihre Erwerbsthätigkeit ein geschränkt würde? Man trieb sie entweder der Prostitution in die Arme oder sie wären dem sicheren Hungertode preisgegeben. Weiter empfiehlt Herr G. den Haushaltungsunterricht in den Schulen und das Sparen, denn von der Kunst des Sparens hänge vielfach das Glück und die Existenz des Hauswesens ab. Ein jedes Mädchen solle lernen, wie eine Wohnung freundlich eingerichtet wird; Schön­heit bestehe nicht im Ueberfluß. Eine einfache aber behagliche Häus­lichkeit sei geeignet, jedem noch unverwöhnten Menschen das Dasein zu verschönern. Ein solches Glück dem Manne zu bereiten, sei die erste Aufgabe der Hausfrau, die sie aber nur dann erfüllen könne, wenn sie in der Hauswirthschaft genügend ausgebildet worden wäre. Wohl wahr, aber nicht maßgebend. Sorge man nur dafür, daß alle Mädchen ohne Unterschied des Standes eine gesunde geistige Bildung erhalten, lege man eine besondere Sorgfalt auf die Erziehung des Charakters der Kinder, damit dieser nicht schon in den Kinderjahren verkrüppelt werde, so wird man damit auch gute Hausfrauen heran­bilden; eine gute, geistige Erziehung, verbunden mit gesunder Welt­anschauung fördert das ästhetische Gefühl mehr wie jede besondere hauswirthschaftliche Ausbildung. Wenn ein Mädchen, das eine gute allgemeine Bildung des Geistes und Charakters erhalten hat, sich ver­heirathet, und nur die nöthigen Mittel vorhanden sind, wird es auch die Fähigkeit besitzen, die Häuslichkeit gemüthlich und geschmackvoll einzurichten. Aber das sind vorläufig fromme Wünsche, die erst in einer besseren Gesellschaftsordnung erfüllt werden können. M.. y.

Anna Louisa Karschin.

Es giebt Menschen, denen das bittere Los zu Theil wird, durch unausgesetzte Arbeit abgeheßt, durch lieblose Behandlung gequält und durch Kummer und Sorge geplagt zu werden, Men­schen, die überhaupt einen so schweren Druck auszuhalten haben, daß man erstaunt fragt, wie sie demselben nicht erliegen. So viele auch im Elend sittlich verkommen, so scheinen doch einzelne