Am 1. Februar fand in Leipzig eine öffentliche Versammlung aller in Buchbindereien, Notenstechereien, Gravir- und Ziseliranstalten, sowie in den verwandten Berufszweigen beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen statt, welche sich mit folgenden zwei Fragen beschäftigte: 1) Die Bedeutung des bevorstehenden allgemeinen Gewerkschaftskongresses zu Halberstadt . 2) Der beendete Buchdrucker streik und die gemaßregelten Arbeiter und Arbeiterinnen. Zu Punkt 1 legte Herr Scherer in einem sehr beifällig aufgenommenen Vortrag dar, welche Bedeutung dem Halberstadter Kongreß bezüglich seiner Beschlußfassung der Organisationsfrage gegenüber innewohne. Im Prinzip sei die Zentralisation als die geeignetste Form der Organisation anerkannt, nur müßten mit Rücksicht auf die bestehende Vereinsgesetzgebung die organisirten Arbeiter Sachsens und anderer Länder erwägen, ob es zweckmäßig, die bestehenden größeren Vereine zu Gunsten der Einzelmitgliedschaft der bestehenden Zentralverbände auf zulösen. Für die kleineren Vereine erscheine es besser, wenn sich deren Mitgliedschaften als Einzelmitglieder den Verbandsvereinen anschlössen oder allgemeine Industrievereinigungen bildeten. Nachdem sich verschiedene Redner im Sinne des Referenten ausgesprochen, erklärten die Anwesenden, die Arbeiter und Arbeiterinnen der drei Gewerke durch einen gemeinsamen Delegirten auf dem Gewerkschaftskongresse vertreten zu lassen. Bezüglich des Buchdruckerstreiks und der gemaßregelten Buchdrucker und Hilfsarbeiterinnen beschloß die Versammlung, die Opfer des Kampfes für den Neunstundentag wiederum mit 1000 Mt. zu unterstützen und mit allen Kräften auch in Zukunft für die Gemaßregelten einzutreten.
Frau Steinbach( Hamburg ) sprach am 1. Februar in Gnoyen in einer von Frauen und Männern zahlreich besuchten Volksversammlung über„ Die heutige wirthschaftliche Stellung der Frau." Die Versammlung wäre um ein Haar der Auflösung verfallen, da sich die Rednerin nach Meinung der überwachenden Polizeibeamten auf politisches Gebiet gewagt hatte, ward aber trotz des Zwischenfalles glücklich bis zu Ende geführt.
Aufgelöst wurde dagegen am 2. Februar eine Versammlung in Rostock , in welcher die nämliche Rednerin über„ Die gewerbliche Frauenarbeit und ihre Bedeutung für die Arbeiterbewegung" referirte. Als Auflösungsgrund mußte die von Frau Steinbach erhobene For derung auf gleiche Rechte für Frauen und Männer, zumal auf gleiche politische Rechte herhalten. Die Versammelten, deren Zahl ca. 1000 betrug, verließen unter Hochrufen auf die Sozialdemokratie und dem Gesang der Arbeiter Marseillaise den Saal.
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In Schwerin sprach Frau Steinbach am 3. Februar über das genannte Thema. Die betreffende Versammlung war sehr zahlreich, auch seitens der Frauen, besucht und hatte zur Folge, daß am nächsten Sonntag ein Pfarrer von der Kanzel herab gegen die Frauen donnerte, welche in sozialdemokratische Versammlungen liefen, anstatt die Kirche zu besuchen. Sollten Pfaffen und Junker fürchten, daß der berühmte antisozialdemokratische mecklenburgische Bauernschädel doch nicht so felsenfest ist, als man glauben machen möchte?
In Eckernförde erörterte Frau Steinbach am 6. Februar in einer von mindestens 500 Männern und Frauen besuchten öffentlichen Versammlung das Thema:„ Das sozialdemokratische Programm und die Frau." Am Schlusse ihrer mit Begeisterung aufgenommenen Darlegungen forderte die Referentin die Frauen auf, in dem schweren Befreiungskampfe des arbeitenden Volks den Männern als treue Streitgenossinnen zur Seite zu stehen.
Eine sehr gut besuchte Versammlung für Männer und Frauen fand am 7. Februar in Berlin statt. Herr Koblenzer hielt einen beifällig aufgenommenen Vortrag über„ Die Chartistenbewegung in England."
Am 9. Februar referirte Herr Klüß( Elmshorn ) in einer von Männern und Frauen start besuchten Volksversammlung zu Hemme bei Heide über das Thema:„ Die Sozialdemokratie und die Frauenfrage." Die Ausführungen des Redners, sowie diejenigen von Frau Kähler( Wandsbeck), welche in der Folge das Wort ergriff, wurden mit Begeisterung aufgenommen.
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In Lunden fand am 10. Februar eine Volksversammlung statt, der ungefähr 400 Frauen und Männer beiwohnten. Genosse Klüß sprach über das soeben genannte Thema, und die Versammlung, welche durch reichen Beifall ihre Zustimmung zu den Ausführungen des Redners erklärte, endete mit einem brausenden Hoch auf die Sozialdemokratie.
In Elberfeld fand am 9. Februar eine öffentliche Versammlung für Arbeiter und Arbeiterinnen statt, in welcher Frau Rohrlack über„ Die Stellung der Frau in der Gegenwart" referirte. Das Lokal, welches ca. 800 Personen faßt, war lange vor Beginn der Versammlung derart überfüllt, daß der Zugang zu demselben gesperrt werden mußte. Die Rednerin führte, oft von stürmischem
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Beifall unterbrochen, aus, daß die wirthschaftlichen Verhältnisse die Frau aus der Häuslichkeit in das industrielle und öffentliche Leben getrieben, sie schutz- und rechtlos der Ausbeutung durch das Kapital ausgeliefert hätten. Da sie dem Manne gleich um ihre Existenz fämpfen müsse, sei es nothwendig, ihr die nämlichen Waffen, die nämlichen Rechte zu verleihen, mit denen der Mann für seine Befreiung streitet. Die Versammlung erklärte sich in einer Resolution mit den gehörten Ausführungen einverstanden und erklärte, mit allen Mitteln für die Gleichstellung der Frau mit dem Manne eintreten zu wollen. Im Anschluß an die stattgehabte Versammlung ward ein Arbeiterinnen- Bildungsverein gegründet, dem sofort 110 Frauen bei
traten.
Frau Henrich Wilhelmi sprach am 10. Februar in Meißen in einer öffentlichen Versammlung des sozialdemokratischen Vereins über die„ Frauenfrage." Nachdem die Rednerin die gesellschaftliche Rechtlosigkeit der Frau und die angeblichen Beweise für ihre geistige Unterbürdigkeit einer scharfen Kritik unterzogen, schilderte sie die Ausbeutung, welche die Proletarierin unter der Herrschaft des Kapitals erfährt, und schloß mit dem Wunsche, daß Frau wie Mann kämpfen möge für das hohe Ideal der Befreiung der arbeitenden Klasse vom Druck der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, für das Jdeal der Verwirklichung jener besseren Gesellschaft, in der Alle frei, gleich Brüdern und Schwestern leben können. Die auch seitens der Frauen sehr gut besuchte Versammlung zollte den Ausführungen lebhaften Beifall. In Wesselburen sprach am 11. Februar Frau Kähler ( Wandsbeck) vor einer zahlreichen Versammlung über„ Die Sozialdemokratie und die Frauenfrage." Die Rednerin führte aus, daß die Befreiung des weiblichen Geschlechts nur in der sozialistischen Gesellschaft erfolgen fönne, weil erst in derselben alle Verhältnisse fortfallen, welche die Herrschaft eines Menschen über einen anderen Menschen begründen. Lebhafter Beifall folgte ihren Ausführungen.
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Das Agitationskomité von Hamburg hatte für den 11. Februar in Eppendorf eine öffentliche Volksversammlung einberufen, welche sich eines zahlreichen Besuches von Arbeitern und Arbeiterinnen erfreute. Herr Weinheber hielt einen Vortrag über„ Die Lage der arbeitenden Klasse," an dessen Schluß er auf die Nothwendigkeit hinwies, das Proletariat auf politischem und gewerkschaftlichem Gebiete zu organisiren. Frau Blohm legte darauf in klarer und überzeugender Weise dar, daß sich die Frauen und Mädchen des Proletariats gleichfalls organisiren und mit den Männern zusammen am Kampfe ihrer Klasse theilnehmen müßten.
Am 13. Februar fand in Bernburg eine öffentliche Versammlung der Tabakarbeiter und Arbeiterinnen statt, welche sich unter anderem mit der Stellungnahme zu dem Halberstadter Gewerkschaftskongreß und mit der Wahl eines Delegirten zu demselben beschäftigte. Herr Strobel führte aus, daß der Kampf der Arbeiter und Arbeiterinnen gegen den Kapitalismus eine gute, stramme und widerstandsfähige Organisation erfordere, und daß es die Aufgabe des bevorstehenden Gewerkschaftskongresses sei, eine solche zu schaffen. Frau Blohm( Hamburg ) referirte am 13. Februar in einer gut besuchten Volksversammlung zu Jhehoe über das Thema:„ Zweck und Nutzen der Frauenorganisation." Die Anwesenden erklärten ihre Zustimmung zu den gehörten Ausführungen und beschlossen die Gründung eines Arbeiterinnen- Bildungsvereins, dem sofort gegen 50 Mitglieder beitraten.
In Oldesloe sprach Frau Steinbach am 14. Februar über „ Die Frauenbewegung und das sozialdemokratische Programm." Die auch von Frauen stark besuchte Versammlung zollte der Rednerin lebhaften Beifall und erklärte sich in einer Resolution mit ihren Schlußfolgerungen einverstanden.
-In einer Mitte Februar in Rendsburg abgehaltenen öffentlichen Versammlung referirte Frau Steinbach über„ Das Programm der sozialdemokratischen Partei und das Genossenschaftswesen." Die Anwesenden, unter denen sich viele Frauen befanden, wählten Frau Wackerhagen als Delegirte zu dem am 28. Februar stattfindenden Parteitag für Schleswig- Holstein .
Ueber den„ Entwurf des neuen Volksschulgesetzes" sprach Herr Stritskowsky in einer von dem sozialdemokratischen Agitationsflub für den Osten Berlins einberufenen öffentlichen Versammlung für Männer und Frauen. Die Versammlung erklärte sich nach Schluß des Vortrags in einer längeren Resolution unter Berufung auf das sozialdemokratische Programm gegen den Gesetzentwurf; sie erklärte ferner, daß im Landtag kein Abgeordneter eine der betreffenden Forderung des sozialdemokratischen Programms entsprechende Haltung eingenommen habe und verlangte mithin die Einführung des gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts für die Landtagswahlen.
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