bindung von Vereinen verbieten, welche sich mit Politik, mit öffent­lichen Angelegenheiten beschäftigen. Die deutschen Gewerkschaften müssen mithin entweder auf die Zentralisation, damit auf die Er­starkung zu einer einheitlich vorgehenden Macht, oder aber sie müssen auf die politische Propaganda und Agitation verzichten. Der oben gekennzeichneten verschiedenen Auffassung von der Rolle der Gewerk­schaften entsprechend, entschied sich ein Theil der Organisationen unter Preisgabe der politischen Thätigkeit für die Zentralisation, ein anderer Theil dagegen verzichtete auf die stärkere, kampfes fähigere Organisationsform und bewahrte sich als Ganzes die politische Bewegungsfreiheit.

Wie schon oft in der Presse und im Vereinsleben, so sind auch auf dem Kongresse die Anhänger der Zentralisation und die­jenigen der Lokalorganisation in hartem Strauße aneinander ge­rathen. Die Delegirten erklärten sich mit überwältigender Mehr­heit zu Gunsten der Zentralisation und gegen die Lokalorgani sationen, so daß die anwesenden Vertreter derselben unter Protest den Kongreß verließen.

Unseres Erachtens hat dieser mit seiner Stellungnahme zu der Frage das Richtige getroffen. Unsere wirthschaftlichen Ver­hältnisse, welche längst dem lokalen Rahmen entwachsen sind, die Anhäufung immer größerer Kapitalien in einer immer fleiner werdenden Zahl von Händen, die Unternehmerverbände, welche in allen Industrien zur Regelung der Machtverhältnisse und ebenso sehr zur Niederhaltung der Lohnsklaven wie Pilze aus der Erde emporwachsen, machen die möglichste Konzentration der Proletarier zur Nothwendigkeit. Die gewerkschaftlichen Organisationen befinden sich im Kampfe nur noch selten einzelnen Kapitalisten gegenüber, vielmehr meist Koalitionen von Fabrikanten, Händlern 2c. eines ganzen Industriezweiges, hinter denen oft das ganze Unternehmer­thum steht. Auch andere Aufgaben, welche den Gewerkschaften zu= fallen, so die Regelung des Arbeitsnachweises, des Wandergeldes, der Streifunterstützung 2c. können bei dem heutigen Stand des Wirthschaftslebens nicht durch lokale, sie müssen durch zentralisirte Organisationen gelöst werden. Der kräftige Aufschwung, den die gewerkschaftlichen Zentralisationen den Lokalvereinigungen gegenüber genommen, beweist wohl, daß die Einwände nicht stichhaltig sind, welche letztere gegen erstere auch vom rein praktischen Standpunkte aus, so z. B. mit Rücksicht auf die größeren Verwaltungskosten, erheben.

Andererseits scheint es uns, daß man das Wesen der ge= werkschaftlichen Bewegung, der gewerkschaftlichen Organisation ver­fennt, wenn man in ihr das Hauptgewicht auf die politische Er­ziehung und Schulung ihrer Mitgliedschaft legt. Die gewerkschaft­liche Bewegung ist nicht ein Anhängsel der politischen Bewegung; ihr fällt im Befreiungskampfe des Proletariats eine eigene, selbst­ständige Rolle zu, welche von den Anhängern der Zentralisation richtig erfaßt worden ist. Wenn sie in den letzten Jahren nur wenig für die wirthschaftliche Besserstellung der Arbeiterklasse ge­leistet hat, so erklärt sich dies durch die ungemein mißliche wirth­schaftliche Lage und nicht etwa dadurch, daß sie, um einen trivialen Ausdruck zu gebrauchen, ihren Beruf verfehlt hat." Als Maß­stab ihres Werthes für das Proletariat können nicht blos die von ihr errungenen Vortheile dienen, müssen vielmehr auch die Ver­schlechterungen der Arbeitsbedingungen in Betracht gezogen werden, denen sie vorgebeugt hat.

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Wohl hatten in Deutschland   in Folge des Ausnahmegefeßes gegen die Sozialdemokratie die gewerkschaftlichen Organisationen zeitweise einen Theil der politischen Agitation übernehmen müssen, der eigentlich der politischen Partei zugefallen wäre. Aber heut zutage liegt kein Grund vor, aus der Noth eine Tugend zu machen. Die starke, festgefügte sozialdemokratische Partei führt in ziel­bewußter Weise den Klassenkampf auf politischent Gebiete für das Proletariat, trägt durch ihre Agitation politische Aufklärung und Schulung in dessen breite Massen, sammelt sie zu einer Klassen bewußten, disziplinirten Macht. Dürfen auch die zentralisirten Gewerkschaften, als Ganzes genommen, nicht Politik treiben, so hindert doch nichts, daß ihre einzelnen Mitglieder das thun, so ist es den einzelnen Filialen doch unbenommen, in öffentlichen Versammlungen der Berufsgenossen politische Themata zu erörtern. Daß die Gewerkschaften in der Folge verflachen, in das seichte

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Fahrwasser der Hirsch- Duncker'schen Nichts- als- Gewerkvereinler ge­rathen sollten, ist keineswegs zu befürchten. Der Klassenstaat, der sich in Allem und Jedem als unterthänigster Diener des Kapitals, der herrschenden und besitzenden Klassen erweist, zwingt den Arbeitern geradezu das Interesse für politische Fragen, den Eintritt in den politischen Kampf auf. Weiter ist die in den Gewerkschaften gepflegte Erörterung wirthschaftlicher Fragen ganz vorzüglich geeignet, die Proletarier zum Klassenbewußtsein zu wecken, für den Klassenkampf zu schulen, ihnen den Beweis zu erbringen, daß eine Gewerkschaft nicht ein Eintrachtskränzchen sein kann, in dem von der Harmonie zwischen Kapital und Arbeit gesungen und gesagt wird, vielmehr eine Kampfesorganisation sein muß zu Schuß und Truz der Arbeiterinteressen.

Können die Gewerkschaften angesichts dieser und anderer Er­wägungen auf die unmittelbare politische Thätigkeit verzichten, so müssen sie dies thun, wollen sie bei dem gegenwärtigen Stand unserer Vereinsgesetzgebung, welche den Frauen die Mitgliedschaft von politischen Vereinen untersagt, die Einbeziehung der Arbeiterinnen in die Organisationen, ihre gewerkschaftliche Schulung und Erzieh­ung verwirklichen. Und die Einreihung der beruflich thätigen Proletarierinnen in die Gewerkschaftsbewegung ist im Interesse des gesammten Proletariats mehr als wünschenswerth, sie ist für die Arbeiterschaft mancher Industriezweige, sie ist für den kräftigen und raschen Fortgang der sozialistischen   Arbeiterbewegung eine Lebens­frage. Nun wenden die Anhänger der Lokalorganisationen wohl ein, daß sie die vorliegende Nothwendigkeit durchaus anerkennen, daß sich aber die Arbeiterinnen, um die politische Bewegungs­freiheit der Gewerkschaften nicht zu hemmen, in besonderen Organi­sationen zusammenschließen sollen. Uns erscheinen jedoch gemischte Organisationen, welche sowohl Arbeiter wie Arbeiterinnen umfassen, für Berufszweige, wo beide zusammen arbeiten, nicht nur als das Natürliche, sondern auch überhaupt als bei weitem vorzuziehen. Durch den Zusammenschluß mit den Männern, welche bereits in Sachen der Organisation bedeutende Erfahrungen erworben haben, kommen die Arbeiterinnen schneller über die Kinderjahre und Kinder­krankheiten des Vereinslebens hinweg, gewinnen sie rascher prak­tische Erfahrung und Routine für Führung der Geschäfte. Durch die Berührung mit den politisch und wirthschaftlich aufgeklärten und geschulten Klassengenossen werden sie schneller zum Verständniß ihrer Interessen, zum Klassenbewußtsein erzogen, als wenn sie sich selbst überlassen bleiben. Die in England seit Jahren bestehenden Trades- Unions für Frauen vegetiren fümmerlich dahin, mehr noch, sie sind zum Theil unter den Einfluß bürgerlicher Elemente gerathen, welche unter dem Vorwand, für die Frauenrechte einzutreten oder unter der Maske der Philanthropie die Entwicklung des Klassen­bewußtseins der Mitglieder hintanhalten, feine Zielflarheit und damit auch keine rechte Aktionsfähigkeit aufkommen lassen. Im Gegensatz dazu nehmen die englischen Trades- Unions, welche Arbeiter wie Arbeiterinnen eines Berufs umschließen, in jeder Beziehung einen kräftigen Aufschwung. Mit Recht erklärte Frau Ihrer, als der Kongreß die Organisationsfrage behandelte, daß sie sich nicht für Zentralisationen erwärmen fönne, welche ausschließlich Arbeiterinnen umfassen sollten. Mit Recht forderte Frau Steinbach, daß die gewerkschaftlichen Organisationen ihre Statuten dahin abändern sollten, daß den Arbeiterinnen der Zutritt zu ihnen möglich sei. Der Kongreß nahm den von ihr eingebrachten und von 22 De­legirten unterzeichneten diesbezüglichen Antrag an. Auch Petersdorf, der Delegirte der Tertilarbeiter, und Junge, Vertreter des Spezial­fongresses für die Arbeiter der Nahrungs- und Genußmittel- In­duſtrie, betonten, wie dringend nothwendig es sei, die Organisationen derart zu gestalten, daß die Arbeiterinnen zusammen mit den Arbeitern in dieselben einbezogen werden könnten. Gerade mit Rücksicht auf die junge, emporstrebende Arbeiterinnenbewegung, mit Rücksicht auf ihr volles Aufgehen in die allgemeine große Arbeiterbewegung ist der Beschluß des Kongresses zu Gunsten der unpolitischen, zentrali­sirten Organisationen mit Freuden zu begrüßen.

Wie zu erwarten, entschied sich der Kongreß angesichts der vorliegenden praktischen Bedenken weder für den Entwurf der Metallarbeiter, noch für den der Generalfommission. Er nahm die folgende, zwischen beiden vermittelnde Resolution an: