ungen, behufs Bekämpfung der Mißstände die Frauen in die Drganisation einzubeziehen, sind recht erfolgreich; es hat sich bereits eine größere Anzahl von Schneiderinnen in einer besonderen Sektion organisirt, welche sich der allgemeinen Schneider- Union anschloß.
In Neustadt in Oberschlesien fand am 5. März eine Versammlung der Arbeitslosen jeden Berufs statt, zu der auch brotlose Frauen geladen worden waren. Der überwachende Polizeikommissar drohte, die Versammlung aufzulösen, wenn die Frauen nicht sofort aus dem Saale entfernt würden. Obgleich ihm der Vorsitzende das Ungesetzliche seines Verlangens nachwies, beharrte er auf demselben. Die Frauen mußten die Versammlung verlassen, und die Gesellschaft war wieder einmal vor dem drohenden Umsturz gerettet. Wer's nicht glaubt, zahlt einen Thaler. Gegen das Verfahren des„ eifrigen" Polizeikommissars ist Beschwerde angemeldet worden.
In Neumünster gestattete die Polizeibehörde dem Allgemeinen Arbeiterverein gnädigst die Feier des 18. März, untersagte aber den Frauen die Betheiligung an derselben. In gleicher Weise wurde dem sozialdemokratischen Wahlverein von Elmshorn anläßlich der bevorstehenden Maifeier Umzug und Ball verboten, da er ein politischer Verein sei, zu deren„ Versammlungen" Frauen keinen Zutritt haben dürften. Nur immer schneidig und findig fortwursteln," damit auch den Proletarierinnen recht deutlich die Rolle der Behörden im heutigen Klassenstaate zum Bewußtsein kommt.
Das Programm, mit welchem die sozialistische Arbeiterpartei Frankreichs bei den am 1. Mai bevorstehenden Gemeinderathswahlen in den Kampf und hoffentlich zum Siege zieht, enthält Forderungen, welche die Arbeiterinnen, die Sozialistinnen besonders, interessiren müssen, und auf welche wir deshalb an dieser Stelle aufmerksam machen. Wir meinen die Punkte des Programms, welche sich auf den Schutz der Frau beziehen, der Ausgebeutetsten der Ausgebeuteten, des Hauptopfers unserer heutigen Gesellschaftsordnung, auf den Schuß Derjenigen, welche durch eine gesellschaft liche Revolution Alles zu gewinnen hat. Wenn auch," wie es in dem an die Arbeiter gerichteten Aufruf der Partei heißt, die fommunalen Körperschaften, deren Thätigkeitsfeld durch den Druck des Staates ein sehr engbegrenztes ist, Elend und Knechtschaft, welche erdrückend auf Euch lasten, nicht aus der Welt schaffen
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können, so ermöglichen sie es Euch doch, wenn Ihr in ihnen Siz und Stimme erobert habt, sofort Eure Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern, Kinder und Greise des Proletariats gegen den Hunger sicher zu stellen und die Frau zu schützen."
So trennt die sozialistische Arbeiterpartei Frankreichs die Sache der Frau nicht von der des Mannes: beide werden ausgebentet, beide kämpfen für die nämliche Sache, beiden bringt der nämliche Sieg die Befreiung. Gerade die von uns hervorgehobenen Punkte des Programms beweisen klar und deutlich den humanitären, organisatorischen Charakter der sozialistischen Partei. Ihr ist in der That die Aufgabe zugefallen, Alles zu retten, was sie nur dem unersättlichen Vampyr der kapitalistischen Wirthschaftsordnung entreißen fann. Deshalb tritt uns aus ihrem Programm sinnenfällig ernste Sorge um das Leben, die Gesundheit der Menschen
entgegen.
Für die Kinder verlangt das Programm die Errichtung von Schulfantinen, sowie zweimal im Jahre die Vertheilung von Schuhwerk und Kleidern. Ferner soll für sie in jeder Gemeinde ein ,, Sanatorium"( Heilanſtalt) gegründet werden, in welchem sie eine den Grundsäzen der Hygiene entsprechende Behandlung erfahren.
Zum Schuße der Frau erhebt das sozialistische Wahlprogramm die Forderung auf Gründung von Maternitäten( Entbindungsanstalten) in allen Gemeinden. Die Frauen haben so gut wie die Männer Anrecht auf Eintritt in Asyle und Versorgungsanstalten, sowie auf die Vertheilung von Lebensmitteln. Die Gemeinden haben ferner allen Kranken unentgeltliche ärztliche Pflege und Medikamente zu herabgesezten Preisen zu vermitteln.
Die betreffenden Forderungen, welche nur als Abschlagszahlungen zum Wohle der Arbeiterklasse und an die Arbeiterklasse zu betrachten sind, geben einen Begriff davon, was eine gut organi sirte Gesellschaft, der das Wohl aller ihrer Glieder am Herzen liegt, in der Beziehung wird leisten können. Ihr ist es vor
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behalten, zu verwirklichen, was in unserer Zeit der Barbarei oder, was auf das Nämliche hinausläuft, in unserer Zeit der kapita listischen Zivilisation, nur ein Traum der Hygienisten bleiben mußte. Die sozialistische Partei aber, welche für die kommunistische Zufunftsgesellschaft fämpft, muß unterdeß bezüglich des Wohls der Arbeiterklasse zu retten suchen, was zu retten ist. Sie muß verhindern, daß die heutige Gesellschaft, während sie einerseits durch die wirthschaftliche Entwicklung die materiellen Vorbedingungen für eine vollkommenere Gesellschaftsordnung erzeugt, nicht gleichzeitig andrerseits durch stete Herabdrückung des Proletariats zu einer niederen Lebenshaltung, durch körperliche, geistige, sittliche Entartung desselben die gesellschaftliche Macht vernichtet, welche fähig ist, die soziale Wiedergeburt zu vollziehen. Die Forderungen auf Schutz der Arbeiterklasse, auf eine umfassende soziale Hygiene müssen deshalb in dem Programm jeder sozialistischen Partei einen hervorragenden Plaß einnehmen, und wer hat mehr Anspruch auf die diesbezüglichen Maßregeln, als gerade die Frau, als die Arbeiterin, welche die Zukunft in ihrem Schooß trägt?
Eleonore Prohaska.
B.
Das Studium der Geschichte ist nie reicher an erhebenden und ergreifenden Eindrücken, als wenn es uns von den Freiheitskämpfen der Völker berichtet. Denken wir nur an die Schweizer und ihr Kämpfen und Ringen, dem die Fremdherrschaft schließlich erliegen mußte. Vergegenwärtigen wir uns die Begeisterung, von welcher die Erhebung der Tyroler getragen wurde. Erinnern wir uns aber vor Allem des gewaltigsten aller Freiheitskämpfe: der großen französischen Revolution.
Auch der deutsche Freiheitskrieg von 1813 legt glänzendes Zeugniß ab von der Begeisterung, Selbstverleugnung, dem Opfermuth der Volksmassen; auch während seines Verlaufs treten uns lichtvolle Gestalten entgegen, die sich an Größe der Gesinnung den Besten aller Zeiten getrost zur Seite stellen dürfen.
Von Napoleon I. und durch Schuld seiner Fürsten besiegt, geknechtet und beschimpft lag Deutschland am Anfange unseres Jahrhunderts darnieder. Von den einzelnen deutschen Ländern waren die einen zu flein und untereinander zu uneinig, um dem forsischen Eroberer erfolgreich entgegentreten zu können, die anderen, die größeren waren in Folge ihres starren Festhaltens am alten Zopf der Kriegsführung, der Verwaltung, des gesammten Staatslebens unfähig, sich mit dem militärischen und politischen Genie Napoleons zu messen. Die deutschen Fürsten hatten entweder in kleinmüthigem Berzagen die Hände in den Schooß gelegt oder schwankten unentschlossen über den zu beschreitenden Reitungsweg hin und her oder schweifwedelten in abgeschmacktester, ábstoßendster Weise um die Person des Siegers herum.
Da nahm das Volk die Sache des Vaterlandes in die Hand, in ihm rang sich das Bewußtsein durch, daß es die Fremdherrschaft mit Gewalt abschütteln müsse, wenn es nicht vollkommen zu Grunde gehen, wenn deutsches Wesen, deutsche Art, die doch in jahrhundertelanger Kultur ihre Berechtigung bewiesen, nicht auf lange hinaus vernichtet werden solle. Nur widerwillig dem mächtigen Drängen nachgebend, entschlossen sich die Fürsten endlich zum Kampf gegen den gefürchteten Feind. Sobald der Kampf beschlossene Thatsache war, bildeten sich an allen Orten Freikorps , deren Mannschaften sich in der Hauptsache aus dem Volfe rekrutirten und vom Volfe freiwillig ausgerüstet wurden. Alles drängte sich zu den Waffen.„ Es war," wie Niebuhr einem Freunde schrieb, die Hingabe des Einzelnen an das Ganze grenzenlos." Der Jüngling
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verließ die Arbeit und die Universität, der Gatte trennte sich von Weib und Kind, Mädchen traten als Männer verkleidet in die Reihen der freiwilligen Kämpfer ein, so Charlotte Strüger, Dorothea Sawosch und Eleonore Prohaska, von der wir in Folgendem ein flüchtig gezeichnetes Bild geben.*)
Eleonore verließ als achtzehnjähriges Mädchen heimlich das Haus ihres Vaters, eines alten invaliden Unteroffiziers in Potsdam ,
*) Der Skizze liegen zwei Briefe Eleonore's an ihren jüngeren Bruder und die Aufzeichnungen ihres Waffengefährten, Dr. Friedr. Förster, zu Grunde.