Nr. 8 der ,, Gleichheit" gelangt am 20. April 1892 zur Ausgabe.

und trat unerkannt als Jäger zu Fuß in das Lüßow'sche Frei­forps ein. Als sie vier Wochen im Felde war, bezog sie das erste Bivouak und schrieb von da aus an ihren fünfzehnjährigen Bruder einen rührenden Brief, in welchem sie diesen bittet, ihrem Vater mitzutheilen, was sie gethan. Seit Beginn des Krieges habe sie der Gedanke, an demselben theilzunehmen, beherrscht, und sie sei überzeugt, daß derselbe nicht als ein unehrenwerther" bezeichnet werden könne. Der Vater werde ihre That begreifen, sie müsse ihm aus ihrem Gesicht entgegen geleuchtet haben, als er von den Freiheitskämpfen erzählte, in denen tapfere Spanierinnen und Tyrolerinnen mitgestritten hätten. Aus dem Briefe erfahren wir, daß sie Alles verkauft hatte, was sie besaß, um sich zunächst einen einfachen Männeranzug und dann Büchse, Hirschfänger und Czako anschaffen zu können; ferner, daß sie als August Renz" in das Lüßower Freikorps   eingetreten war, ererzirte, tiraillirte und fleißig schoß, was ihr viel Freude machte. Sie schloß den Brief an den Bruder mit den Worten: Ehrenvoll oder nie siehst Du mich wieder. Grüße den Vater und die Karoline tausendmal, sage ihnen, ver­sichere sie, daß mein Herz stets gut und edel bleiben wird, daß feine Zeit und kein Schicksal oder Gelegenheit mich zu Grausam­keiten oder bösen Handlungen verleiten soll, und daß mein Herz stets treu und bieder für Euch schlägt."

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Dank ihrer Klugheit ward während der ganzen Dauer ihres Felddienstes ihr Geschlecht nicht erkannt, obgleich der falsche August Renz wegen seiner hohen Stimme manche Neckerei der Waffen­genossen aushalten mußte. Wenn Eleonore nicht ein Quartier­billet für sich allein bekam, so war ein fünfzehnjähriger Bursche, den Vaterlandsliebe troß seines zarten Alters in den Kampf ge­trieben, ihr Kamerad. Eleonore Prohaska gab sich für einen Schneider aus und arbeitete auch als solcher im Lager. Wenn sie mit Nadel und Faden hantirte, so schaffte sie mit einem buck­ligen Alten zusammen, den man nirgends als Soldaten hatte nehmen wollen, und der nur im Freikorps   um seines warmen Herzens willen eingestellt worden war. Eleonore machte sich auch dadurch sehr nüßlich, daß sie im Waschen und Kochen Bescheid wußte. Sie war den ganzen Tag luftig und guter Dinge und darum der Liebling aller Kameraden.

Der zweite Brief, den sie ihrem Bruder schickte, ist drei Tage vor ihrem ersten Zusammentreffen mit dem Feinde geschrieben. Das Korps, dem sie angehörte, hatte in fünf Tagen dreißig Meilen zurückgelegt und mußte am nächsten Morgen um zwei Uhr weiter marschiren. Eleonore war todtmüde, konnte aber keinen Schlaf finden, ehe sie nicht dem Bruder Lebewohl gesagt, falls sie ihn nicht wieder sehen sollte. Thränen haben den Brief beneßt, von dem sie nicht wußte, ob es nicht das letzte Lebenszeichen sei, das der geliebte Bruder, das ihre Familie von ihr erhielte. Ein Lieutenant des Lüßow'schen Freikorps  , Dr. Förster, berichtet, wie Eleonore Prohaska in dem folgenden siegreichen Treffen im Göhrde­Walde als Heldin gestritten und als Heldin gefallen. ( Schluß folgt.)

Kleine Nachrichten.

Die gewerkschaftlichen und politischen Arbeiterorganisationen beschäftigen sich in letzter Zeit allgemein und lebhaft mit der Frage der Maifeier zu Gunsten des Achtstundentage. Die sozialdemo­fratische Partei nimmt die Leitung der Kundgebung in die Hand, um derselben einen einheitlichen und damit um so imposanteren Charakter zu verleihen. Die Parteileitung hat u. A. die Herausgabe einer Mai Festnummer beschlossen, auf deren Inhalt und Ausgestaltung besondere Sorgfalt verwendet werden soll. Da dies Jahr der 1. Mai auf einen Sonntag fällt, so giebt der Klassenbewußte Theil des Welt­proletariats an ein und dem nämlichen Tag seinen Willen kund, die nothwendig gewordene Verkürzung der Arbeitszeit zu erringen. Bei der hohen Bedeutung der Verkürzung der Arbeitszeit gerade für die Arbeiterin, welche mit Arbeit doppelt belastet ist, im Hause und für den Markt schaffen muß, liegt es im Interesse, ist es Pflicht aller Arbeiterinnen Organisationen, unter den Proletarierinnen für die regste Betheiligung an der Maifeier zu agitiren.

In Stettin   werden bei Ausladung der Dampfer, welche von Marseille   her Erdnußkuchen einführen, mehr und mehr Frauen ver­

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wendet. Die Männer erhalten 3 Mt. 50 Pf. Tagelohn und 50 Pf. pro Ueberstunde, die Frauen dagegen nur 1 Mk. 50 Pf. Tagelohn und 25 Pf. für jede Ueberstunde. Die kapitalistische Profitgier er schließt den Frauen eine Beschäftigungsart nach der anderen, voraus­gesetzt, daß ihre Verwendung fetten Gewinn abwirft.

Der Universitätsprofessor Hoffmann machte in einer seiner Vor­lesungen über das Thema: Verstümmelung durch Maschinen­gewalt" darauf aufmerksam, daß Arbeiterinnen viel häufiger als Arbeiter durch Maschinen verletzt und verstümmelt werden. Die Ursache davon sei in der weiblichen Kleidung und in dem langen Haar zu suchen: die weiten Röcke, ein freihängender Zopf oder aufgelöstes Haar würden leicht von Maschinengewalt erfaßt. Arbeiterinnen, welche in der Nähe eines Schwungrades beschäftigt wären, sollten nicht faltige Röcke, sondern, wie dies hier und da bereits gebräuchlich, Beinkleider tragen, ihr Haar müsse fest mit einem Tuch umbunden sein und, fügen wir hinzu, die Herren Unternehmer sollten ihre Profit­gier soweit bemeistern können, daß Maschinen stets mit den gehörigen Schutzvorrichtungen versehen, daß neben ihnen genügend Raum für die Arbeit und als Durchgang vorhanden wäre, daß die Arbeiterinnen durch übermäßig lange Werktage nicht so abgerackert und unempfind­lich würden, daß sie oft die Gebote der Vorsicht außer Acht lassen.

In Frankreich   ist im Jahr 1891 die Zahl der Studentinnen von 152 auf 252 gestiegen. Die Medizin wird hauptsächlich von Russinnen studirt( 103 Russinnen auf 18 Französinnen und 13 andere Ausländerinnen). Auch an den naturwissenschaftlichen Fakultäten überwiegt die Zahl der Ausländerinnen, dagegen sind die Französinnen in großer Mehrzahl an den philosophischen Fakultäten vertreten ( 82 Französinnen und 14 Ausländerinnen). Drei Russinnen erwarben im Laufe des verflossenen Jahres das medizinische Doktordiplom, und einer von ihnen ward eine ehrenvolle Erwähnung zu Theil. Die Französinnen hielten sich noch lange Zeit von den Universitäten fern, als an denselben bereits zahlreiche Ausländerinnen studirten. Der Mittelstand Frankreichs   war eben noch so kräftig, daß sich seine weib­lichen Angehörigen nicht außerhalb der Familie nach einem standes gemäßen" Broterwerb umzusehen brauchten. Die in den letzten Jahren erfolgte bedeutende Zunahme der Studentinnen französischer Nationalität ist ein Beweis mehr dafür, daß auch in der großen Republik   das Kleinbürgerthum verfällt und proletarisirt wird.

Die französische   Federation der Frauenvereine hielt vor Kurzem zu Paris   eine Versammlung ab, in welcher die Frage erörtert ward, wie weit sich die Federation in Uebereinstimmung mit der Liga für die Reform des weiblichen Kostüms und der Freiheit des Kostüms befinde. Nachdem verschiedene tolle Vorschläge geprüft und verworfen worden, be schlossen die zirka 50 Delegirtinnen durch ihr Beispiel auf eine Verbesser ung der jetzigen Moden zu wirken, Röcke und Kleider so kurz als möglich zu tragen, das Korsett abzulegen, sich nicht zu dekolletiren, breitkrämpige Hüte und Schuhe mit hohen Absätzen zu verpönen. Sicher läßt das jetzige weibliche Kostüm in Betreff der Schönheit, Zweckmäßigkeit und Zu träglichkeit für die Gesundheit sehr viel zu wünschen übrig, so daß es feiner Frau zu verargen ist, wenn sie sich mit Rücksicht auf die obigen Gesichtspunkte im Gegensatz zu der herrschenden Mode kleidet. Allein nur bürgerlichen Frauenrechtlerinnen, welche nicht unter ihrer Klassenlage leiden, und die in allen Aeußerlichkeiten, welche die Frau heutzutage vom Mann unterscheiden, ein Zeichen, wenn nicht die Ur sache von deren Verknechtung erblicken, kann es einfallen, derartigen Reformbestrebungen eine Bedeutung für die Befreiung des weiblichen Geschlechts beizumessen, wie dies in vorliegendem Falle geschehen. Gelegentlich wird der Versuch gemacht, unter dem Motto: Es gilt die Gleichheit des weiblichen Geschlechts," die Arbeiterinnenorgani ſationen für solche Spielereien zu födern. Die Proletarierinnen haben jedoch alle Ursache, sich vor einer Zersplitterung ihrer Kräfte durch ähnliche frauenrechtlerische Quertreibereien zu hüten. Der Kampf gegen den Unterrock und für die Hose würde sie nur vom Kampf gegen den Kapitalisten und für die sozialistische Gesellschaft ablenken. Wollten sie ihre gesellschaftliche Befreiung auf Grund derartiger Be strebungen erringen, so würden sie wie Jemand verfahren, der ein Haus zu bauen beabsichtigt und damit anfängt, daß er sich abmüht, einen Nagel, an den er ein hübsches Gemälde zu hängen gedenkt, in die Wolken zu schlagen. Die Arbeiterin kann nicht zuerst fragen, wie sie sich kleiden möchte, sie muß zunächst dafür sorgen und ringen, daß sie sich überhaupt die nöthigsten Kleidungsstücke zu kaufen ver mag. Ihre Lage verbessert sich nicht im geringsten, ob sie vom fapitalistischen Moloch in der Hose geschmort oder im Unterrock ge braten verzehrt wird.

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Der Allgemeine Arbeiterinnen- Verein sämmtlicher Berufszweige für Berlin   und Umgegend hält seine nächste Mitgliederversammlung am 12. April ab.

Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Bettin( Cißner) in Stuttgart  . Druckt und Verlag von J. H. W. Dieg in Stuttgart  .