Nr. 10 der ,, Gleichheit" gelangt am 18. Mai 1892 zur Ausgabe.
zu, deren Studium sie so viel Eifer und Verständniß entgegen brachte, daß der Vater beschloß, sie sich ganz den genannten Wiffenschaften widmen zu lassen. Sie lag ihrem Studium mit großen Sie lag ihrem Studium mit großent Erfolg ob, so daß sie kaum 19 Jahre alt 191 philosophische Thesen aufstellen und vertheidigen konnte. Ihre Gelehrsamkeit machte sie bald zum Mittelpunkt allgemeiner Bewunderung, und da sie nicht nur gelehrt, vielmehr auch schön und liebenswürdig war, so fehlte es ihr nicht an Anbetern und Freiern. Sie wies Alle zurück: die unausgesetzte Beschäftigung mit der Wissenschaft ließ erst spät die Liebe in ihrem Herzen erwachen. Viel trug dazu wohl auch der Umstand bei, daß sich unter den um sie drängenden Bewerbern feiner fand, der ihr ebenbürtig gewesen wäre. Erst als bereits die Jahre der Jugendblüthe vergangen, lernte Maria einen Mann fennen, der ihren Geist und ihr Herz zu fesseln vermochte. Es war dies Stefanello de Cinta, ein junger, hochbegabter Gelehrter, der nach Bologna gekommen, um seine bedeutenden Kenntnisse zu erweitern und zu vertiefen. Er besuchte häufig das Haus des Professors d'Agnesi und fühlte sich mächtig zu dessen Tochter hingezogen, ohne daß er ihr seine Liebe zu gestehen wagte. Auch Maria faßte allmälig zu dem glänzenden Gelehrten eine Zuneigung, die täglich festere und tiefere Wurzel schlug, sich aber nur durch um so anhaltenderes Studium äußerte. Sie wollte nämlich den geliebten Mann durch ein gelehrtes Werk„ Analytische Institutionen" überraschen und sich durch dasselbe als ihm ebenbürtig erweisen.
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Da erkrankte Professor d'Agnesi schwer, und seine durch fortgesezte geistige Anstrengung erschütterte Gesundheit zwang ihn, seine Vorlesungen einzustellen. Mit seiner Zustimmung und mit Erlaubniß des Papstes Benedikt XIV. der sich in der Beziehung als einfichtsvoller erwies, wie viele unserer heutigen Staatsmänner und Gelehrten, die sich mit Händen und Füßen gegen das Universitätsstudium der Frauen wehren betrat nun Maria das Katheder und hielt statt ihres Vaters Vorlesungen über höhere Mathematik. Damit ward Stefanello zum Schüler seiner Geliebten, und er konnte sich nur schwer in das neue, ungewohnte Verhältniß finden. Bei Lösung einer schwierigen Aufgabe lief ihm ein Fehler unter, auf den ihn Maria aufmerksam machte. Ihre Bemerkung, so harmlos sie gewesen, traf den empfindlichen und etwas eitlen Mann wie ein Dolchstoß, und von da an mischte sich dem Gefühl seiner Liebe ein leiser Groll gegen die Gelehrte" bei.
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Maria war durch das kurze Zeit nach dem Vorfall erfolgende Geständniß von de Cinta's Liebe das sie in ihrem Arbeitszimmer erhielt, während sie mit Ausarbeitung ihres gelehrten Werkes begriffen war hochbeglückt, als aber der Geliebte forderte, daß sie auf die Wissenschaft verzichten und ihm allein ihr ganzes Leben widmen sollte, da bemächtigte sich ihrer tiefe Traurigkeit und Bestürzung. Nach schwerem inneren Kampfe zwischen ihrer
Liebe und ihrer Pflicht, sich selbst und ihrem besten Streben treu zu bleiben, erklärte sie Stefanello, die gestellte Bedingung nicht annehmen zu können. Die Aussprache zwischen den Liebenden endete, ohne einen bestimmten Abschluß ihrer Beziehungen herbeizuführen.
Marias Werk schritt in der folgenden Zeit rasch seiner Vollendung entgegen, so daß Professor d'Agnesi kurz vor seinem Tode das erste Eremplar davon erhalten konnte. Nachdem der Vater gestorben, ward die Tochter offiziell zum Professor der Mathematik an der Universität zu Bologna ernannt, sie stand nun auf dem Höhepunkt ihres Ruhmes, ihre wissenschaftliche Bedeutung ward allgemein anerkannt, nur wenige ihrer Zeitgenossen konnten sich bezüglich ihrer Leistungen mit ihr messen. Dagegen schwand ihr persönliches Glück mehr und mehr dahin. Wohl besuchte Stefanello noch ihre Vorlesungen, wohl brachte er ihr tadellose Aufgaben, allein sein Benehmen verrieth deutlich, daß die frühere Liebe für Maria erloschen war. Es dauerte nicht lange, so erhielt diese einen endgiltigen Abschiedsbrief. Der Schlag traf sie nach dem Tode des Vaters doppelt schmerzlich, die Vereinsamung ihres Geistes und Herzens ward ihr unerträglich und brach die früher so unbezähmbare Energie ihres Charakters, die Frische und Elastizität ihres Gedankens. Ihr Lebensglück war durch das Vorurtheil und vor allem die verlegte Gitelfeit eines Mannes für immer zerstört, und selbst die Wissenschaft vermochte ihr feinen Ersaz dafür zu bieten. Nachdem sie noch zwei Jahre als Professor weiter gewirkt
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hatte, legte sie Amt und Würde nieder und trat als Krankenund Armenpflegerin in das Hospiz der blauen Nonnen ein. Sie starb 1799 in dem Hospiz Trivulzio zu Mailand .
Ihr Name hat in der Geschichte der Wissenschaft einen ehrenvollen Platz bewahrt, und die Vorkämpfer der Frauenbefreiung verweisen gern auf ihre Person, als ein beweiskräftiges Beispiel dafür, welche Höhen des Geistes das weibliche Geschlecht erklimmen könne, falls ihm nur günstige Bedingungen für seine Entwicklung zu Theil werden. Einen richtigen Maßstab dafür werden wir freilich erst dann erhalten, wenn diese günstigen Entwicklungsbedingungen nicht nur vereinzelten glücklichen Eristenzen, vielmehr der gesammten Frauenwelt geboten werden, wenn all die in der Masse ruhenden Keime schlummernder Talente ungehindert durch Noth, Elend und Sorge emporsprossen und sich in herrlichen Blüthen entfalten können.
Kleine Nachrichten.
Die schmachvolle Ausbeutung weiblicher Arbeitskraft wird durch die Zustände in einer Schuhfabrik zu Göppingen ( Württemberg ) in helle Beleuchtung gerückt. Während daselbst der durchschnittliche Akkordlohn eines Arbeiters pro Woche 14 Mk. 47 Pf. beträgt, verdient eine Arbeiterin wöchentlich im Mittel 3-4 Mt. Wie es möglich ist, daß Jemand bei einem solchen Hundelohn die Kosten für Nahrung, Wohnung und Kleidung bestreitet, das gehört zu den„ Geheimnissen einer unerforschlichen Vorsehung," welche ein gewöhnlicher Sterblicher nicht begreifen kann, an die er aber glauben muß. mal die Arbeiterin, sie, die jeden Tag aufs Neue vor die Frage gestellt wird, ihren Unterhalt auf Grund ihres Verdienstes zu decken, sie muß an diese Möglichkeit glauben, und wenn nicht? Je nun, Samiel Prostitution hilf!
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In Thorn und Umgegend werden bei den Bauten vielfach Frauen und Kinder zu den niedrigsten Tagelöhnen beschäftigt. Der Verdienst der Unglücklichen ist so gering, daß sie sich den ganzen Tag über nur von trockenem Brot nähren und auch davon nicht immer genug haben. Die Konkurrenz der Frauen- und Kinderarbeit drückt die Löhne der Bauarbeiter herunter und das Elend der betreffenden Proletarierkreise kennt kaum noch eine Grenze. Gar lustig und lieblich gedeihen aber dafür die Profite der Herren Bauunternehmer und Bauspekulanten die Bauarbeiter mögen zusehen, von diesem tröstlichen Bewußtsein satt zu werden.
Der Landrath des Kantons Glarus ( Schweiz ) hat ein Arbeiterschutzgesetz angenommen für die Arbeiterinnen, minderjährigen Lehrlinge und Lehrmädchen unter 18 Jahren, welche dem eidgenössischen Fabrikgesetz nicht unterstellt sind.„ Wir danken dir, Herr, daß unsere Reichsboten nicht sind wie diese demokratischen Zöllner und Sünder," Nachricht beten. Proletarische Frauen und Kinder gegen die kapitalistische werden wohl unsere deutschen Schlot- und Krautjunker bei dieser Profitgier schützen, welch sträfliches Beginnen!
Die Fabritarbeiterinnen Venedigs sind durch das entsetzliche Elend ihrer Lage binnen einem Monat in zwei große Streiks gehetzt worden. Anfang März traten mehrere Hunderte von Zigarrenwicklerinnen in Ausstand und machten wahrhaft greuliche Lohn- und Arbeitsverhältnisse bekannt. Anfang April legten die Arbeiterinnen der als„ Cotonificio" bekannten Baumwollspinnerei die Arbeit nieder und zertrümmerten die Fenster der Fabrik. In Folge dessen stellte die Direktion den Betrieb ein, wodurch 700 Männer brotlos wurden. Die streifenden Arbeiterinnen und ausgesperrten Arbeiter durchzogen miteinander die Stadt, und erstere schilderten der sich ansammelnden Volksmasse ihre Leiden. Ihr Verdienst hatte bisher bei zwölfstündiger Arbeitszeit 1 Lire( 80 Pf.) pro Tag betragen, jetzt sollte derselbe jedoch auf 80 Centesimi( 64 Pf.) herabgesetzt werden. Unter den
fadenscheinigsten Vorwänden wurden ihnen oft bis 20 Prozent des Lohnes als„ Strafgelder" abgezwackt. Die Arbeiterinnen erklärten, daß sie von 80 Centesimi unmöglich Essen, Wohnung und Kleidung beschaffen könnten, ferner, daß ihre Gesundheit durch das elfstündige Stehen, durch Hize und Staub in den Fabriksälen 2c. ganz untergraben sei. Angesichts solcher Verhältnisse ist die Verzweiflung der Aermsten wohl begreiflich. Freilich ist die Zertrümmerung etlicher Fensterscheiben nicht das geeignete Mittel, Abhilfe zu schaffen. Nur dadurch, daß die Arbeiterinnen zum Bewußtsein ihrer Klassenlage ge langen, daß sie aufgeklärt und organisirt Schulter an Schulter mit den Arbeitern gegen die kapitalistische Ausbeutung fämpfen, können sie in der Gegenwart eine Besserung ihrer Lohn- und Arbeitsverhältnisse und in der Zukunft ihre Befreiung erringen.