,, Die traurige Lage der Arbeiterinnen und die Nothwendigkeit einer einheitlichen Organisation" und empfahl, an Stelle der Lokal- und Zentralvereine einen einzigen großen Frauen und Mädchenverein für ganz Deutschland zu gründen. Frau Kähler trat dagegen in einem Schreiben dafür ein, die Frauen sollten sich mit den Männern zusammen in den Gewerkschaften und sozialdemokratischen Vereinen organisiren. Nachdem eine Reihe von Rednerinnen theils für, theils gegen die Gründung eines neuen Vereins gesprochen, ward dessen Konstituirung beschlossen. Es ließen sich 37 Mitglieder aufnehmen.
Eine öffentliche Versammlung der Filzschuharbeiter und -Arbeiterinnen von Berlin vollzog am 13. Juni die Wahl von Vertrauensmännern auf Grund des Aufrufs der Berliner Vertrauensleute der auf dem Boden der losen Zentralisation stehenden Gewerkschaften. Ferner wurde die Einführung einer Kontrolmarke für die Filzschuhbranche in Erwägung gezogen, jedoch nicht endgiltig beschlossen.
In Berlin fand am 14. Juni eine auch seitens der Frauen besonders stark besuchte Volksversammlung statt, in welcher Herr Reichstagsabgeordneter Stadthagen über die Frage referirte: Finden die gelehrten Gerichte selten die Wahrheit?" Der Redner wies nach, daß innerhalb der heutigen Gesellschaft die Geseze meist der Ausdruck der herrschenden Klasseninteressen seien, nicht mit dem allgemeinen, lebendigen Rechtsbewußtsein übereinstimmten. Der Richter fönne nicht Der Richter könne nicht immer die Wahrheit finden, lege vielmehr die Gesetze aus nach seinen eigenen Anschauungen. Dies gelte sowohl für das Zivilrecht, wie für das Strafrecht, wie Redner an charakteristischen Beispielen erläuterte.
Eine der Mehrzahl nach von Männern besuchte öffentliche Kellnerinnenversammlung zu Berlin verweigerte Frau Dmoch bis auf Weiteres die Decharge für den von ihr gegebenen Kassenbericht und erklärte in einer Resolution, daß die Berliner Arbeiterbewegung mit der von Frau Dmoch geleiteten Agitation nichts zu thun habe. Frau Dmoch ihrerseits erklärte öffentlich mit Bezug auf die Berichte über die betreffende Versammlung, daß ihr Kassenbericht von den Revisoren geprüft und unterschrieben worden sei. Ihre Betheiligung an der Kellnerinnenbewegung habe ihr keinerlei persönlichen Vortheil gebracht.
- Der Zentralverein der Fabrik- und Handarbeiterinnen Deutsch lands
, Zahlstelle Wandsbeck, hielt am 16. Mai eine außerordentliche Mitgliederversammlung ab, welche sich nur mit internen Angelegenheiten beschäftigte.
Die Mitgliedschaft Hamburg des deutschen Schneider- und Schneiderinnenverbandes hielt am 23. Mai eine Mitgliederversammlung ab, welche sich mit der Frage beschäftigte:„ Halten wir einen Kongreß im Anschluß an dem in diesem Jahre stattfindenden Verbandstag ab?" Die meisten Redner erklärten sich für Abhaltung eines Kongresses, um das Vertrauensmännersystem beseitigen zu können, da es sich nicht bewährt habe. In dem weiteren Punkt der Tagesordnung„ Anträge zum Verbandstag" berieth die Versammlung den vorliegenden Statutenentwurf. Frau Steinbach's Antrag auf Einführung der Arbeitslosenunterstützung ward abgelehnt.
-In der Mitgliederversammlung des allgemeinen Arbeiterinnenvereins sämmtlicher Berufszweige Berlins und Umgegend hielt Herr Dr. Pinn am 11. Juni einen interessanten Vortrag über„ Die alte und die neue Zeit."
Der Ortsverein Berlin I des Verbands der in Holzbearbeitungsfabriken und auf Holzplätzen beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen hielt am 13. Juni eine Mitgliederversammlung ab, in welcher Herr König unter Beifall über das Thema sprach:„ Die Krisen der heutigen Zeit, und wie stellen sich die Arbeiter dazu."
Die Wirker und Wirkerinnen von Berlin beschäftigten sich in ihrer Versammlung am 13. Juni mit verschiedenen, auf die Einführung der Kontrolmarke bezüglichen Angelegenheiten.
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Der neugegründete Arbeiterinnenverein zu Mannheim hielt am 16. Juni seine erste Mitgliederversammlung ab. Nachdem Herr Hänsler einen sehr beifällig aufgenommenen Vortrag über„ Zweck und Nutzen der Organisation" gehalten, trat die Versammlung in die Berathung der Statuten ein. Laut des angenommenen Statuts schließt sich der Verein der sozialdemokratischen Partei Deutschlands an, um in Gemeinschaft mit derselben die wirthschaftliche und politische Freiheit der Frauen zu erlangen.( Bravo !) Der Vereinsbeitrag wurde auf monatlich 25 Pfennig normirt, wofür die „ Gleichheit" den Mitgliedern von der Organisation aus unentgeltlich geliefert wird.
- Der Zentralverein deutscher Gärtner erstrebt die Organi sation der furchtbar ausgebeuteten Kranzbinderinnen. Die Arbeitszeit derselben beträgt täglich 14-16 Stunden, oft noch mehr, ihr Wochenverdienst beläuft sich auf 5-6 Mark, nur die ersten" Binderinnen können es wöchentlich auf 16-18 Mark bringen. Die Inhaber
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der Kranzbindereien wollen ihren Arbeiterinnen außerdem die mit dem 1. Juli in Kraft tretenden Bestimmungen über die Sonntagsruhe illusorisch machen. Diesen Verhältnissen gegenüber hat sich die Ueberzeugung Bahn gebrochen, daß nur eine stramme Organisation Besserung zu schaffen vermöge. Die Bestrebungen des Zentralvereins deutscher Gärtner werden deshalb auf fruchtbaren Boden fallen. In Neunkirchen ( Oesterreich ) fand am 29. Mai eine öffentliche Versammlung statt, in welcher Frl. Grubinger( Wien ) über ,, Die Stellung der Frau in der Gesellschaft" referirte und mit beredten Worten die traurige Lage der Arbeiterinnen schilderte. Der Kapitalist beute in schonungsloser Weise die Arbeiterin aus, zahle ihr um ein Drittel schlechtere Löhne als den Männern, zwinge sie, die Pflege ihrer Kinder zu vernachlässigen, treibe sie zum Selbstmord und zur Prostitution. Durch die entsetzlichen Leiden ihrer Lage werde die Proletarierin gezwungen, sich am Vereins- und Versammlungsleben zu betheiligen, um zusammen mit den Arbeitern eine bessere Zukunft zu erkämpfen.
Vom 5.- 9. Juni tagte in Wien der dritte Parteikongreß der österreichischen Sozialdemokratie. Die wichtigsten der auf der Tagesordnung stehenden Fragen waren die über Programm, Taktik und Organisation der Partei. Die Unterhandlungen legten glänzendes Zeugniß ab von dem Zielbewußtsein, der Energie, Einheit und den Fortschritten der österreichischen Sozialdemokratie. Bekanntlich besitzt diese seit dem Hainfelder Kongreß ein treffliches Programm, das nur bestätigt und durch Zusätze, betreffend die volle Gleichbezüglich der politischen Rechte, erweitert wurde. Der Parteiberechtigung des weiblichen Geschlechts, besonders auch tag beschloß mit großer Einmüthigkeit an der bisher beobachteten bewährten Taktik festzuhalten. Der Schwerpunkt der Kongreßarbeiten lag auf Lösung der angesichts der österreichischen Verhältnisse sehr schwierigen Aufgabe, eine Parteiorganisation zu schaffen. Der Parteitag hat eine Organisation geschaffen, die aller Wahrscheinlichkeit nach zur kräftigen Fortentwicklung der österreichischen Sozialdemokratie beitragen wird. Den Verhandlungen wohnten viele Frauen als Gäste bei. Als Delegirte betheiligten sich an denselben die Genossinnen Dworschak, Grubinger und Kofler, welche die Wiener Arbeiterinnen vertraten. Die Genannten bewiesen durch ihre
verständige, energische und schlagfertige Betheiligung an den Debatten, daß die österreichischen Arbeiterinnen reif genug sind, ihre Aufgabe zu begreifen und zu lösen, mit ihren männlichen Klassengenossen zusammen zu arbeiten und zu kämpfen für die Befreiung des Proletariats aus dem Joche des Kapitalismus . Außer der bereits oben erwähnten, auf die Gleichberechtigung der Frau bezüglichen Erweiterung des Programms durch Einschaltung der Worte ohne Unterschied des Geschlechts" bei den verschiedenen Forderungen, beschloß der Parteitag die Herausgabe einer selbständigen ArbeiterinnenZeitung und einer parteigenössischen Jugendliteratur. Die drei weiblichen Delegirten betonten nachdrücklichst, daß sich die österreichischen Arbeiterinnen entschieden gegen jede abgesonderte Frauenbewegung, nach Art der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen, verwahren, daß das ganze Proletariat, ohne Unterschied der Nation und des Geschlechts, Schulter an Schulter kämpfen müsse, daß aber bei der Agitation die besondere Stellung berücksichtigt werden müsse, welche die Frau bisher innegehabt. In diesem Sinne wurde der Beschluß, die Herausgabe eines selbständigen Arbeiterinnenblattes betreffend, gefaßt. Der Parteitag ist überzeugt, daß auf die Arbeiterinnenbewegung ein Hauptaugenmerk gerichtet, und daß diese überall in Fluß gebracht werden müsse.
- Der jüngst in Namur stattgehabte Jahreskongreß der belgischen Sozialisten beschäftigte sich besonders eingehend mit der Frage der Agitation zu Gunsten des allgemeinen Stimmrechts. Der Kongreß beschloß für das Frauenstimmrecht und die Proportionalwahl einzutreten. Ueberall, wo Proletarier für ihre Befreiung fämpfen, da bricht sich die Ueberzeugung Bahn, daß die Arbeiterinnen, mit den gleichen Rechten ausgerüstet wie ihre Brüder, hineingezogen werden müssen in den Emanzipationskampf ihrer Klasse.
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In Rochdale ( England) tagte in der Pfingstwoche der 24. Jahreskongreß der englischen Genossenschafter, auf welchem Fräulein Potter, welche kürzlich ein Werk über die Genossenschaftsfrage veröffentlicht hat, ein bemerkenswerthes Referat hielt über„ Die Beseitigung des Schwitzsystems." Die Dame wies nach, daß die Schwitzarbeit im ganzen modernen Wirthschaftssystem wurzele und daß dieselbe durch die Gesetzgebung bekämpft werden müsse. Wenn man die Frage aus dem einen Gesichtspunkt der Konkurrenz, welche die Schwizzarbeit der Genossenschaftsarbeit mache, heraushebe und sie unter dem Gesichtswinkel der Degradirung von Millionen Arbeitsgenossen betrachte, so würde man auch wissen, wie gegen sie vorzugehen.