Nr. 17.

Die Gleichheit

2. Jahrgang.

Beitschrift für die Intereffen der Arbeiterinnen.

Herausgegeben von Emma Ihrer   in Velten  ( Mark).

Die Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen unter Nr 2564 a) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Inseratenpreis die zweigespaltene Petitzeile 20 Pf.

Stuttgart  

Mittwoch, den 24. August 1892.

Nachdruck ganzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet.

Die Frauenabtheilung der Weltausstellung zu Chirago.

Menschen

Charles C. Bonney, Vorsitzender. Thos. B. Bryan, zweiter Vorsitzender.

nicht Dinge.

Lyman J. Gage, Schahmeister. Benjamin Butterworth  , Schriftführer. Hilfskongreß( Auxiliary- Congress) der Kolumbischen Weltausstellung.

Geist nicht Materie.

Frauenabtheilung des Hilfskongresses der Weltkongresse von 1893. Frau Potter- Palmer, Vorsigende. Frau Chas. Henrotin, zweite Vorsitzende. Ansprache des Frauentomités des Hilfskongresses, die Arbeitskongresse betreffend.

An die Frauen aller Länder!

Eine umfassende Uebersicht der industriellen, wirthschaftlichen und finanziellen Verhältnisse der Menschheit in Gegenwart und Zu­funst umschließt das eingehende Studium der Lage der Frau und ihres Antheils an dem Leben und dem Ringen der Welt. Wohl wird der Kampf ums Dasein von der Frau so gut geführt wie von dem Mann, auch sind auf den ersten Blick die Interessen beider identisch. Bei genauerer Prüfung ergiebt sich aber, daß den Frauen noch die Lösung mancher Fragen obliegt, welche ihre Brüder, soweit es deren eigenes Interesse betrifft, schon gelöst haben; daß die Frauen unter besonderen Schwierigkeiten leiden und noch sehr viel lernen, noch manches Gebiet erobern müssen, ehe es ihnen möglich ist, den Wettkampf zu beginnen, dessen unschätzbarer Gewinn in der Fähig­feit besteht, sich eine unabhängige Stellung zu schaffen.

In jener Abtheilung der Kongresse, welche sich mit den wirth­schaftlichen Verhältnissen der Frauen und Kinder in der Industrie beschäftigt, wünschen wir ganz besonders, sowohl einzelne Frauen, als auch organisirte Frauenvereine zu thätiger Mitwirkung heran­zuziehen und ihnen bei Veranstaltung zweckdienlicher Erörterungen und Berathungen zu helfen. Indem wir die treibende Gewalt, den unschätzbaren Werth hoher Ideale und großer Gedanken wohl er­kennen, tönt doch die Stimme der beladenen Menschheit so laut an unser Ohr, daß wir genöthigt sind, uns zunächst mit der lebendigen Gegenwart zu beschäftigen. Wir kümmern uns mehr um das was jetzt ist, als um das was sein könnte; wir richten unsere Aufmerk samkeit während des kommenden Wunderjahres 1893 auf das wirk­liche Leben, seinen Ruhm und seine Schmach, seine Siege und seine Niederlagen, seinen Einfluß und seine Macht.

Es ist der Zweck unseres Komités, die Aufmerksamkeit der Frauen aller Länder auf die wichtigen Fragen zu lenken, welche hier erwogen werden und die Mitwirkung der Frauen aller Länder zu gewinnen, damit die geplanten Arbeitskongresse den Frauen von mög­lichst großem praktischen Nutzen sein mögen.

Behufs Erleichterung der Arbeit schlagen wir, als einleitenden Schritt, das folgende Programm vor, welches unserer Ansicht nach die Ideen enthält, deren Durchführung dem Komité obliegt. Ab­änderungsvorschäge der berathenden Abtheilung des Hilfskongresses, sowie der forrespondirenden oder Ehrenmitglieder werden wir zu berücksichtigen suchen.

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Die Behandlung unseres ersten Themas: Die Stellung der Frauen in der Industrie, soll durch Berichte und Arbeits­statistik möglichst flar beleuchtet einen Einblick schaffen in die Ver­hältnisse, unter welchen Frauen in der Industrie Beschäftigung finden; sie soll uns aufklären über ihre Löhne, verglichen mit denen des Mannes, der auf demselben Arbeitsfeld thätig ist, über den Werth des Arbeitslohnes der Frau im Vergleich zu den Kosten des Lebens­

Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit" find zu richten an Fr. Klara Zetkin  ( Eißner), Stuttgart  , Rothebühl­Straße 147, IV. Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furthbach- Straße 12.

unterhaltes; sie soll uns zeigen, welche Beschäftigungen den Frauen offen stehen und welche sich ihnen fünftig wahrscheinlich erschließen werden, ferner, welchen Gewinn die Frauen aus den bestehenden Organisationen ziehen. In Betreff der Kinderarbeit wünschen wir Aufklärung über die Rechte des Kindes und die Pflichten der Eltern. Unser zweites Thema: Die ökonomische Abhängigkeit der Frau soll hauptsächlich handeln von den Nachtheilen, welche diese Abhängigkeit begleiten. Ferner soll hier nachgewiesen werden, wie diese theoretische oder thatsächliche Abhängigkeit das Recht der Frau auf Eigenthum und das Bestimmungsrecht über ihre Kinder beschränkt, und ob die geltenden Gesetze über Ehe, Scheidung und andere Fragen, welche im Zusammenhang mit der Familie stehen, nicht abgeändert werden könnten, so daß der Frau das Recht auf Arbeit, nebst dem ungeschmälerten Genuß der Früchte ihrer Arbeit gewahrt bliebe. Dies führt uns zu dem Recht der Frau, in berathenden und gesetzgebenden Körperschaften zu sitzen, ein Recht, das jetzt ausschließlich das Monopol der Männer ist, obgleich die Interessen des weiblichen Geschlechts ebenso wohl wie diejenigen des männlichen die Zuerkennung desselben fordern. Das Gleiche gilt von allen richterlichen Funktionen. Als erster Schritt zur Beschäftigung der Frau mit öffentlichen Angelegen­heiten kann die Thätigkeit der Schutzvereine gelten, welche dargelegt werden soll, ebenso wie die schon nachweisbaren Fortschritte, welche die Forderung der Rechtsgleichheit für beide Geschlechter allen Gerichts­höfen und öffentlichen Einrichtungen gegenüber rechtfertigen.

Die genannten Themata, zusammen mit Reformvorschlägen und theoretischen Abhandlungen, werden von hohem Interesse sein; ihre Erörterung wird ein helles Licht auf die Probleme des Lebens werfen und auf die Art, wie die Frauen sich mit ihnen abfinden. Wir wünschen, daß die angedeuteten Fragen von der Frauenabtheilung des Kongresses behandelt werden, ferner, daß Gelegenheit geboten wird zu Vorträgen über sie seitens von Frauen.

Unser drittes Thema, dessen Erörterung wir vereint mit dem Arbeitskomité der Männer zu leiten gedenken, lautet: Soziale Theorien und Versuche, Vorbeugungs- und Heilmittel sozialer Uebel inbegriffen.

Hier sollen die neuesten sozialen Einrichtungen geschildert werden, wie Toynbee Hall und Hull House  , weil die Bewegung, welche ihrer Schöpfung zu Grunde liegt, im Verein mit dem neuen Plan für Er­weiterung der Universitäten, die ideale Seite des sozialen Zusammen­wirkens zeigt, und die Fähigkeit steigert zu intelligenter und einträg­licher Arbeit, somit auch die Freude an den eigenen Erfolgen. Und da die bestehenden wirthschaftlichen Zustände zum guten Theil nur möglich sind in Folge der Unwissenheit aller Klassen über ihre inneren Wechselbeziehungen zu einander, so erscheint es dringend geboten, zu­sammen mit den wirthschaftlichen Fragen auch das eng mit ihnen verbundene Thema der Volksaufklärung zu behandeln.

Kooperativgenossenschaften und andere Versuche der verschiedensten Art werden, natürlich im Anschluß hieran, vollste Berücksichtigung finden, ebenso Unternehmungen mit Gewinnbetheiligung der Arbeiter.

Während wir uns angelegen sein lassen, reiche Gelegenheit zu bieten für Erörterung von Fragen, welche für erwerbsthätige Frauen besonders wichtig sind, werden wir gleichfalls gewissenhaft Sorge tragen, daß alle großen, auf die soziale Wiedergeburt bezüglichen Fragen zur Erörterung gelangen. Die verschiedenen Schulen der Sozialreform empfehlen verschiedene Heilmittel behufs Linderung der Uebel, an denen die Gesellschaft krankt, weil das Recht auf Arbeit nicht anerkannt wird, weil drückende Monopole der Arbeit ihren gerechten Lohn und Gewinn rauben. In Folge dessen erscheint es als wünschenswerth, daß das Komité, angemessene Beschränkungen vorausgesetzt, Gelegenheit bietet zu einer ruhigen und lichtvollen Dar­