42 Gulden für zerbrochenes Geschirr," ergiebt das nette Sümmchen von 154 Gulden pro Monat. Also 14 Mädchen arbeiten umsonst für den Wirth, dafür preßt ihnen dieser noch pro Monat 154 Gulden ab. Man sieht, der Mann kommt zu seinen Auslagen.
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Im Café Pupp( Karlsbad ), dessen Besizer Millionäre sind, arbeiten 40 Café- Mädchen. Gehalt giebt es nicht, statt dessen muß jedes Mädchen täglich ebenfalls 10 Kreuzer für zerbrochenes Geschirr" zahlen. Der Wirth hat in der Folge von den Mädchen eine tägliche Einnahme von 4 Gulden, einen monatlichen Gewinn von 120 Gulden. Da die Mädchen außer dem Hause schlafen, so fällt die Ausbeutung in Gestalt der Zimmermiethe allerdings fort. Die Inhaber des Cafés verstehen jedoch, sich durch einen andern Ertraprofit schadlos zu halten. Sie stellen nämlich nur Mädchen aus Karlsbad , bezw. dessen nächster Umgegend an. Die Mütter und andere weibliche Angehörige derselben müssen sich den Winter über Tischwäsche zum Sticken, Ausbessern 2c. holen, und die reichen Eigenthümer zahlen für diese Arbeit wieder nichts. Sie ist der Preis, den die Angehörigen für die Ehre zu entrichten haben, daß ihre Töchter den Sommer über gegen Abgabe von täglich 10 Streuzer die Gäfte in dem feinsten und theuersten Café. Karlsbads bedienen dürfen. Doch damit ist es der Profitpresserei seitens der Millionäre noch nicht genug. Im Café Pupp wird viel Milch konsumirt, die Milchlieferanten sind fast nur kleine Leute, die durchgängig nur die Milch einer Kuh zu verkaufen haben. Das Angebot von Milch ist ein sehr starkes. Dies benußen die Herren Pupp , um die Milchfrauen, welche für das Etablissement liefern, zu verpflichten, das schmutzig gewordene Geschirr von Morgens 5 bis gegen 10 Uhr unentgeltlich zu waschen. Kommentar überflüssig.
Solcher Ausbeutung gegenüber ist es hohe Zeit, daß die wirthschaftlich Schwachen, hier in diesem Fall sogar die wirthschaftlich Schwächsten, die Frauen, ihre Stimme erheben, sich zusammenschließen und mit vereinten Kräften kämpfen für Beseitigung des ohne Unterschied der Nationalität und Religion ausbeutenden und verknechtenden kapitalistischen Wirthschaftssystems.
Weihnacht.
Von Clara Stockinger.
Earl Spöhmann.
Das Fräulein saß in ihrem Boudoir und arbeitete an einem zierlichen Kinderjäckchen von heller Wolle. Die Arbeit geschah mit jener wohlanständigen Ruhe und Grazie, die das Ergebniß einer sorgfältigen, theuren Erziehung sind.
Das Fräulein war blond und rosig, und Alles herum war gleichfalls rosig. Der schimmernde Peluche, welcher in reichen Falten mit blumigem Brokat in der Dekoration des Zimmers wechselte; die Tapete, der seidene Lampenschleier, welcher den grellen Schein der Lampe dämpfte und Alles, Teppiche, Gemälde und das Fräulein selbst in jenes halbe Licht tauchte, das zur Mode gehört.
Und rosig waren auch die Lebensanschauungen des Fräuleins. Die junge Dame war die einzige Tochter eines millionenreichen Spinnereibesitzers und liebte es, die wenigen freien Stunden, welche ihr die Sorge für ihre Vergnügungen und ihre Toilette übrig ließ, mit Wohlthätigkeit" auszufüllen. Sie häkelte und strickte warme Jäckchen und Handschuhe für die armen Kinder der Arbeiter ihres Vaters. Sie meinte es gut.
Sie war von der Nothwendigkeit überzeugt, daß Alles so sein müsse, wie es war. Es mußte immer Reiche und Arme, Herren und Knechte geben; arme Arbeiter mußten sich unter Noth und Entbehrungen abrackern, und reiche Fabrikantenfamilien mußten im Ueberfluß schwelgen, so wollte es die sittliche Ordnung auf dieser besten aller Welten. So hatte man der jungen Dame von Kindheit an gelehrt, und nie hatte sie über den Kreis des Gelernten hinausgedacht. Sie fam mit dem Elend nie in Berührung. Sie glaubte ein Uebriges zu thun, wenn sie„ arme Kinder" mit gestrickten Socken, Mützen 2c. versorgte.
Es war vierzehn Tage vor Weihnachten .
Das Fräulein pflegte zu diesem Feste die Aermsten aufzusuchen und ihnen die zierlichen Erzeugnisse seiner Hand zu bringen, dazu auch Spielsachen, feines Naschwerk und manch unnützen Tand.
Den Beschenkten wären oft ein paar Pfund Mehl, Schmalz und Fleisch lieber gewesen, als all die reizenden Sächelchen, mit denen
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sie nichts rechtes anzufangen wußten, indeß sie am Nothwendigsten Mangel litten.
Die junge Dame häkelte emsig darauf los, denn erstens mußte sie noch ein Röckchen vollenden und zweitens saß ihr ein junger Freund des Hauses und Bewerber um ihre goldbeschwerte Hand bewundernd gegenüber. Sie gefiel sich vor ihm sehr in der Rolle der Charitas ( Wohlthätigkeit).
Da trat ihr Vater herein. Ein behäbiger, wohlbeleibter Herr, Mitte der Vierzig.
,, Denkt Euch," platzte er heraus, kaum daß er die Schwelle überschritten, diese Unverschämtheit! Kündigt mir eben der Werkführer an, daß die Leute heute um Lohnerhöhung einkommen wollen. Die Männer voran und die Weiber, wie die Affen, natürlich hinterdrein. Unverschämt!" „ Ja, warum denn, Papa?" frug das Fräulein im höchsten Grade erstaunt.
Weiß ich's? Aus Uebermuth, aus Nachahmungssucht, weil's die Arbeiter von Horn u. Comp. auch thaten. Doch ich habe ihnen rundweg erklärt, daß ich ihren Wünschen keine Folge geben würde. Bei der heutigen schlechten Zeit muß jeder sehen, wo er bleibt."
„ Verdienen sie denn nicht genug?" frug die Tochter abermals. ,, Ach was zum Teufel! Das Pack will immer mehr, als es hat. Keinen Pfennig bekommen sie mehr."
Damit ging der Herr Kommerzienrath aufgeregt in das anstoßende Speiſezimmer, in dem bereits reich und behaglich zum Abend
essen gedeckt war.
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Die palastähnliche Villa des Spinnereibesitzers Kluge stand in feiner eleganten Gegend. Sie war neben den Fabrikgebäuden in einer Vorstadt Wiens gelegen. In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft befanden sich die lotterigen, baufälligen Massenquartiere der Arbeiter und neue vierstöckige Miethskasernen, die elegant sein sollten, aber mit ihren ungescheuerten Thoreinfahrten und Spiegelfenstern ohne Gardinen nur arm aussahen. Der Villa gegenüber hatte ein wohlthätiger Verein eine Wärmestube errichtet, in welcher jedem Besucher eine Suppe und ein Stück Brot unentgeltlich verabreicht wurden. Es war Christabend.
Das Lokal war gedrängt voll.
Da standen robuste Arbeiter, wie sie den Reichthum einer Nation ausmachen, die Schultern emporgezogen, sich in die hohlen Hände hauchend und mit den Füßen den Boden stampfend, um sich zu erwärmen. Greise, die kaum das nöthigste an Bekleidung hatten, und deren Gesichter blauroth vor Kälte waren. Mütter, die ihr Jüngstes in das einzige Tuch gewickelt trugen, das sie selbst schützen sollte. Blaßwangige, hohläugige Kinder, die lüstern nach den Körben schielten, in denen die zur Vertheilung gelangenden Brotstücke aufgespeichert lagen. In diesen Kinderaugen hier lag nichts von jener erwartungsvollen freudigen Neugier anderer, glücklicher Kinder, welche die Poesie des Weihnachtsfestes ausmacht. Sie hungerten und froren und sehnten sich nur nach Sättigung und Wärme.
Ein Mädchen in einem fadenscheinigen Sommermantel, ein paar zu große Damenstiefel an den Füßen, einen aus Pelz gewesenen Muff an einer grünen Jalousienschnur umgehängt, biß gierig in ein Stück Schwarzbrot. Dort eilte ein Junge freudestrahlend auf sein Schwesterchen zu und rief:„ Da schau, i hab' a Scherzl( Anschnitt vom Brot) kriegt. Das iß i so viel gern."
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In der Ecke saß eine Mutter und sah befriedigt zu, wie ihr Fünfjähriger seine Erbsensuppe auslöffelte. Ihre eigene Portion stand unberührt vor ihr. Auf die Frage einer Genossin, warum sie nicht esse, entgegnete sie:„ Es ist seit vorgestern früh das erste Warme, was der Bub in' Magen friegt. Vielleicht ißt er die Zweite auch noch." Die Männer wärmten ihre erstarrten Hände an den heißen Blechschalen, und zahnlose Mütterchen fauten mühsam das harte Brot. Die ohnehin schon große Zahl der Nothleidenden und Hilfesuchenden war durch den Streik in der Kluge'schen Fabrik noch vermehrt worden. Seit vierzehn Tagen dauerte er.
Mit der Verdienstlosigkeit war die bitterste Noth in den Arbeiterfamilien eingezogen, die auch zu Zeiten regelmäßigen Verdienstes faum genug zum Leben hatten. Mancher und manche mußte Zuflucht in der Wärmstube suchen, der diese bisher nur für einen Unterschlupf für„ Vagabunden" gehalten hatte. Wohl thaten die Kameraden, was in ihren Kräften stand, die Streifenden zu unterstützen. Aber sie konnten nicht viel thun, die Zeiten waren schlecht, die Geschäfte stockten, überall wurden Arbeiter entlassen.
Herr Kommerzienrath Kluge wollte von feiner Lohnerhöhung wissen, er litt feine Noth, er hungerte nicht, er fror nicht, er und die Seinigen prangten wie die Lilien auf dem Felde.
Erst Vormittags wieder waren drei Vertreter der Streifenden beim Chef vorstellig gewesen. Sie hatten ihm erklärt, daß diese un