Parteitag nach einer anderen Stadt einzuberufen. In Nürnberg kann die Sozialdemokratie nur dann zum Parteitag zusammentreten, wenn alle Garantien vorhanden sind, daß die Frauen unbe­hindert an den Kongreßarbeiten theilnehmen können. Und so müssen die Parteigenossen allerorts mit Spannung dem Bescheid des Nürnberger Magistrats entgegensehen.

Weibliche Fabrikinspektoren.

Wie die wachsende Ausbeutung des Proletariats überhaupt den gesetzlichen Arbeiterschutz und die Thätigkeit von Fabrikinspektoren nöthig macht, so muß die steigende Verwendung und Ausbeutung weiblicher Arbeitskräfte mit Nothwendigkeit zur Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren führen.

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Die Geschlechtslage der Arbeiterin, der Umstand, daß sie Frau ist, giebt sie in so und so vielen Fällen härterer Ausbeutung und schlechterer Behandlung preis, als wie sie dem Arbeiter widerfahren. Allerdings, was sie in der einen oder anderen Hinsicht leidet, sie leidet es, weil sie eine proletarische Frau ist. Weil sie dem Proletariat angehört, so bringt es ihre Klassenlage, ihre wirthschaftliche Ab­hängigkeit vom Kapitalisten mit sich, daß sie ausgebeutet und unter­drückt wird, daß sie ihre Kräfte bis zur Erschöpfung, bis zur vor­zeitigen Vernichtung anspannen und sich vielfach noch obendrein eine menschenunwürdige Behandlung gefallen lassen muß. Welch geringe Anforderungen stellt der Bourgeois an das Leistungsvermögen der ,, höheren Töchter" und besseren Frauen", mit welch ausgesuchter Höflichkeit und Rücksicht wenigstens äußerlich behandelt er diese! wenigstens äußerlich behandelt er diese! Es ist aber nur natürlich und erklärlich, daß sich die Arbeiterin in ihrer Eigenschaft als Frau sehr oft behindert fühlt, dem Fabrik|| inspektor, einem Manne, rückhaltslose Mittheilung zu machen über den Grad und die Gesundheitsschädlichkeit ihrer Ausbeutung, über das Entwürdigende der Behandlung, welche ihr zu Theil wird, die schmachvollen Zumuthungen, welche ihr der Kapitalist stellt.

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Die an Gehorsam und Unterwürfigkeit gewöhnte Frau, welche als Arbeiterin durch Brotherren und Vorgesetzte sehr oft noch ein­geschüchtert wird, findet meist nicht den Muth, dem Fabrikinspektor auch nur die gröbsten Gesetzesübertretungen anzuzeigen, welche sich der Kapitalist ihr gegenüber zu Schulden kommen läßt. Noch weniger gewinnt sie es über sich, ihn darauf aufmerksam zu machen, wie und warum eine bestimmte Verrichtung ihre Gesundheit besonders bedroht, warum zu der oder jener Zeit die Arbeit ihre Kräfte in hervor ragendem Maße anstrengt und aufreibt. Scheu und Scham schließen ihre Lippen in den meisten Fällen, wo sie zu berichten hätte über Grobheiten und Zoten, die ihr an den Kopf geworfen wurden oder gar über entehrendes Ansinnen seitens des Unternehmers und seiner Stellvertreter. Und wie unendlich viel hätten die Arbeiterinnen in manchen Betrieben gerade in der Beziehung zu klagen. Giebt es doch der Unternehmer, Direktoren, Werkführer 2c. genug, welche wähnen, mit der Arbeitskraft auch den Körper der Proletarierin gekauft zu haben, diese als Fabriksklavin und als Lustklavin ausnüßen zu können.

Aber nicht die begreifliche Scham allein hält die Arbeiterin zurück, den Fabrikinspektor mit all den Uebeln und Mißständen ihrer Berufsthätigkeit bekannt zu machen. Vielfach hat sie das Gefühl, daß der Fabrikinspektor in seiner Eigenschaft als Mann gar nicht das richtige Verständniß besitzt für ihre Klagen und Anklagen. Die Hal­tung der Herren ist auch nicht immer dazu angethan, dieses Gefühl zu beseitigen und den Proletarierinnen Vertrauen einzuflößen. Haben nicht Arbeiterinnen in Regensburg erfahren, daß der Fabrikinspektor ihre Beschwerde über eine jedem Schamgefühl hohnsprechende körper­liche Untersuchung mit den Worten abfertigte: Ach, gehen Sie mit Ihrer Scham!"( Siehe Nr. 21 der Gleichheit".)

Der Geschlechtsgenossin gegenüber wird die Arbeiterin weniger zaghaft, weniger zurückhaltend sein. Im Verkehr mit ihr kommt die Scheu und Scham in Wegfall, ihr bringt sie größeres Vertrauen, eine freiere Meinungsäußerung entgegen als wie dem Mann. Bei ihr hofft sie größeres Verständniß zu finden für die Eigenthümlichkeiten, Schwierigkeiten, ja oft Gefahren ihrer Arbeit, für die Forderung auf Schonung, welche sie im Interesse ihrer Gesundheit, der Gesundheit ihrer Kinder und ihrer Pflichten im Hause erheben muß. Der Ge­schlechtsgenossin kann sie rückhaltslos die Demüthigungen mittheilen, die ihr in ihrer Eigenschaft als Frau angethan worden sind. Kurz, die Fabrikinspektorin wird einen tieferen und richtigeren Einblick in die Arbeits- und Lebensverhältnisse der Arbeiterinnen erhalten, wird all die Mißstände der industriellen Frauenarbeit in der kapitalistischen Gesellschaft besser kennen lernen, als der Fabrikinspektor. Will die Gesellschaft die Arbeiterin gegen die schlimmste Ausbeutung und un­würdige Behandlung seitens des Unternehmerthums gesetzlich schützen,

so ist die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren eine Nothwendig­feit. Diese Ueberzeugung hat sich auch den Regierungsbehörden ein­zelner Länder aufgedrängt, in denen Frauen als Fabrikinspektorinnen mit Erfolg thätig sind..

In den Vereinigten Staaten Nordamerikas wurden zuerst Frauen als Hilfs- Fabrikinspektorinnen verwendet. 1890 stellte der Staat New York mit einem Male acht Frauen als staatliche Hilfs. Inspektorinnen an. In richtiger Würdigung der Sachlage gehörten vier davon der Arbeiterklasse an, eine der Hilfs- Inspektorinnen, Frau Bremer, hatte sich während des deutsch - französischen Krieges als Samariterin große Verdienste erworben und sich später als Sekretärin des deutschen Hilfsvereins von New York ausgezeichnet. Frau Bremer erfüllte ihre Amtspflicht mit großer Gewissenhaftigkeit, so daß sie sich das Vertrauen der Arbeiterinnen erwarb, aber auch den hellen Zorn der Kapitalistensippe zuzog. Diese bot ihren Einfluß, den Einfluß des stroßzenden Geldsacks, beim Chef des New Yorker Fabrikinspektorats auf, und so kam es, daß Frau Bremer bereits im Dezember 1891 ihrer Amtspflichten enthoben wurde. Während der kurzen Zeit ihrer Thätigkeit hatte sie viel Energie und Pflichttreue bewiesen.

1892 stellte der Staat Illinois in Chicago fünf Frauen als Sanitätsinspektorinnen für Fabriken an. Dieselben erhalten je tau­send Dollars Jahresgehalt und sind verpflichtet, alle Fabriken, in denen Frauen und Kinder arbeiten, jede Woche einmal zu besuchen und die nöthig erscheinenden gesundheitlichen Verfügungen zu erlassen. Auf Grund ihrer Vollmacht ist es ihnen gelungen, verschiedene Miß­stände in den Fabriken erfolgreich zu bekämpfen. Leider konnten sie dort nicht viel ausrichten, wo ihr Eingreifen am nöthigsten gewesen wäre, nämlich in der Hausindustrie, in den Schwizzbuden", in denen die Ausbeutung der Arbeiterinnen und die gesundheitsschädlichen Ein­flüsse der Arbeit ihren höchsten Grad erreicht haben. Frau Stevens, eine kürzlich ernannte Fabrifinspektorin des Staates Illinois , war von ihrem dreizehnten Jahre an als Lohnarbeiterin thätig, sie gehörte lange Jahre einer Gewerkschaft und dem Orden der Arbeitsritter an. In ihrer Eigenschaft als Fabrikinspektorin wendet sie ihre besondere Aufmerksamkeit der Kinderarbeit in den Fabriken zu. Dem im letzten Jahre stattgehabten Kongreß der nordamerikanischen Fabrikinspek­toren legte sie eine treffliche Arbeit über diese Frage vor. In derselben wies sie ziffernmäßig nach, daß seit 1880 in den Vereinigten Staaten die Fabrikarbeit von Kindern unter sechzehn Jahren erheblich zu­genommen hat, daß die Arbeit an den meisten Maschinen für die Kinder sehr gefährlich ist, und daß die Arbeit von Kindern unter sechzehn Jahren gesetzlich verboten werden müßte. Eine besonders energische, umsichtige und zielbewußte Thätigkeit entfaltet die Fabrik­inspektorin und Spezialagentin des Arbeitsbureaus für Illinois , Frau Florence Kelley . Sie steht durchaus auf dem Boden der sozialistischen Anschauung, hat Engels' ,, Lage der arbeitenden Klassen in England" ins Englische übersetzt und ist durch ihre Ueberzeugungen, wie durch gründliche, vielseitige Studien besonders befähigt, in ihrer Stellung mit Nutzen für die Interessen der Arbeiterinnen zu wirken. Frau Kelley hat sich unter anderem in der eingehendsten Weise mit den Verhältnissen in den sogenannten Schwitz Werkstätten" befaßt, von denen sich in Chicago allein über 2000 befinden. Auf dem bereits erwähnten Jahreskongreß der nordamerikanischen Fabrikinspektoren hielt Frau Kelley einen große Sachkenntniß verrathenden Vortrag über die Fabrikgesetzgebung in Illinois ". Besondere Bedeutung maß sie dem hier kürzlich gesetzlich festgelegten Achtstundentag für alle Betriebe bei. Ihrer Ansicht nach wird durch den gesetzlichen Achtstundentag das Schwitzsystem energischer und gründlicher bekämpft als durch die besonderen Sanitätsgesetze, wie sie in New York und Massachussetts zur Beseitigung der Schwißzbuden erlassen worden sind. Ihrer Er­fahrung nach hat das Achtstundengesetz nur offene Feindseligkeit ge­funden bei etlichen Metallstempel- und Holzarbeitfirmen, den großen Crackesbäckern und den Konfektionshäusern. Mit Hilfe der Arbei­terinnen und der Gewerkschaften, deren Unterstützung sich als sehr nützlich erwiesen hat, sammelt Frau Kelley Beweismaterial, um ge­richtlich gegen die Gesetzesübertreter mit aller Schärfe vorzugehen.

In Frankreich sind gegenwärtig 15 Hilfs- Fabrikinspektorinnen staatlich angestellt, davon sind zehn in Paris thätig, fünf in den an­deren großen Industriestädten des Landes. Bis jetzt waren sowohl die Arbeiterinnen, als auch die Behörden mit der Thätigkeit dieser Frauen sehr zufrieden. Unter ihnen befindet sich eine bekannte fran­ zösische Sozialistin, Frau Valette, welche auf dem letzten Kongreß der französischen sozialistischen Arbeiterpartei zum Mitglied der Partei­leitung gewählt wurde und Herausgeberin und Redakteurin der sozia­ listischen Frauenzeitung L'Harmonie Sociale" war.

In England hat der Minister des Innern, Asquith , im letzten Jahre zwei Frauen als Fabrikinspektorinnen ernannt, Fräulein Abra­ham und Fräulein Irwin. Fräulein Abraham ist eine Irländerin,