gemeint hätte, eine„ pennsylvanische Quäferfamilie" sei in die vergoldeten Salons des Herrn de Calonne( Minister Ludwigs XVI.) versetzt worden. Im Mittelpunkt der Parteikämpfe blieben die beiden Roland's nach wie vor.
Die Haltung der Gironde während des Prozesses des Königs, ihre heuchlerischen aber klaren Versuche, diesen vor dem Schaffot zu retten, ihr Widerstand gegen die Zwangssteuer und gegen die Maximal preise für Lebensmittel raubten der Partei den letzten Rest vom Vertrauen des Pariser Volks. Immer unzweideutiger trat es zu Tage, daß die Halbheit, Unentschlossenheit und blinde Interessenpolitik der Gironde das Werk der Revolution gefährdete. Ihr Sturz wurde zur Nothwendigkeit. Der von der Bergpartei organisirte„ moralische Aufstand" vom 31. Mai zwang den Konvent, über die 22 hervorragendsten Girondisten Hausarrest zu verhängen. Am 2. Juni wurden sie, soweit sie nicht entflohen, verhaftet.
Die Kommune von Paris hatte schon am 1. Juni Roland's Verhaftung beschlossen. Dieser leistete jedoch dem Haftbefehl keine Folge, weil er die Maßregel für ungesetzlich hielt. Madame Roland verfaßt nun sofort einen Protest und fährt im Morgenkleid und in einen schwarzen Shawl gehüllt nach dem Konvent, um das Schriftstück zu überreichen und zu begründen. Sie erhält keinen Zutritt und eilt nach vergeblichem Warten wieder nach Hause. Den Rest des Tags irrt sie von Freund zu Freund, bis sie Roland gefunden, welcher während ihrer Abwesenheit geflüchtet war. Abends 10 Uhr will sie einen neuen Versuch machen, vor den Konvent zu dringen, findet aber, daß dieser nicht mehr tagt. Verzweiflung im Herzen, kehrt sie nach ihrer Wohnung zurück, wo gegen Mitternacht eine starke Abordnung der Kommune erscheint, um Roland's Verhaftung vorzunehmen. Auf ihre Erklärung, daß dieser abwesend sei, bleibt ein Posten zurück, und eine Stunde später wird sie aus dem Schlummer geweckt und nach furzem Verhör verhaftet.
Jm Gefängnisse, bei ihrem Verhör, auf dem Gang zum Tode bewies sie einen außerordentlichen Grad von Charakterstärke. Die Gemüthsruhe, ja die Freudigkeit, mit welcher sie ihr Geschick trug, erklärt sich zum Theil aus ihren Ueberzeugungen und ihrem Charakter. Zum Theil war sie eine Folge des Umstandes, daß für sie die Haft und der Tod die Lösung eines Konflikts bedeutete zwischen ihrem Pflichtgefühl und ihrem Herzen. Ihre Freundschaft für den um sechs
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Vor ein paar Monaten wurde ich im großen Staate New York von der Partei der Unabhängigen als Kandidat für den Gouver neursposten aufgestellt. Meine Gegenkandidaten waren John T. Smith und Blank J. Blant. Diesen Herren gegenüber glaubte ich erheblich im Vorteil zu sein- ich erfreute mich nämlich eines guten Rufes. Wenn sie aber das konnte man leicht aus den Zeitungen ersehen je gewußt hatten, was es heißt, einen fleckenlosen Namen zu tragen, so war diese Zeit längst vorüber. Offenbar hatten sie sich in den letzten Jahren mit den schändlichsten Verbrechen ganz vertraut gemacht. Aber während ich mich insgeheim noch an dem Bewußtsein meiner Ueberlegenheit ergößte, lauerte schon ein trübes Unbehagen im Hintergrunde meiner Seele und nagte an den Wurzeln meines Glücks. Mich quälte der Gedanke, daß nun mein Name fortwährend mit demjenigen solcher Menschen genannt werden würde. Meine Aufregung wuchs von Tag zu Tag. Endlich schrieb ich es meiner Großmutter. Ihre Antwort traf ein und lautete sehr bestimmt wie folgt:
" Du hast nie in Deinem Leben das Geringste gethan, dessen Du Dich schämen brauchtest, nicht das Geringste. Nun wirf einen Blick auf die Zeitungen, lies und erkenne, was für Charaktere die Herren Smith und Blank sind, und dann prüfe Dich, ob Du willens bist, Dich so weit zu erniedrigen, daß Du mit ihnen den Wettbewerb um ein öffentliches Amt aufnimmst."
Mir ganz aus der Seele gesprochen! Ich verbrachte eine schlaflose Nacht, aber wie ich's mir auch überlegte, zurücktreten konnte ich nicht mehr, ich war meinen Wählern gegenüber gebunden und mußte den Kampf fortsetzen. Als ich beim Frühstück mechanisch die Zeitung überblickte, stieß ich auf den folgenden Artikel, und, ehrlich gestanden, hat mich noch nie im Leben etwas dermaßen verblüfft:
" Meineid. Da nun Herr M. Twain öffentlich als Kandidat für den Gouverneurposten auftritt, wird er sich vielleicht zu einer Erklärung herbeilassen, wie es fam, daß er im Jahre 1863 zu Wakawat in Cochinchina von vierunddreißig Zeugen des Meineids
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Jahre jüngeren und gleichfalls verheiratheten Girondisten Buzot hatte sich in letzter Zeit in leidenschaftliche Liebe verwandelt, welche erwidert wurde. Das Verhältniß zwischen den Beiden war ein durchaus reines und ideales, aber die schwersten Seelenkämpfe blieben natürlich nicht aus. Madame Roland ehrte und liebte ihren Gatten, wie eine Tochter ihren Vater liebt. Sie war entschlossen, ihm den Geliebten zu opfern, sie blieb dem treu, was sie als ihre Pflicht erachtete. Aber Roland war in seiner Zuneigung für sie und in seiner Eigenliebe aufs Tiefste verletzt. Er wollte kein Opfer annehmen und konnte doch nicht auf dasselbe verzichten. Das Gefängniß gab Madame Roland die Freiheit, sich mit ihrem Herzen und Gedanken jederzeit mit dem Geliebten beschäftigen zu können, ohne dadurch ihre Pflichten gegen Roland zu verletzen und seine Eifersucht zu erregen. Diesem sie beglückenden Gefühl gab sie in ihren Briefen an Buzot einen leidenschaftlich beredten und rührenden Ausdruck. Mit glühenden Worten suchte sie seinen Muth zu beleben: Buzot , der seiner Verhaftung durch die Flucht entgangen war, sollte sich weder durch die Verfolgungen seiner Partei, noch durch ihr Schicksal die Energie rauben lassen, er sollte den Kampf für die gemeinsamen Ideale fortsetzen. So schrieb sie ihm:„ Was liegt daran zu wissen, ob eine Frau nach Dir leben wird oder nicht! Es handelt sich darum, Dein Leben zu erhalten, damit Du unserem Vaterland nüßen kannst, alles Andere kommt nachher." Während ihrer Haft und auf dem Gang zum Schaffot trug sie das Bild des Geliebten auf dem Herzen.
Nach ihrer Verhaftung wurde Madame Roland in die Abbaye gebracht. Sie richtete sich hier so wohnlich ein, als sie konnte. Sie rückte den Tisch ans Fenster, bedeckte ihn mit einem weißen Tuch und ließ sich ihre Lieblingsschriftsteller kommen. Mit Liebe, Sorgfalt und Gemüthsruhe arbeitete sie an ihren Memoiren", während das Volk unter ihrem Fenster rief:„ Auf die Guillotine mit Madame Roland ." Der Staat hatte für den Unterhalt der Gefangenen 20 Sous ( 80 Pfennig) ausgesetzt, sie lebte so einfach, daß sie davon kleine Ersparnisse machte, welche sie zu Geschenken an die Dienstboten und an Mitgefangene verwendete. Am 23. Juni ward sie freigelassen, jedoch auf der Treppe ihres Hauses zum zweiten Male verhaftet. Diesmal wurde sie in St. Pelagie inhaftirt, zusammen mit Mördern und liederlichen Dirnen, doch erhielt sie gegen Bezahlung ein eigenes Zimmer mit Bett. Die Berührung mit ihren Mitgefangenen, der sie überführt wurde. Der Zweck dieses Meineids war, eine arme eingeborene Witwe und ihre hilflosen Kinder der elenden kleinen Bananenpflanzung zu berauben, welche ihnen in ihrer Noth und Verlassenheit allein Nahrung und Unterhalt gewährte. Herr Twain ist es sich selbst und dem großen Volte schuldig, um dessen Stimmen er sich bewirbt, diese Angelegenheit aufzuklären. Wird er es thun?" Ich meinte, mich rührte der Schlag vor Entsetzen. Eine so grausame und herzlose Beschuldigung! Cochinchina hatte ich nie gesehen und von Wakawak niemals gehört. Ich hätte eine Bananenpflanzung nicht von einem Känguruh unterscheiden können. Ich war rathlos, von Sinnen, wußte mir nicht zu helfen! So verging der Tag, ohne daß ich einen Entschluß faßte. Am nächsten Morgen brachte dieselbe Zeitung folgende kurze Notiz:
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Bezeichnend. Herr Twain hüllt sich, wie man bemerkt, über den Cochinchina - Meineid in ein vielsagendes Schweigen." Während des ganzen Wahlkampfes wurde ich, beiläufig gesagt, von dieser Zeitung nie anders erwähnt, als der schändliche meineidige Twain".
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Die„ Gazette" brachte nun zunächst Folgendes:
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,, Anfrage. Wird der neue Gouverneurskandidat die Güte haben, einige seiner Mitbürger, die ihre Stimmen nicht leichtsinnig abgeben wollen, über einen geringfügigen Umstand aufzuklären? Wie kam es, daß seine Schlafgenossen in Montana dann und wann kleine Werthsachen verloren, die jedesmal an Herrn Twain's Person oder in seinem Koffer"( einem Zeitungsblatt, in welches er seine Habseligkeiten einzuwickeln pflegte) vorgefunden wurden, bis man sich endlich veranlaßt fühlte, ihm zu seinem eigenen Besten eine freundschaftliche Verwarnung zu ertheilen? Man theerte und federte ihn, ließ ihn auf einem Balken reiten und gab ihm schließlich den Rath, an dem Plaz, den er gewöhnlich im Lager einnahm, eine bleibende Lücke zu lassen. Wird er dem Rathe folgen?"
Kann man sich etwas ausgeflügelt Boshafteres vorstellen, zumal ich zu keiner Zeit meines Lebens in Montana gewesen bin? Von da ab nannte mich dieses Journal nie anders als den Montanadieb Twain".
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