Mag man urtheilen wie man will über Madame Roland als Politikerin, über ihre oft irrthümliche Auffassung der Verhältnisse, über ihren engen bürgerlichen Klassenstandpunkt, als Person tann man ihr die höchste Achtung und Sympathie nicht versagen. Die glänzenden Gaben des Geistes, Herzens und Charakters, welche ihr die Natur verliehen, stellte sie in den Dienst einer Idee, in den Dienst der Sache, von der sie die Wiedergeburt der Menschheit er= wartete. Ihre Gestalt beweist, daß die Frau mitten im öffentlichen Leben und seinen Kämpfen stehen kann, ohne dabei aufzuhören, Weib zu sein. Sie zeigt, daß das Wirken für die Allgemeinheit wohl vereinbar ist mit der Erfüllung der Aufgaben als Gattin und Mutter. Sie legt Zeugniß dafür ab, daß die Frau für ihre politischen Ueberzeugungen voll Opferfreudigkeit zu leben vermag und daß sie voll Muth für sie sterben kann. Im Pantheon der Geschichte hat Madame Roland einen Platz erhalten unter den Besten aller Zeiten und aller Völker.
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Er versteht es aus dem ff, wie es gemacht werden muß, damit es der Mensch in dieser bösen Welt zu etwas bringe. Dafür ein weiteres Beispiel. Jede Arbeiterin muß pro Woche 15 Pf. zahlen als Entschädigung für das Holen des Frühstücks und anderer Botengänge. Nun sind während der Flaue 70, zur Zeit guten Geschäftsganges aber 90 Arbeiterinnen in der Zigarettenfabrik von* beschäftigt. Das heißt also, daß die Arbeiterinnen pro Woche 70x15 Pf. 10 Mt. 50 Pf., bezw. 90 x 15 Pf. 13 Mt. 50 Pf. für Botengänge entrichten. Mit diesen ist seitens des Fabrikanten eine Frau betraut, welche einen Wochenlohn von nur 7 Mk. erhält und für den Unternehmer noch verschiedene Arbeiten verrichten muß. Der ,, Arbeitgeber" bekommt also ganz gratis eine Arbeitskraft zu theilweiser Benutzung und läßt sich für seine unsterblichen Verdienste von seinen Arbeitern noch eine ,, Belohnung“ von 3 Mt. 50 Pf., bezw. 6 Mt. 50 Pf. die Woche schenken. Welch herzerfrischendes Beispiel von der durch die Profitfucht geschärften Findigkeit des menschlichen Geistes! Der
Wie es Arbeiterinnen in Dresdener Bigaretten- Mann ist offenbar reif für den Kommerzienrath.
Fabriken ergeht.
Im„ gemüthlichen" Sachsen hat bekanntlich mit der weit fort geschrittenen wirthschaftlichen Entwicklung die Macht der Kapita listenklasse und die Ausbeutung der proletarischen Arbeitskraft einen sehr ungemüthlichen Höhegrad erreicht.
Und wenn es den Arbeitern im biederen Sachsenlande schon schlecht genug geht, wenn sie sich niedrige Löhne, lange Arbeitszeit und schlechte Arbeitsbedingungen gefallen lassen müssen, so sind die Arbeiterinnen in jeder Beziehung noch weit übler dran. Gerade ihnen gegenüber, die wenig widerstandsfähig und so gut wie gar nicht organisirt sind, erlaubt sich das progige Unternehmerthum die rücksichtsloseste Ausbeutung und die allerschofelste Behandlungsweise. Es beutet die proletarischen Frauen bis auf die Knochen aus auf dem geraden Wege der Hungerlöhne und der langen Arbeitszeit. Dazu bringt es noch fertig, die Aermſten auf Umwegen auszuplündern, ihnen unter den verschiedensten Vorwänden von dem Verdienst abzuzwacken, der so wie so schon die Arbeiterin knapp an der Grenze des Verhungerns hält. Als großmüthige Zugabe läßt es dann noch seinen Lohnsflavinnen eine Behandlungsweise angedeihen, welche ein bitterer Hohn ist auf die bescheidensten Begriffe von Sittlichkeit und Menschenwürde.
Was sich die Arbeiterinnen in der einen und anderen Beziehung gefallen lassen müssen, das erhellt mit sinnenfälliger Deutlichkeit aus den Zuständen, welche in verschiedenen Dresdener Zigarettenfabriken herrschen. Die Zigarettenfabrik von verdient offenbar die Palme in der Kunst, Profit aus ihren Arbeiterinnen herauszupressen mit der Spitzfindigkeit einer sächsischen Polizei- und Gerichtsbehörde und der Fingerfertigkeit eines erprobten Taschenspielers.
Wird eine Arbeiterin in dieser Fabrik eingestellt, so muß sie zunächst 5 Mk. zahlen als Lehrgeld, welches ihre Nebenarbeiterin erhält. Darauf muß sie ihrem Ausbeuter einen Extratribut entrichten, offenbar als Dank für die Ehre, sich zu seinem Nutz und Frommen abrackern zu dürfen. Für das erste Tausend Zigaretten erhält nämlich die Arbeiterin gar nichts und für die folgenden Zehn tausend nur die Hälfte der üblichen Akkordlöhne. Damit nicht genug. Sobald sie zum vollen Lohn arbeitet, werden ihr jedesmal von ihrem Wochenverdienst 1 Mt. 50 Pf. abgezogen, bis der Betrag von 20 Mt. erreicht ist, welcher als„ Kaution" in den Händen des Arbeitgebers bleibt. Erweist sich eine Arbeiterin als ein recht lammfrommes, profitables Ausbeutungsobjekt, würgt sie, ohne zu murren, alle Chikanen hinunter, mit denen die Lohnsklavinnen des * schen Betriebs reichlich und täglich gesegnet werden, so erhält sie nach Ablauf von zwei Jahren diese„ Kaution" als" Belohnung" zurück. Wagt sie dagegen, ihre Unzufriedenheit zu äußern mit der über sie verhängten Ausbeutung, so wird sie zur Sühne solcher Schandthat aus diesem Paradiese des Plusmacherthums gestoßen, sie erhält ihre Entlassung und verliert den Anspruch auf Rückgabe der 20 Mt. Ist die Betreffende naiv genug, Einspruch dagegen zu erheben, so antwortet man ihr mit der liebenswürdigen Drohung, daß man sie zur Treppe hinunterwerfen werde. Bemerkt sei noch, daß es nur die wenigsten Arbeiterinnen zwei Jahre lang in der Zigarettenfabrik von* aushalten. Die Arbeitsverhältnisse daselbst sind derartige, daß den Arbeiterinnen ein früherer Austritt geradezu aufgezwungen wird. Der großmüthige Arbeitgeber kommt also recht oft in die Lage, als Engel der sühnenden Gerechtigkeit zu walten und 20 Mt. einsäckeln zu müssen. Bedenkt man, daß im* schen Betrieb 70-90 Arbeiterinnen beschäftigt sind, so kommen recht erfleckliche Sümmchen heraus als„ Belohnung" für den Herrn Fabrikanten. Aber der Mann verdient es auch, das muß zugegeben werden.
Daß in einem Betrieb, wo Gepflogenheiten wie die geschilderten herrschen, auch das System der Strafgelder in hoher Blüthe steht, versteht sich am Rande. Wenn eine Arbeiterin während der Betriebszeit lacht, so muß sie dieses todeswürdige Verbrechen mit 50 Pf. Strafe büßen. Hat sie einen großen Mund", d. h. verantwortet sie sich, so muß sie 20 Pf. Strafe blechen 2c. Obgleich§ 134 b der Gewerbenovelle unter 4 ausdrücklich festsetzt, daß die Arbeitsordnung Bestimmungen enthalten muß über Einziehung und Verwendung der Strafgelder, erfahren die Arbeiterinnen der * schen Zigarettenfabrik doch nicht, was mit ihren Strafgeldern geschieht. Als eine Arbeiterin danach fragte, erhielt sie die Antwort, das ginge sie nichts an". Zur Strafe für ihre Fürwizzigkeit wurde sie außerdem an einen schlechten Platz gestellt, d. h. an einen solchen, wo wenig Licht hinfällt, so daß die Arbeit erschwert ist und langsamer von statten geht. Ein nettes Pröbchen von dem gesetzliebenden" Sinn und dem Protzenhochmuth des profitgierigen Unternehmerthums.
Und welches sind denn die Löhne, welche der Fabrikant für so hoch erachtet, daß er an allen Ecken und Enden unter den schäbigsten Vorwänden von ihnen abknappst? Die Zigarettenarbeiterinnen bringen es durchschnittlich in der Woche auf 8, im höchsten Falle auf 9 Mt.! Nach der offiziellen Enquete von 1878 über die Tabakindustrie hatten die Dresdener Zigarettenmacherinnen einen durchschnittlichen Wochenverdienst von 10 Mt., die Sortirerinnen von 12 Mt., die Einlagekleberinnen von 11 Mt. Anerkanntermaßen sind aber seit 1878 die Löhne aller Tabakarbeiter und Arbeiterinnen erheblich gesunken. Die obigen, von Arbeiterinnen herrührenden Angaben scheinen also nicht zu niedrig gegriffen.
Bei den in Dresden üblichen Preisen braucht eine ledige Arbeiterin pro Woche für ihre Kost und Wohnung, ohne Wäsche, 9,50 Mt. Eine ledige Zigarettenarbeiterin, welche an der Familie feinen Rückhalt besigt, kann nur existiren, wenn sie ihren Verdienst durch Beschäftigung zu Hause nach Feierabend und Sonntags steigert und ihre Gesundheit durch Ueberarbeit untergräbt, oder wenn sie hungert, auf die Befriedigung dringender Bedürfnisse verzichtet und ihre Lebenskraft vorzeitig durch Entbehrungen zu Grunde richtet, oder aber, wenn sie, um das Eine und Andere zu vermeiden, sich einen guten Freund" anschafft, der einen Zuschuß zu ihrem Verdienst liefert, bezw. wenn sie in der Prostitution einen Nebenerwerb sucht. Erst wenn man diese Thatsachen in Betracht zieht, erscheint die Raubgier des lohnzwackenden Unternehmerthums in ihrer vollen unmenschlichen Scheußlichkeit.
Uebrigens denke man ja nicht, daß die Praktiken der* schen Fabrik vereinzelt dastehende seien, die in anderen Betrieben der Dres dener Zigarettenindustrie keinen Kurs hätten. Weit gefehlt. Da ist z. B. die Zigarettenfabrik von**, wo mit Vorliebe ein anderer Kniff praktizirt wird, um den Verdienst der Arbeiterinnen zu schmälern. Diese Firma läßt viel außerhalb durch Heimarbeiterinnen fabri ziren. Wenn diese das Arbeitsmaterial abholen, so müssen sie die Gewichtsmenge des Zigarettentabats, sagen wir 2 Pfund, auf Treu und Glauben annehmen, der Tabak wird ihnen nicht vorgewogen. Wenn sie dagegen die fertigen Zigaretten abliefern, so wird die Waare nachgewogen. Wunderbarer Weise für den, der weiß, wie es gemacht wird, jedoch selbstverständlich stellt sich nun fast stets heraus, daß die Arbeiterin vorgeblich eine geringere Gewichtsmenge an fertiger Waare abliefert, als wie sie an Rohmaterial erhalten hat. Wie erklärt sich der Unterschied in der Gewichtsmenge des Tabats? fragt
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