den Kapitalisten gleichgiltig. Statt dieser Arbeitskräfte findet er andere. Die Reservearmee, der Vorrath an Arbeitslosen, stellt ihm genügend neue Opfer zur Verfügung. Es kommt dem Unternehmer nur darauf an, daß Arbeiter und Arbeiterinnen den Tag, die Woche aushalten, für die sie nach Verabredung bezahlt werden müssen. Je mehr die Arbeitskräfte während dieser Zeit ausgepowert werden, um so besser. Hören sie auf zu arbeiten, so zahlt ihnen der Kapitalist nichts mehr. So lange die Reservearmee ausreicht, hat er durch den Tod des Arbeiters, der Arbeiterin keinen Verlust, wie es der Fall ist, wenn sein Pferd oder sein Ochse, oder selbst sein Hofhund fällt. Das Leben des Arbeitsviehes ist dem Kapitalisten viel mehr werth, als das Leben seiner Lohnsklaven.
"
Wie das Leben, so ist die ganze Existenz der Arbeiter und Arbeiterinnen dem Kapital nichts als eine willkommene Beute, als die Mehrwerthsquelle, die Quelle seines Profits. Diese bis auf den letzten Rest in kürzester Zeit auszuschöpfen, ist das heiße Begehren des Kapitals, sein sehnsüchtiges Streben. Es tritt zu diesem Zweck durch übermäßig lange Arbeitszeit alles Menschliche im Arbeiter und der Arbeiterin nieder. Zeit zu menschlicher Bildung für diese, zu geistiger Entwicklung, zur Erfüllung sozialer Funktionen( Aufgaben), zu geselligem Verkehr, zum freien Spiel der körperlichen und geistigen Lebensträfte, selbst die Feierzeit des Sonntags - reiner Firlefanz." ( Marr.) Alles sinkt vor dem Bereicherungstrieb des Kapitals in Nichts zusammen. Aber in seinem maßlos blinden Trieb, seinem Werwolfsheißhunger nach Mehrarbeit, überrennt das Kapital nicht nur die moralischen, sondern auch die rein physischen Maximalschranken ( Höchstmaß) des Arbeitstags. Es ufurpirt( raubt) die Zeit für Wachsthum, Entwicklung und gesunde Erhaltung des Körpers. Es raubt die Zeit, erheischt zum Verzehr von freier Luft und Sonnenlicht. Er knickert ab an der Mahlzeit und einverleibt sie womöglich dem Produktionsprozeß selbst, so daß Arbeitern und Arbeiterinnen als bloßen Produktionsmitteln Speisen zugesetzt werden, wie dem Dampskessel Kohle und der Maschinerie Talg und Del zugeführt wird. Den ge sunden Schlaf zur Sammlung, Erneuerung und Erfrischung der Lebenskraft beschränkt es auf so viel Stunden Erstarrung, als die Wiederbelebung eines völlig erschöpften Organismus unentbehrlich macht."( Mary.)
„ Jede Minute, die der Arbeiter von der Arbeitszeit für sich verwendet, erscheint dem Kapitalisten als Diebstahl an seinem eigenen Kapital. Aber eben weil die Arbeitskraft und der Arbeiter untrennbar miteinander verbunden sind, erheischt das Interesse des Letzteren die
Bei Tisch.
Von François Copée, überfekt von E. R.
( Schluß.)
Der Träumer hatte keinen Appetit mehr. Er war im Gedanken noch bei den Bretagnern, bei den Leuten des Meeres, welche diese herrliche Butte vielleicht gefangen hatten.
Er erinnerte sich jenes regnerischen, grauen Morgens, wo er neben den schweren, bleifarbenen Meereswogen spazierte und den Leichnam des alten Fischers, des Familienvaters, welcher vor drei Tagen im Meere verschwunden war, dieses grausige Ueberbleibsel, das in Seegras und Meeresschaum gestrandet war, wieder erkannt hatte. Es war herzzerreißend, seine grauen, schwimmenden Haare voll Sand und Muscheln zu sehen.
Ein Schauer durchfuhr sein Herz.
Aber die Diener hatten bereits die Teller entfernt und jede Spur des mächtigen Fisches verschwinden gemacht. Während man ein anderes Gericht servirte, hatten die eleganten, frivolen Speisenden bereits ihr Gespräch wieder aufgenommen. Der Hunger war schon ein wenig gestillt, sie wurden lebhafter und sprachen mit mehr ungezwungenheit.
Munteres Lachen ertönte.
Ah! die reizende, liebenswürdige Gesellschaft.
Da packte den Träumer, den schweigsamen Gast, eine unendliche Traurigkeit; denn Alles, was an Arbeit und Schmerz nöthig ist, um das Bequeme, das Wohlbehagen zu schaffen, tauchte plötzlich vor seiner Vorstellung auf.
Nur um zu ermöglichen, daß diese Leute von Welt, mitten im Dezember, blos im dünnen Frack sein, damit diese Damen ihre bloßen Arme und Nacken zeigen konnten, verbreitete die Luftheizung im Zimmer die Wärme eines Frühlingsmorgens. Aber wer hat die Kohle herbeigeschafft? Der Verdamnite aus dem schwarzen Lande,
60
möglichste Verkürzung der Arbeitszeit. Während des Produktionsprozesses ist er nur Theil des Kapitals; er wird unter der kapi talistischen Produktionsweise erst Mensch, sobald er aufhört zu arbeiten." ( Kautsky.)
Trotzdem geht das Bestreben des Kapitalisten dahin, den Lohnsklaven und Lohnsklavinnen auch diesen armseligen Rest, die paar Stunden zu nehmen, deren sie zu einer nothdürftigen Erfrischung ihrer schwindenden Kräfte benöthigt sind. Durch weitere Ausdehnung der Arbeitszeit möchte er ihnen auch noch die armseligen Minuten rauben, in denen sie eine scheinbar freie Gristenz führen können.
Ein Pferd kann auf die Dauer nicht mehr als 8 Stunden per Tag arbeiten. Das weiß jeder vernünftige Landwirth und jeder Pferdebesitzer. Dementsprechend zwingen sie nicht das Pferd zu mehr Arbeit. Aber der Lohnsflave des Kapitals arbeitet 12, 14, ja 18 Stunden nacheinander mit nur kleinen Unterbrechungen!
Was sind die Folgen davon? Geistiges Verkommen, förperliches Siechthum, körperliche Verkrüppelung. Das geben sämmtliche Fabrikinspektoren in ihren Berichten zu, darin stimmen alle Hygienifer in ihrer Beurtheilung der langen Arbeitszeit überein. Um ein Urtheil von vielen hier herauszugreifen, so äußert sich ein bekannter Hygieniker über die Gesundheit der Arbeiter einer großen Baumwollspinnerei mit äußerst langer Arbeitszeit folgendermaßen:„ Sie sind schlecht genährt, haben keine frische Gesichtsfarbe mehr, tragen den Stempel einer gleichsam ewigen Müdigkeit auf ihrem Antlitz. Sie altern rasch. Diese letztere Erscheinung tritt besonders scharf zum Vorschein bei den Frauen, die außerdem sehr oft Zeichen starker Blutarmuth aufweiſen. Besonders traurig und mitleiderregend ist das Aussehen fast sämmtlicher, ohne Ausnahme, jugendlicher Arbeiter; auch dann, wenn sie eine verhältnißmäßig leichte Arbeit haben, sind sie äußerst erschöpft, haben bleiche Gesichter und eingefallene Wangen; viele von ihnen sind wahrhaftige Märtyrer.... In einigen Fällen, die besonders scharf auffielen, hatten die Arbeiter das Aussehen von Menschen, die soeben den Typhus überstanden hatten: erdfahle Gesichtsfarbe, eingefallene Wangen, einen trüben, apathischen und schläfrigen Blick, das Haupt halb gebeugt, gleichsam in Folge einer allgemeinen Schwächung der Nackenmuskeln 2c."
Der geschwächte Organismus ist nicht mehr im Stande, gesunde Kinder zu erzeugen. Die Uebel der Eltern werden auf die Kinder und Kindeskinder vererbt und treten bei diesen noch schärfer und unheilvoller in Erscheinung. Das Kapital raubt den proletarischen Eltern die Muße, ihre Kinder zu pflegen, sie zu erziehen. Bei der unterirdische Arbeiter, welcher in der Hölle der Kohlengruben lebt. Wie weiß, wie frisch ist doch die Haut jener jungen Dame, die so siegreich aus dem rosa Atlas hervorleuchtet! Aber wer webte diesen rosa Atlas? Die menschliche Spinne in Lyon , der Hausweber, der immer bei seiner Arbeit in den verseuchten Häusern des „ Croix Rousse" fiẞt.
Sie trägt zwei herrliche Perlen in ihren winzigen Ohren, diese junge Dame. Welche Pracht, welche schimmernde Durchsichtigkeit, welche vollendete Form! beinahe kugelförmig. Die Perle, welche Kleopatra geschluckt, nachdem sie dieselbe in Essig aufgelöst hatte, und die 10000 Sesterzen werth war, konnte nicht reiner gewesen sein.
Aber weiß die junge Dame, daß dort, weit weg, in Ceylon, auf den Perlaufterbänken von Arippo und Coatatchy die Hindu von der Indischen Kompagnie heldenhaft über zwölf Klafter in die Tiefe tauchen, einen Fuß in dem schweren Steigbügel, der sie zum Grunde zieht, in der linken Hand ein Messer, um den Haifisch zu bekämpfen? Aber was! Man ist schön und gefallsüchtig, der Speisesaal ist warm und wohlriechend, man kann dort halb nackt, sehr geschmückt speisen und mit seinem Nachbarn kokettiren. Welchen Zusammenhang, frage ich Sie, fann man mit dem düstern Arbeiter haben, der fünfzig Stilometer unter der Erde schanzt? Mit einem vor seinem Webstuhl steif gewordenen Weber? Mit einem Wilden, der ins Meer springt und es bisweilen mit seinem Blute röthet? Warum sollte man an so traurige, garstige Dinge denken?
Welche Abgeschmacktheit!
Doch der Träumer wird von seiner firen Idee verfolgt. Seit einer Weile zerbröckelt er mechanisch, ohne darauf zu achten, ein Stückchen des kleinen, goldgelb gebackenen Weißbrotes, das neben seinem Teller liegt. Oh! das ist ein nichtssagendes PhantasieNahrungsmittel bei solch einem Mahle. Man muß unwillkürlich an das naive Wort jener großen Dame denken, welche zu der un