68 entwicklung der Menschheit"(Genossin Schneider); Wermelskirchen , öffentliche Versammlung für Frauen und Männer:„Die Erziehung der Kinder, wie sie ist, und wie sie sein sollte"(Genossin Schneider); Zwickau , öffentliche Volksversammlung:„Die Bedeutung der Arbeiterpresse"(Landtagsabgeordneter Goldstein). — Vereinsversammlungen fanden in der nämlichen Zeit statt in: Berlin , Mitgliederversammlung des Vereins der in der Schäftebranche beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen:„Vereinsangelegenheiten"; Mitgliederversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen:„Der Kampf ums Dasein"(Genosse Hoffmann); Generalversammlung der Freien Vereinigung der Blumen- und Putzfedernarbeiter und-Arbeiterinnen:„Thätigkeitsbericht und Kassenbericht"; � Mitgliederversammlung des Verbands der Schneider und Schneiderinnen:„Kirche und Schule"(Genosse Or. Heymann); Generalversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: „Thätigkeitsbericht"(Genossin Leuschner), Vorstandswahl(in den Vorstand wurden gewählt die Genossinnen: Mesch, Ranke, Gallien , Kniffert, Almacher, Schädlich, Scholz, Rosentreter und Hübner); Braunschweig , Mitgliederversammlung des Verbands der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und-Arbeiterinnen:„Die Errichtung eines kommunalen Arbeitsnachweises"(Genosse Günther); Charlottenburg , Mitgliederversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen:„Die ideale Frau"(Genossin Löwenherz); Fechenheim , Mitgliederversammlung des Verbands der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und-Arbeiterinnen: Interne Angelegenheiten; Leipzig , Mitgliederversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen:„Die Zigeuner"(Genosse Laube); München , Mitgliederversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen:„Der Jugendunterricht"; Stuttgart , Versammlung des Bezirksvereins Süden:„Die Bedeutung der politischen Rechte für die Frauen des Proletariats"(Genossin Zetkin ); Thonberg, Mitgliederversammlung des Arbeitervereins: „Die Frau und der Sozialismus"(Landtagsabgeordneter Pinkau). — Köln . Wie unbequem die proletarische Frauenbewegung den Schooßkindern der kapitalistischen Gesellschaft und ihren Stützen wird, das zeigen die Rücken und Tücken, mit denen die Behörde» das Werk der Aufklärung und Organisation der Proletarierinnen zu hintertreiben suchen. In Köln war am 13. Januar 1692 ein Bildungsverein für Frauen und Mädchen gegründet worden, der gute Fortschritte machte und bald über 190 Mitglieder zählte. Obgleich er sich angelegen sein ließ, keine-s-s-I' politischen Fragen zu behandeln, fühlte sich doch die Polizei zu einem gesellschaftsretterischen„Einschreiten" gedrungen. Nach der Aussage des überwachenden Beamten sollte nämlich in einer Wanderversammlung zu Ehrenfeld von politischen Dingen die Rede gewesen sein. Ob dieses fluchwürdigen Verbrechens wurde der Verein am 19. Oktober vorigen Jahres polizeilich geschlossen und den dreizehn Vorstandsmitgliedern ging eine Anklage zu wegen Uebertretung des Vereinsgesetzes. Im November erkannte das Schöffengericht auf Auflösung des Vereins und Verurtheilung der Angeklagten zu je 15 Mark Strafe beziehungsweise einen Tag Haft und Tragung der Kosten. Die Frauen sowie der Staatsanwalt legten gegen dieses Urtheil Berufung ein, und so standen Anfangs März die dreizehn Vorstandsmitglieder abermals vor den Schranken des Gerichts. Die Strafkammer war gleichfalls der Ansicht, daß sich der Verein mit„öffentlichen Angelegenheiten" beschäftigt habe, daß er „eine Vorschule der Sozialdemokratie sei". Sie hielt deshalb die Schließung des Vereins aufrecht, sprach aber acht der Angeklagten kostenlos frei. Die übrigen fünf Vorstandsmitglieder wurden ver- urtheilt, und zwar vier zu je 15 Mark Geldstrafe oder 3 Tagen Haft, Genossin Schneider, als Vorsitzende, jedoch zu 39 Mark Buße, eventuell zu sechs Tagen Gefängniß. Das Urtheil gegen Genossin Schneider wurde damit begründet, daß sie sich ihres Thuns wohl bewußt gewesen sei. Auch gegen dieses Urtheil ist Berufung angemeldet. Mag das neue Gerichtserkenntniß ausfallen wie es will, es wird die zielbewußten Genossinnen Kölns nicht abhalten, unentwegt für ihre Ideale zu wirken und zu kämpfen. Gerade das Vorgehen der Behörden beweist, daß die proletarischen Frauen auf dem rechten Wege sind, wenn sie sich ausklären und organisiren, wenn sie sich der Sozialdemokratie anschließen. Verfolgungen und Maßregelungen werden ihren Eifer nur stärken, ihre Begeisterung wachhalten, denn sie sind sich bewußt, daß es ohne Kampf keinen Sieg giebt. Sek. — Der diesjährige Parteitag der deutschen Sozialdemokratie sollte bekanntlich laut Beschluß des Kölner Parteitags in Nürn berg stattfinden. Da aber in Bayern die Betheiligung der Frauen an den Verhandlungen unmöglich gemacht werden könnte, hat die Parteileitung im Einverständniß mit der Reichstagsvertretung von Nürnberg Abstand genommen und bestimmt, daß der Parteitag in Frankfurt a. M. stattfinden soll. Die Genossinnen werden hoffentlich durch eine recht zahlreiche und rege Betheiligung an den Arbeiten des Parteitages beweisen, wie nothwendig und nützlich diese Verlegung des Kongreßortes war. Befreiung. Von Nia Elaassen. Es war einmal ein junger, unscheinbarer Adler, der saß in der kleinsten Zelle eines großen Vogelhauses und sah über sich den Himmel und unter sich den dunklen schweigenden Wald. Im Vogelhause schwirrte es von Vögeln aller Art, großen und kleinen, bunten und einfarbigen. Ein Jeder bekam sein Futter nach der Güte seiner Kehle und der Schönheit seines Gefieders und Alle waren überzeugt, daß es so in der Ordnung war, und der Adler meinte auch, es wäre immer so gewesen wie jetzt, und es könnte nicht anders sein. Aber dennoch konnte er nicht recht froh werden. Wie ferne dunkle Ahnung kam es über ihn, von etwas, was er nicht denken, geschweige nenuen konnte. Und je mehr er grübelte über das Unbegreifliche, desto stärker wurde die Ahnung und hüllte ihn ein in den dunklen Mantel der Sehnsucht, und aus der Sehnsucht entstand der Schmerz, der Schmerz über das verlorene„EtwaS", das er doch nie besessen. Sollte er seine Gefährten darum befragen, was ihm fehlte? Da war eine alte Eule, die war besonders klug und erzählte sehr oft und sehr gern lange Familiengeschichten, die sich in ihrer Jugend zugetragen hatten— in ihrer Jugend, als es noch so ganz anders war. Dann war da eine ältliche, überfreundliche Elster, die alle Waldncuigkeiten im Umkreis von einer Meile nnd noch etwas darüber kannte und ganz genau wußte, wie der Buchfink von drüben im vergangenen Sommer aus purem Uebermuth von der Eiche rechts am Wege nach der kleinen Birke zehn Schritte davon gezogen sei. Die gab gerne über Alles Auskunft. Und die hübsche kleine Kohlmeise, die trotz ihrer Jugend Alles so bestimmt wußte — nur daß sie etwas affektirte, die gute Kohlmeise—, und dann die Singdrossel— und der Edelfink— ob sie wohl auch so etwas fühlten und ihm Bescheid sagen könnten? Und einmal wagte der arme Adler es wirklich, mit ihnen von seiner Sehnsucht zu sprechen. Aber o weh! was für ein Sturm des Unwillens erhob sich da gegen ihn.„Hat er nicht eine Zelle und Futter, um seinen Hunger zu stillen", schrie der Zeisig,„und will noch reden?" —„Ich habe es auch längst gesagt, nur noch Unzufriedenheit in der Welt von heutzutage..." begann im Predigerton die Eule, aber sie wurde von der Krähe überschrien, die zornig ihr:„Undankbar, undankbar!" dem Adler zurief, und:„Mache Dich nicht lächerlich!" meinte gutmüthig die Amsel. Damit war die Sache abgethan. Doch wenige Tage darauf sah der Adler eine Henne mit ihren Küchlein vorüberschreiten und Futter suchen, und die Küchlein liefen so fröhlich piepsend einher, die Henne gackerte so zufrieden, daß er sich nicht enthalten konnte, sie zu fragen:„Wie machst Du es denn, daß Du glücklich nnd zufrieden bist?"—„Das will ich Dir sagen", erwiderte die Henne, und der Adler horchte hoch auf:„Fleißig mußt Du sein und Dein Tagewerk getreulich verrichten, wie ich. Tagsüber Futter suchen, die Kleinen spazieren führen und sie gackern lehren, früh zu Bett und früh auf sein.." und so gackerte sie noch viel von der Geschicklichkeit ihrer Kleinen und der Güte der heurigen Gerstenkörner. Aber der Adler wandte den Kopf weg und hörte nicht mehr. Und wieder verging ein Tag und es wurde Abend, der Mond stieg herauf, er durchdrang den feuchten Waldesschatten vor ihm mit verklärendem Hauch und spielte Versteckens mit den Blättern der Waldbäume. Da tönte vom Busch in der Nähe süßer, schmelzender Wohllaut.„Der kleine graue Vogel singt", dachte der Adler,„vielleicht kann er mir sagen, was mir fehlt!" Und schmelzender, klagender stieg der Laut hinan und dem Adler ward so bange und eng, daß er glaubte zu ersticken. Da flatterte der Vogel vorüber.„Sage mir, kleiner Vogel, sage mir, was ist's, das mich so traurig macht? Du weißt es, denn Dein Gesang ist Wehklagen und Thränen!" Und die Nachtigall sang:„Ich traure um den weißen, singenden Schwan, auf den Gott alle Anmuth der Erde ausgegossen hat und den ich liebte. Weil er mich verachtete, gab mir Gott
Ausgabe
4 (2.5.1894) 9
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten