Nr. 10 der ,, Gleichheit" gelangt am 16. Mai 1894 zur Ausgabe.
eine ganz schlechte und unzureichende Rost erhielt, und daß sie in brutaler Weise behandelt und geschimpft wurde. Man bilde sich nur ja nicht ein, daß Verhältnisse, wie die geschilderten, Ausnahmen seien, daß sie nur vereinzelt vorfämen. Im Gegentheil. Sie kommen sehr häufig bei Bleichern und in Plättgeschäften vor. Die schreienden Mißstände im Plättgewerbe sind nur möglich, weil dieses teine gesetzliche Regelung der Arbeitszeit kennt, feiner Kon trolle untersteht. Im Interesse der Tausenden von Frauen und Mädchen, deren Gesundheit durch die geschilderten Arbeitsverhältnisse in freventlich wüster Weise zerstört wird, muß mit aller Energie die Forderung erhoben werden, daß der gesetzliche Arbeiterschutz auf die Blätterei wie auf alle Arten der Klein- und Hausindustrie ausgedehnt werde.
Hie Hundenatur hie Klassenbewußtsein. Die Frauen und Jungfrauen der hessischen nationalmiserablen Partei fühlten sich vom Geiste getrieben offenbar vom Geiste der von H. Heine so beißend charakterisirten Hundenatureine ,, Dantadresse" vom Stapel zu lassen an den großen Schnapsbrenner von Friedrichsruh , den Urheber des schmachvollen Ausnahmegesetzes, den Nährvater der spitelnden„ Nichtgentlemen" vom Schlage der Haupt, Ihring- Mahlow und Konsorten. An dieser Thatsache ist nichts Besonderes. Jeder
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Arbeitszeit, und die Regierung macht sich zum Handlanger und Mitschuldigen der proßigen, verbohrten Schlotjunker.
Versuche mit verkürztem Arbeitstag in Oesterreich . Die in England mit dem Achtstundentag gemachten Erfahrungen werden durch solche in einer österreichischen Fabrit ergänzt. Die Heinrichsthaler Bobbinet- und Spizenfabrik von Faber in Letto wit ( Mähren ) arbeitet mit sehr viel Maschinerie. An Stelle des bisherigen effektiv 9½stündigen Arbeitstags führte sie eine effektiv 7/ 10stündige Arbeitszeit ein. Die Verkürzung der Arbeitszeit um 24% Prozent wurde bei ihren Webern fast vollständig ausgeglichen durch eine Mehrleistung. Der Verdienst der Arbeiter stieg in der Folge um 23% Prozent und der Betrieb verzeichnete eine bedeutende Grsparniß an Betriebskosten. Diese Thatsachen zeigen, daß sogar eine sehr starke und plötzliche Verkürzung der Arbeitszeit weder die Arbeiter noch die Unternehmer schädigen muß. Wenn die Sozialdemokraten eine gesetzlich festgelegte kurze Arbeitszeit fordern, so werden trotzdem im deutschen Reichstage die Gläubigen des heiligen Manchester noch so und so oft den alten Kohl aufwärmen, daß der kürzere Arbeitstag zum Ruin der Industrie führe. Die Herren werden so lange nichts lernen und vergessen, bis ihnen die deutsche Klassenbewußte Arbeiter
blamirt sich so gut er kann, und es ist das unveräußerliche Menschen- schaft mit dem Stimmzettel etwas Nationalökonomie einpaukt. recht der deutschen Bourgeoisdamen, zu zeigen, daß auch sie ihr Theil leisten in blöder Gözendienerei vor Talmigrößen. Aber die Dankadressen girrenden nationalliberalen Frauen und Jungfrauen Hessens waren naiv genug, auch die Frauen der werkthätigen Masse zum Mitthun an diesem Aprilscherz aufzufordern. Als Antwort auf dieses Ansinnen erließen die sozialistisch gesinnten Frauen Darmstadts einen Aufruf, in dem es u. A. heißt: Wir Proletarierfrauen und Mädchen wollen unseren Gefühlen auch einmal Ausdruck geben, schaaren wir uns zusammen und stiften wir der sozialdemokratischen Partei Darmstadts, der Partei, welche jederzeit für die Interessen des arbeitenden Voltes eingetreten ist, eine rothe Fahne, das Symbol der Freiheit. Laßt uns nicht eher ruhen und rasten, bis die rothe Fahne in Darmstadt weht!" Ein Bravo den klassenbewußten Frauen und Mädchen Darmstadts für ihre kräftige Antwort.
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Warum die Kapitalisten für das ,, Ewig Weibliche" in der Fabrik schwärmen, beweist schlagend ein Lohnzettel der Mannheimer Wollfabrik Schülke und Wolf", laut dessen eine 17jährige Arbeiterin in 9 Tagen vom 29. März bis 9. April- 2 Mk. 12 Pf. Lohn erhielt. Der Verdienst des Mädchens stellt sich also pro Tag auf nicht ganz 24 Pf. Der Kapitalist schwärmt für die Frauenarbeit, weil er sie in der schäbigsten Weise entlohnen und dadurch seine Profite steigern kann. Ob die Arbeiterinnen dabei halb verhungern, das ist ihm Hekuba. Warum fönnen sich auch die Frauenzimmer nicht das verfluchte Essen abgewöhnen?
Erfahrungen mit dem Achtstundentag in England. Der Eisenindustrielle Mather, welcher vor einem Jahre in seinem Betrieb ( Mather& Platt) zu Salford versuchsweise den Achtstundentag einführte, veröffentlichte kürzlich das Resultat seiner Beobachtungen. Dieselben erstrecken sich über 12 Monate und 1200 Arbeiter, deren Arbeitszeit pro Woche von 53 auf 48 Stunden herabgesetzt worden war, ohne daß die Löhne eine Herabminderung erfahren hatten. Die nothwendig gewordene Vermehrung der Arbeitskräfte war eine so geringe, daß die Lohnausgaben nur um 0,4 Prozent stiegen. Diese Mehrausgabe wurde genau aufgewogen durch eine 0,4 prozentige Verminderung der Kosten für Beleuchtung, Feuerung, Maschinenabnuzung 2c. Der Unternehmer hatte also in Folge der verkürzten Arbeitszeit auch nicht einen Deut mehr an Betriebskosten zu tragen. Dagegen erwuchs ihm ein direkter Vortheil durch die Einführung des Achtstundentags: die Produktion war gegen die früheren Jahre gestiegen. Herr Mather bezeichnet deshalb seinen Versuch als einen für die Arbeiter wie die Unternehmer gleich glücklichen Erfolg und fordert andere Fabrikanten zur Nachahmung auf. Die Erfahrungen des Herrn Mather bestärkten die englische Regierung in ihrem Entschluß, den Achtstundentag zuerst in den staatlichen Armee- und dann in den Marinewerkstätten einzuführen. Verschiedene große Betriebe sind dem Beispiele der Regierung bezw. des Herrn Mather gefolgt oder werden ihm demnächst folgen. So wird die große Fabrit von Howard in Badford, welche landwirthschaftliche Maschinen fabrizirt, vom 1. Mai an gleichfalls den Achtstundentag einführen. In Deutschland , dem Lande der patentirten Sozialreform und christlichen Gesinnung, ist den Arbeitern noch nicht einmal der ungestörte Genuß der Sonntagsruhe zu Theil geworden. Hier sträubt sich das Unternehmerthum in Kleinlichstem Klassenegoismus und in kurzsichtigster Verkennung wirthschaftlicher Nothwendigkeiten und Fortschritte gegen jede Verkürzung der
Frauenarbeit in den belgischen Bergwerken. Die Zahl der weiblichen Arbeiter, die im letzten Jahre in den belgischen Rohlengruben unter Tage beschäftigt waren, betrug 2893 gegen 3691 im Vorjahre. Diese Verminderung hat ihren Grund in der Anwendung des Gesetzes von 1889, welches die unterirdische Beschäftigung der Frauen, die noch nicht 21 Jahre alt sind, in Bergwerken verbietet. Frauen und Mädchen, welche diese Altersgrenze überschritten haben, erfreuen sich in Belgien noch des den Frauenrechtlerinnen so theuren unveräußerlichen Menschenrechts, sich ad majorem gloriam Dei gloriam Dei zum größeren Profit des Kapitals in Bergwerken auch unter Tage abrackern zu dürfen. Die Zahl der über Tage in den Bergwerken schaffenden weiblichen Arbeiter hat um ca. 500 zu= genommen. Der Lohn der Grubenarbeiter und Grubenarbeiterinnen ist ein äußerst niedriger. Im Kohlenrevier des Borinage beträgt er für Männer 836 Frcs. pro Jahr, im Distrikt von Lüttich 997 Frcs., in La Louvière , Jolimont 2c. 1005 Frcs. 2c. Der Verdienst der Frauen in den belgischen Bergwerken bleibt überall hinter diesen Jammerlöhnen noch weit zurück.
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Zunahme der Frauenarbeit in England. In dem industriell so hochentwickelten England ist die Frauenarbeit natürlich in steter Zunahme begriffen. 1891 kamen daselbst auf je 10000 weibliche Personen 3442 berufsthätige Frauen, 1881 hatte man auf 10000 Frauen nur 3405 erwerbsthätige gezählt. Charakteristisch und dem Wesen der kapitalistischen Entwicklung entsprechend ist es, daß die Zahl der berufsthätigen Männer dagegen verhältnißmäßig um etwas zurückgegangen ist. Auf je 10 000 Männer kamen 1881 nämlich 8324 und 1891 aber nur noch 8314 berufsthätige. Die Frauenarbeit, als billige Arbeit, nimmt auf Kosten der Männerarbeit zu. Die Zahl der erwerbsthätigen älteren Frauen hat eine erhebliche Abnahme erfahren. 1881 kamen auf 10 000 Frauen im Alter von über 65 Jahren je 1828 erwerbsthätige, 1891 dagegen nur noch 1578; auf je 10000 Frauen im Alter von 45-65 Jahren zählte man 1881 2608 erwerbs thätige, 1889 aber nur noch 2497. Die Zahl der jüngeren erwerbsthätigen Frauen ist dagegen bedeutend gestiegen. Auf je 10 000 Mädchen im Alter von 10-15 Jahren waren 1891 nicht weniger als 1626 berufsthätig gegen 1506 im Jahre 1881. Von je 10 000 Frauen und Mädchen im Alter von 10-25 Jahren waren 1881 6214 erwerbsthätig, 1891 dagegen 6336. Beruflich beschäftigt waren 1891 nicht weniger als 6336 von je 10 000 Frauen und Mädchen im Alter von 15-25 Jahren, 2960 von denen im Alter von 25-45 Jahren. Aehnlich wie bei den Frauen hat auch bei den Männern die Zahl der erwerbsthätigen älteren Männer abgenommen, die Zahl der jüngeren erwerbsthätigen Männer ist dagegen gestiegen. Von je 10000 Männern im Alter von 65 und mehr Jahren waren 1881 7262 berufsthätig, gegen 6477 im Jahre 1891. Die Zahl der beschäftigten Knaben im Alter von 10-15 Jahren auf je 10000 ist in der gleichen Zeit von 2290 auf 2602 gestiegen. Die Abnahme der älteren, die Zunahme der jüngeren Arbeitskräfte männlicher wie weiblicher erklärt sich dadurch, daß die Arbeit mit der steigenden technischen Entwicklung immer anstrengender und aufreibender wird selbstverständlich nur unter der kapitalistischen Wirthschaftsordnung-, so daß die älteren Arbeitskräfte nicht mehr leistungsfähig genug sind, ausgemerzt" und durch jüngere Arbeitskräfte ersetzt werden.
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Berantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zettin( Eißner) in Stuttgart . Druckt und Verlag von J. H. W. Diez in Stuttgart .
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