Der sehr große Abstand zwischen dem Durchschnittslohn eines Arbeiters und dem einer Arbeiterin zeigt in Ziffern recht deutlich den Grund, warum auch in der Berliner Metallindustrie die Frau mehr und mehr den Mann verdrängt. In sehr vielen Fällen schaffen die Arbeiterinnen, wie die Arbeiter, im Afford. Dadurch erfährt ihre Lage feine Besserung, wohl aber wird der Grad ihrer Ausbeutung erhöht. Es ist bekannt genug, daß die Akkordarbeit nicht im Interesse des Arbeiters, der Arbeiterin liegt, sondern in demjenigen des Kapitalisten; sie liefert ihm ein Mittel, seine Lohnsklaven zur höchsten Kraftanstrengung zu zwingen, ihnen das letzte Fünfchen Kraft und Zeit abzupressen. Dies gilt auch für die Akkordarbeit der Berliner Metallarbeiterinnen.
Die Arbeit in der Metallindustrie ist zum großen Theil derart oder findet unter solchen Umständen statt, daß die Gesundheit der Arbeitskräfte schwer leidet. In den meisten Werkstätten ist die Ventilation eine durchaus ungenügende. Die Luft ist schwer, dick, mit giftigen Dämpfen geschwängert, mit Metallstaub erfüllt. Je feiner der selbe ist, um so gefährlicher ist er auch, denn er dringt überall hin, setzt sich überall fest. Die Arbeiter, ganz besonders aber die Arbeiterinnen, welche den Tag über in dieser ungesunden Atmosphäre schaffen, mit jedem Athemzuge Metallstaub ihrer Lunge zuführen, büßen natürlich bald von ihrer früheren törperlichen Frische und Kraft ein; sehr häufig leiden sie an Erkrankungen der Athmungsorgane. Es wäre ein Leichtes, hiergegen Abhilfe zu schaffen. Es giebt Vorrichtungen, welche für schnelle und möglichst gründliche Abfuhr der giftigen Ausdünstungen sorgen, welche den Metallstaub auffangen, sammeln und unschädlich machen. Aber derartige Vorrichtungen kosten Geld, und proletarische Leben sind ja heutzutage billig wie Brombeeren. Eine Verkürzung der Arbeitszeit würde gleichfalls ganz wesentlich dazu beitragen, den Arbeitern und Arbeiterinnen der Metallindustrie Gesundheit und Lebenskraft länger zu erhalten. Aber auch davon will das Unternehmerthum nichts wissen, denn sein Polarstern ist und bleibt der Profit. Wandel zum Besseren wird nur in dem Maße geschaffen, als die gewerkschaftliche Organisation den Kapitalisten günstigere Arbeitsbedingungen entreißt, als das politisch aufgeklärte und organisirte Proletariat durch die Gesetzgebung der Profitwuth der Ausbeuterklasse Schranken zieht. Daß das Eine wie das Andere geschieht, daran haben die Arbeiterinnen in der Metallindustrie wie in anderen Industriezweigen alles Interesse. Denn sie leiden gerade unter dem heutigen Stande der Dinge am meisten. Wollen die in der
Das gute Herz der„ Bahlungsfähigen".
Don Alexander Kjelland.*
Vor der Gartenthür des Advokaten Abel hielt ein kleiner eleganter Wagen mit zwei fetten, blanken Pferden bespannt.
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Frau Warden, die ihm entstiegen war, durchschritt den Vorgarten und trat ein. Die Thür ins nächste Zimmer stand halb offen, und drinnen saß die Frau vom Hause an einem großen Tisch, der mit Massen heller Stoffe und verschiedenen Nummern des Bazar" bedeckt war.
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" Ah! wie Du gelegen kommst, süße Emilie!" rief Frau Abel.„ Ich bin ganz verzweifelt über die Näherin: sie kann sich gar nichts Neues ausdenken. Und nun size ich hier und suche im Bazar". Liebste! leg' Deinen Shawl ab und fomm' mir zu Hilfe; es handelt sich um ein Promenadenkleid!"
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„ Ich bin nicht die Nechte, Dir zu helfen, wo es sich um Buzz handelt", antwortete Frau Warden.
Die gute Frau Abel starrte sie an; es war etwas Beunruhigendes in dem Ton, und sie hatte einen unbegrenzten Respekt vor der reichen Freundin.
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Du erinnerst Dich gewiß daß Warden mir versprochen hatte
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ich erzählte es Dir neulich - das heißt-" verbesserte sich Frau Warden, daß er mich gebeten hatte, mir ein neues seidenes Kleid zu bestellen."
* Wir bringen diese Skizze des berühmten nordischen Dichters, weil sie mit vernichtendster Ironie die Oberflächlichkeit des Wohlthätigkeitsfinnes unserer oberen Zehntausend schildert. Frau Warden, die Verkörperung dieser Oberflächlichkeit, möchte gerne das angenehme Gefühl haben, die Wohlthäterin der Armuth spielen zu können; sowie ihr aber die Armuth auch ihre verzerrten Züge zeigt, da freut sich die Wohlthäterin dieses wohlfeilen Vorwandes, um sich wieder ganz auf nichtigen Putz und Luxus zurückzuziehen. Die Noth macht die Menschen erst schlecht; aber diese( oft nur ganz äußerliche) Verderbtheit hat von jeher als Vorwand zur Unterdrückung jedes Mitleids mit den Armen und Verkommenen dienen müssen. So bequem wie Frau Warden macht es sich die ganze besitzende Klasse.
Metallindustrie thätigen Proletarierinnen bessere Arbeitsbedingungen erlangen, Arbeitsbedingungen, welche ihnen erlauben, mit ihrem einzigen Kapital, ihrer Lebenskraft, zu sparen, so müssen sie an dem Kampf theilnehmen, den die Arbeiterklasse auf wirthschaftlichem und politischem Gebiete gegen die Kapitalistensippe aussicht. Je flarer die Metallarbeiterinnen erkennen, daß sie ihre Interessen einzig und allein zu wahren vermögen im Gegensatze und im Rampfe gegen das Unternehmerthum, in inniger Ideen- und Waffengemeinschaft dagegen mit allen Ausgebeuteten, je zahlreicher und pflichtbewußter sie sich der gewerkschaftlichen Organisation anschließen, in Reih und Glied der Sozialdemokratie stehen, um so schneller und durchgreifender wird sich auch ihre Lage heben.
Taffet die Kindlein zu mir kommen!
F. H.
M. K. Das Wort des großen Menschenfreundes von Nazareth: ,, Lasset die Kindlein zu mir kommen", es ist von dem beutegierigen Kapital aufgegriffen worden. Aber in seinem Munde hat es sich verkehrt in bitteren Hohn auf Alles, was Menschlichkeit heißt. Wenn das Kapital die proletarischen Kleinen zu sich rust, so einzig und allein zu einem Zwecke: um sie auszubeuten, um aus der Arbeit ihrer zarten Hände, aus der Ausbeutung ihrer schwachen, noch unentwickelten Muskeln und Nerven flingenden Profit herauszupressen.
Mit der Entwicklung der Industrie ging auch die fortschreitende Zerstörung des Familienlebens Hand in Hand. Sobald die Maschinerie Muskelkraft entbehrlich machte, ward sie nach Karl Marx * zum Mittel,„ Arbeiter ohne Muskelkraft oder von unreifer Körperentwicklung, aber größerer Geschmeidigkeit der Glieder anzuwenden. Weiber- und Kinderarbeit war daher das erste Wort der kapita listischen Anwendung der Maschinerie." Die Frau als das willigere und billigere Ausbeutungsobjekt entwerthete gar bald die Arbeitskraft des Mannes, und sie mußte es sich ihrerseits gefallen lassen, daß mit der Einbeziehung der Kinder in die moderne Industrie auch ihre Arbeitskraft eine Entwerthung erfuhr.
So lange das Gesetz dem Unternehmerthum in der Ausbeutung der Kinder so gut wie keine Schranken zog, wuchs die Zahl der in der Industrie beschäftigten Kinder von Jahr zu Jahr rapid. In den Motiven( Begründung) zur Gewerbeordnungs- Novelle wird die auf
,, Bei Madame Labiche, ja wohl!" unterbrach sie Frau Abel, ,, und nun bist Du vermuthlich auf dem Weg zu ihr?- Oh, nimm mich mit! Das ist ja amüsant!"
" Ich fahre nicht zu Frau Labiche", antwortete Frau Warden fast feierlich.
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Aber Gott ! warum nicht?" fragte ihre Freundin und riß ihre guten, braunen Augen kugelrund auf vor Erstaunen. " Ja siehst Du", antwortete Frau Warden,„ ich glaube, wir fönnen so viel Geld für unnöthigen Puz nicht mit gutem Gewissen ausgeben, wenn wir wissen, daß in den entlegensten Theilen der Stadt derselben Stadt, wo wir wohnen Hunderte von Menschen leben, die Noth leiden buchstäblich genommen: Noth!"
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„ Ja aber", wandte Frau Abel ein und warf unsichere Blicke auf ihren Tisch, das ist nun einmal so hier in der Welt; wir wissen ja, daß die Ungleichheit-"
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Wir müssen uns hüten, die Ungleichheit zu vergrößern und eher thun, was wir können, sie auszugleichen", unterbrach sie Frau Warden. Und es schien Frau Abel, als werfe ihre Freundin mißbilligende Blicke auf den Tisch, die Stoffe und den„ Bazar".
Die Unterhaltung wurde eine Weile weiter geführt und Frau Warden erzählte, daß sie die Absicht habe, in die elendesten Theile der Vorstädte hinauszufahren, um sich mit eigenen Augen von dem Zustand der Armen zu überzeugen. Die Damen trennten sich fühler als gewöhnlich. Sie waren Beide in ernſter Stimmung. Frau Abel blieb im Gartenzimmer; sie hatte gar feine Lust mehr, sich mit dem Promenadenkleid zu beschäftigen, obgleich der Stoff wirklich so hübsch war. Sie hörte den weichen Ton des auf dem glatten Wege des Villaquartiers davonrollenden Wagens.
" Was für ein gutes Herz Emilie hat!" seufzte sie.
Der Kutscher hatte seine Ordre ohne eine Miene zu verziehen entgegengenommen; und da niemals Einwendungen in seinen Mund famen, fuhr er tiefer und tiefer in die wunderlichsten Straßen des Armenquartiers hinein mit einer Miene, als fahre er zum