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bezüglich der zu erstrebenden Endziele bei den Herren Anarchisten| liche Versammlung der Kartonarbeiter und Arbeiterinnen: Die Miß­stände in den Berliner Kartonfabriken"( Genosse Greifenberg ); öffent­herrscht, auch bezüglich der heutigen Tages einzuhaltenden Tattit bei ihnen zu finden ist. Wir wollen, sagen sie, freie und selb- liche Versammlung aller in der Schuhindustrie beschäftigten Arbeiter ständige Individuen erziehen; wenn wir eine große Anzahl solcher erzogen haben, so werden sie den Kapitalismus angreifen und stürzen. Auch dies klingt recht gut. Aber wie will man die Masse des Proletariats zu solchen selbständigen Charakteren erziehen? Das ist ja gerade das Elend des heutigen Kapitalismus, daß er den Proletarier und die Proletarierin durch materielle Leiden allerlei Art so ausmergelt, daß dieselben körperlich und geistig ermatten und als Einzelne nichts auszurichten vermögen. Wie sollen denn die Einzelnen den Kapitalismus stürzen? Wenn sie wirklich eine Regierung zu Falle brächten, was würde weiter geschehen? Wie sollte das Wirthschaftsleben fortgeführt und verbessert, wie die neue schönere Kultur, die wir ersehnen, ausgestaltet werden, wenn nicht die ganze Masse der Arbeitenden männlichen und männlichen und weiblichen Geschlechts vorher gut organisirt, zu politischem Zu­sammenwirken wohl geschult worden ist?

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Wir sagten nun schon oben, daß viele Anarchisten die Pro­paganda der That" zurückweisen, aber hierin liegt wieder ein großer Widerspruch zu ihren eigenen Grundanschauungen. Denn wenn das Ich" der Einzelne, der Mittelpunkt ist, wenn das Ich" Niemanden, auch nicht die Gesammtheit, in sein Thun und Treiben hineinzureden lassen braucht, so kann es ihm folgerichtigerweise auch gar nicht verdacht werden, wenn es zur Gewalt als Kampfmittel, gegen die Bourgeoisie greift. Die Propaganda der That", das Bombenwerfen, der Kampf von Person zu Person, ist sicherlich eine Kampfesart, die sich, wenn auch nicht mit Nothwendigkeit, so doch mit großer Selbstverständlichkeit aus der anarchistischen Lehre von der vollständigen Unabhängigkeit des Einzelnen ergiebt. Und daß diese Kampfesart nichts taugt, daß sie für die Arbeiter­schaft höchst verderblich ist, dazu bedarf es keines Beweises mehr. Alles das, was die Anarchisten durch ihre Thaten erreichen wollten, wurde regelmäßig nicht verwirklicht, vielmehr trat das Gegentheil davon ein. Sie wollten die Herrschenden schrecken und Sozialreformen erzwingen, sie haben nur Zorn erregt und Zwangsgesetze gegen die Arbeiterschaft hervorgerufen. Sie wollten die Masse aufrütteln durch Aufsehen erregende Thaten, aber die Masse wandte sich von ihnen, leider auch oft von den Arbeiteridealen überhaupt weg, da sie sah, daß man einzelne unschuldige Personen ermordete.

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Wie das Ziel des Arbeitsvolfes, die Beseitigung aller Aus­beutung, die Erzeugung reichlicher Gütermengen zu lebensfrohem Dasein Aller, nur zu erreichen ist durch große wirthschaftliche Or­ganisationen, so ist auch der Weg zum Ziele nur gangbar zu machen, wenn die Männer und Frauen des Volkes sich gewerk­schaftlich und politisch zusammenschaaren, wenn alle Ausgebeuteten einig und solidarisch sich um dasselbe Banner vereinen. Erst wenn dies der Fall ist, wird durch diese Uebermacht der organisirten und zielbewußten Massen die Macht des Kapitalismus gebrochen, werden können. Nimmermehr aber wird das Proletariat vorwärts kommen, wenn Einzelne auf ihre eigene Faust vorgehen, wenn sie einzelne Glieder der unterdrückenden Gesellschaft aus dem Wege räumen. Nicht anarchistischer Wahnsinn, nicht anarchistische Irr= lehren können uns helfen, unsere Losung bleibt: Unablässige, energische, zielflare Agitation und Organisation des ge­sammten ausgebeuteten Volkes. Mit dieser Losung wer den wir siegen!

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Arbeiterinnen- Bewegung.

In der Zeit vom 15. Juli bis 15. August fanden öffentliche Versammlungen statt in: Berlin , drei große öffentliche Volts­versammlungen: Die Frauen und der Bierboykott"( Referenten waren die Genossen Wagner, Henke, sowie Genossin Greifenberg ); öffentliche Versammlung der Kartonarbeiterinnen: Die Lohn- und Arbeits­verhältnisse der Kartonarbeiterinnen"( Genossin Bertha Artelt); öffent liche Volksversammlung der Arbeiter und Arbeiterinnen der Lurus­papierbranche: Die Lage der in den Berliner Luruspapierfabriken beschäftigten Personen"( Genosse Sailer); öffentliche Versammlung der Brauereiarbeiter:" Der Stand des Bierboykotts"( Genosse Pfannkuch); öffentliche Versammlung für Männer und Frauen: Die Bildungs­bestrebungen der Arbeiter und die Kunst"( Genosse Schulz); öffent­

und Arbeiterinnen: Stellungnahme zu dem bevorstehenden Bekleidungs­industrie- Kongreß""( Genosse Willner); öffentliche Versammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: Die Ernährung des Kindes"( Genosse Dr. Weyl); Bielefeld , öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen: Industrieverbände oder Zentral­organisationen?"( Genosse Slomke); Blecher, öffentliche Volksver­sammlung: Die wirthschaftliche Lage des Volkes"( Reichstagsabge­ordneter Schuhmacher); Charlottenburg , große öffentliche Ver­sammlung für Männer und Frauen: Der Bierboykott und seine Folgen"( Reichstagsabgeordneter Zubeil); Friedberg , öffentliche Volksversammlung: Unsere Programmpunkte in Bezug auf Arbeiter, Handwerker und Bauernstand"( Genosse Dr. David); Grünau, öffentliche Versammlung für Frauen und Männer: Der Stand des Bierboykotts"( Genosse Dr. Heymann); Halle, große öffentliche Volks versammlung: Militarismus und Sozialdemokratie"( Reichstags­abgeordneter Metzger); Hamburg , öffentliche Volksversammlung: ,, Das moderne Strafrecht vom Standpunkte der unteren Volksklassen" ( Genosse Dr. Berthold); öffentliche Versammlung der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen: Die Nothwendigkeit der Organi­sation"( Genosse Cordes); Hildesheim , öffentliche Versammlung für Männer und Frauen:" Der Braunschweiger Bierboykott"( Genosse Stephan); Magdeburg , öffentliche Volksversammlung: Die letzte Wahlbewegung"( Reichstagsabgeordneter Klees); Pankow , öffentliche Versammlung für Männer und Frauen: Die Agitation für den Bier­boykott"( Genosse Dastig); Plauen , öffentliche Volksversammlung: Sozialismus und Anarchismus"( Reichstagsabgeordneter Förster); Rostock , öffentliche Versammlung der Schneider und Schneiderinnen: ,, Der Bekleidungsindustrie- Kongreß"( Genosse Müller); Wandsbeck, öffentliche Versammlung für Männer und Frauen: Die materialistische Geschichtsauffassung"( Genosse Lesche).

Vereinsversammlungen fanden in der nämlichen Zeit statt in: Altona , außerordentliche Generalversammlung des Arbeiterbildungs­vereins: Kassenbericht; Barmbeck , Mitgliederversammlung des Ver­bands der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und-Arbeiterinnen: Quartals­abrechnung und Revision derselben; Berlin , Generalversammlung des Vereins der Knopfarbeiter und Arbeiterinnen: 1) Kassenbericht, 2) Wahl der Revisoren; Mitgliederversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: Die Ernährung des Kindes"( Genosse Dr. Weyl); Mitgliederversammlung des Verbands der Filzschuharbeiter und-Arbeiterinnen: 1) Kassenbericht, 2) Wahl eines Revisors und eines Bibliothekars; Mitgliederversammlung des Verbands aller in der Papier und Ledergalanteriebranche beschäftigten Arbeiter und Ar­beiterinnen: Die Philosophie des Sozialismus"( Genosse Dr. Hey­mann); Mitgliederversammlung des Verbands der Holzarbeiter und -Arbeiterinnen: Die moderne Ehe und die freie Liebe "( Genosse Borchart); Charlottenburg , Mitgliederversammlung des Vereins für Frauenbildung: Die strenge Durchführung des Bierboykotts" ( Genosse Montag); Celle , Verbandstag des Vereins der Fabrit, Land, Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands : 1) Bericht der Preßkommission, 2) Statutenberathung; Hamburg , Mitgliederver sammlung des Zentralvereins für Frauen und Mädchen: 1) Kassen­bericht, 2) Auflösung der Zahlstelle; Hannover , Mitgliederversamm­lung des Verbands der Fabrik-, Land-, Hilfsarbeiter und Arbeite­rinnen: Ueber Nationalökonomie"( Genosse Göbel); Moabit , Mit­gliederversammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: Die Ernährung des Kindes im ersten Lebensjahre"( Genosse Dr. Weyl); München , Generalversammlung des allgemeinen Arbeiterinnen­bildungsvereins: 1) Berichterstattung, 2) Neuwahl des Ausschusses; Nürnberg , zwei Mitgliederversammlungen des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen: 1) Das Recht auf Arbeit"( Genosse Henning); 2) Thätigkeits- und Kassenbericht); Stuttgart , Mitgliederversamm­lung des Bezirksvereins Westen:" Die politische und wirthschaftliche Lage"( Genosse Hermann); Mitgliederversammlung des Buchbinder­fachvereins: Kaffenbericht.

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Leipzig . Die letzte Generalversammlung des hiesigen Bil­dungsvereins für Frauen und Mädchen legte Zeugniß ab von der gesunden und kräftigen Entwicklung dieser Organisation. Die Mit­gliederzahl ist seit der Gründung langsam, aber stetig gestiegen, gegenwärtig gehören dem Verein 235 Frauen und Mädchen an. Die Vereinsversammlungen sind in der Regel recht gut besucht und zeigen, daß die Genossinnen eifrig bemüht sind, sich aufzuklären und zu bilden. Die vom Verein veranstalteten Wanderversammlungen haben sich im Allgemeinen als treffliches Mittel bewährt, der Organi­sation neue Sympathien und neue Mitglieder zu gewinnen. Die Kassenverhältnisse sind recht befriedigende. Obgleich der Verein nicht