pfennige verdienen, vom Hunger gezwungen werden, mit ihrem Körper zu schachern. Endlich darf nicht übersehen werden, daß die Arbeit an den Riementischen die Nerven aufregt und zerrüttet, die geschlecht­liche Sinnlichkeit steigert, und daß das Zusammenschaffen von Männern und Frauen in der schwülen, ungesunden, erschlaffenden Atmosphäre die gleiche Folge hat. Durch Beten und Singen, durch Bibelstunden und Jünglings- bezw. Jungfrauenvereine will das Wupperthaler Muckerthum die Sittlichkeit der arbeitenden Bevölkerung heben. Es thäte besser, mit aller Energie dafür zu wirken, daß frömmelnde wie freigeistelnde Textilbarone ihren Arbeitern und Arbeiterinnen aus­kömmliche Löhne zahlten, daß sie ihre Arbeitszeit herabsetzten, ihre Arbeitsbedingungen zu gesunden gestalteten. Nur auf der Basis ge­sunder wirthschaftlicher Verhältnisse kann die gesunde Sittlichkeit der werkthätigen Bevölkerung erwachsen. Das haben auch die Textilarbeite­rinnen des Wupperthals zum Theil begriffen. Auch ihrer hat sich das brennende Sehnen bemächtigt nach einer menschenwürdigen Existenz, die im Einklang steht mit der Kultur unserer Zeit. Und deshalb sind auch sie, gedrängt von der Noth des Lebens, schon vielfach eingetreten in den Kampf für eine bessere Lebenshaltung und für ihre endgiltige Befreiung. Wiederholt haben sie in Streits die Männer voller That­fraft und Opferfreudigkeit unterstützt, und immer zahlreicher werden diejenigen unter ihnen, welche in Versammlungen und Vereinen Auf­flärung und Schulung, Wissen und Macht suchen, welche zielbewußt sich um das Banner der Sozialdemokratie schaaren. Die Klassenlage des Proletariats erzieht die Textilarbeiterinnen des Wupperthals zu treuen, opfermuthigen Kämpferinnen für eine bessere Zukunft.

Karl Ewald  .

Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisationen

in England.

( Schluß.)

Unseres Erachtens ist gerade der bereits weiter oben gekenn­zeichnete Charakter der Frauengewerkvereine eine der vornehmsten Ursachen, weshalb kein allgemeinerer Anschluß der englischen Ar­beiterinnen an dieselben erfolgt ist und kaum je zu erwarten sein dürfte. Was die Frauenvereine ihren Mitgliedern bieten, ist gewiß schätzenswerth. Allein angesichts der Lage der Arbeiterinnen ist es doch nicht von solcher Bedeutung, zielt es nicht derart ins Schwarze der proletarischen Verhältnisse, daß große Massen von Arbeiterinnen zum Anschluß an diese Organisationen gereizt, um nicht zu sagen gedrängt würden, daß sie mit Rücksicht auf die winkenden Ziele bereit wären zu den materiellen und moralischen Opfern, welche das Organisationsleben mit sich bringt. Unterstützung in Noth­fällen ist für die Proletarierinnen von nicht zu unterschätzendem Vortheil, die Vermittlung von Bildung, Gelegenheit zu edleren Vergnügungen wird von ihnen sicherlich sehr angenehm empfunden. Aber immer wieder und immer deutlicher drängt sich ihnen die Ueberzeugung auf, daß vor allem Eins ihnen noth thut: eine wesentliche Besserung ihrer Arbeitsbedingungen. Krankengeld, Thee abende mit bildender Lektüre 2c. sind für die Arbeiterinnen von untergeordneter Bedeutung im Vergleich zu einer Erhöhung ihrer Löhne, einer Verkürzung ihrer Arbeitszeit, gesünderen Arbeits­bedingungen 2c. Organisationen, welche nicht in erster Linie für solche Ziele eintreten, werden deshalb nie die Begeisterung und den Massenanschluß der Arbeiterinnen herausfordern. Die Zukunft der Arbeiterinnenbewegung in England, wie sonstwo, gehört nicht den Harmoniekränzchen, welche nach alten bürgerlichen Rezepten an der Lage der Arbeiterinnen furpfuschen, vielmehr den Kampfesorgani­sationen, welche zielflar und energisch für die Hebung der wirth­schaftlichen Verhältnisse der Arbeiterinnen eintreten, wie sie nur im Gegensatz zu dem Unternehmerthum und im Ansturm gegen dieses durchgesetzt werden kann. Je klarer, planvoller, flüger und entschie­dener eine Organisation sich im Kampfe gegen den Kapitalismus bethätigt, je ausgiebiger sie in Folge dessen die wirthschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder gegen die Tendenzen der Plusmacherei zu wahren vermag, um so größer werden auch das Vertrauen und der Rückhalt sein, die sie unter den Arbeiterinnen findet.

Es liegt aber in der Natur der Sache, daß die bisherigen Lei­terinnen der englischen   Frauen- Trades- Unions von einer derartigen Taktik nichts wissen wollten. Als Angehörige der besitzenden Klassen konnten und wollten sie nicht den unüberbrückbaren Gegensatz sehen zwischen den Interessen der Kapitalisten und denjenigen der Arbeite­rinnen. Sie erkannten mithin auch nicht die dringende Nothwendig keit, die Interessen der Arbeiterinnen durch einen steten Kampf gegen das Unternehmerthum zu vertheidigen. Ihre Auffassung von der Natur und den Aufgaben der gewerkschaftlichen Organisationen ist nothwendigerweise eine durchaus unvollständige und schiefe. Die

134

englischen Arbeiterinnen empfinden dies instinktiv und der Umstand ist von wesentlicher Bedeutung dafür, daß der Umfang der Nichts­als- Frauengewerkschaften in keinem Verhältniß steht zu den für ihre Ausdehnung und Kräftigung gebrachten Opfern. Bezeichnend in der Hinsicht scheint uns, daß in den letzten Jahren die englischen Frauen­organisationen die meisten Fortschritte gemacht haben, welche mehr und mehr den Charakter von Kampfesorganisationen annahmen 2c., wie z. B. die Union   der Wäscherinnen, die allein 5-6000 Mitglieder zählen soll. Ferner, daß die Mitgliederzahl die Organisationen vor­übergehend anschwillt, wenn dieselben trotz ihres kapitaliſtenfrommen Charakters gelegentlich doch zu einem Vorgehen gegen das Unter­nehmerthum gezwungen werden, sich zu einer Kampfesaktion ent­schließen müssen, und daß die Mitgliederzahl wieder abnimmt, sobald der Kampf vorüber und die Organisation in ihre frühere Harmlosig­feit zurückgesunken ist.

Die wirthschaftlichen Verhältnisse zwingen die Frauengewerk vereine, sich mit oder gegen den Willen ihrer Führerinnen zu Kampfes­organisationen zu entwickeln. Damit ist auch gesagt, daß der bürger­liche Einfluß innerhalb derselben mehr und mehr zurückgehen muß, daß ihre Leitung aus den Händen wohlmeinender oder ehrgeiziger Frauenrechtlerinnen übergeht in diejenige zielbewußter Vertreterinnen des proletarischen Standpunkts. Die Taktik, welche die Frauen vereinigungen jetzt nur zeitweilig und unfreiwillig inne halten, wird dann von ihnen bewußt und stetig befolgt, die Ziele, für welche sie gegenwärtig nebenbei und gelegentlich eintreten, stehen dann im Mittelpunkt ihrer Bestrebungen. So werden die englischen Frauen­Trades- Unions mit der Zeit eine Mauserung durchmachen, deren erste Anfänge bereits jetzt deutlich sichtbar sind. Gleichzeitig wird sich noch, getrieben von den nämlichen Ursachen, ein anderer Umschwung voll­ziehen. Gerade in dem Maße, als sich die Frauenvereine zu Kampfes­organisationen auswachsen, welche eine rein proletarische Auffassung von den Verhältnissen und den Aufgaben der Gewerkschaften haben, wird auch immer klarer hervortreten, wie vortheilhaft, ja unum­gänglich nothwendig es ist, Arbeiter oder Arbeiterinnen der nämlichen oder verwandten Berufszweige in ein und denselben Organisationen zusammenzufassen. Die Nichts- als- Frauengewerkvereine werden all­mälig den gemischten Organisationen Platz machen, weil diese- ab­gesehen von anderen Vorzügen eine größere Kraftentfaltung der kapitalistischen   Uebermacht gegenüber ermöglichen. Ihre Leistungs­fähigkeit wird zu einem allgemeineren Anschluß der Arbeiterinnen an die Organisationen führen, eine gewerkschaftliche Massenbewegung derselben veranlassen.

Mit den vorstehenden Ausführungen wollten wir keineswegs das leugnen, was die Frauengewerkvereine bisher für die englischen Arbeiterinnen geleistet haben. Unzweifelhaft haben dieselben inner­halb gewisser Schichten der proletarischen Frauenwelt das Gefühl der Solidarität erweckt und zu klarerem Bewußtsein gebracht. Sie schulten eine kleine Anzahl von Proletarierinnen, vermittelten ihnen einen besseren, allgemeineren Ueberblick über die wirthschaftlichen Ver­hältnisse und ihre Lage und machten sie mit der Führung und Leitung der Geschäfte vertraut. Auch sonst noch wirkten sie in vielfacher Hinsicht bildend und fördernd auf die Entwicklung der Arbeiterinnen ein. So führt z. B. Gertrud Dyhrenfurth an, daß eine Arbeiterin durch die Gründung eines Frauenvereins noch in späterem Lebens­alter veranlaßt wurde, das Schreiben zu erlernen. Die Arbeiterinnen mehrerer Berufe haben dem Eingreifen der Frauengewerkvereine bessere Arbeitsbedingungen zu verdanken, beziehungsweise eine Abwehr ge­planter schlechterer Arbeitsbedingungen. Besonders erfolgreich war die Aktion der Liga für Frauenschutz zu Gunsten der Arbeiterinnen der königlichen Armeebekleidungsfabrik von Pimlico. Dank dieser Aktion wurden zweimal die angedrohten Lohnherabsetzungen zurück­gezogen, und die Arbeiterinnen erhielten das Recht, in jeder Arbeits­stube Vertreterinnen zu wählen, mit denen seitens der Betriebsleitung beabsichtigte Aenderungen der Lohnsätze erst besprochen werden sollten. Wohlthätig macht sich im Allgemeinen der Einfluß der Frauengewerk­vereine dadurch geltend, daß ihren Mitgliedern meist eine rücksichts­vollere Behandlung zu Theil wird. Die organisirte Arbeiterin steht eben dem Unternehmerthum nicht ganz so schutzlos und ohnmächtig gegenüber, als ihre nichtorganisirte Kameradin. Aber Alles in Allem haben die Nichts- als- Frauenvereinler verhältnißmäßig nur wenig für die Besserung der Arbeitsbedingungen der Proletarierinnen zu leisten vermocht. Ihre beste That besteht jedenfalls in ihrem kräftigen Ein­treten für die Anstellung von Fabrikinspektorinnen, das nach lang­jährigem Kampfe von Erfolg gekrönt wurde.

Mit größerem Erfolg als die Nur- Frauengewerkschaften wirkten für die Hebung der Gewerbsverhältnisse der Arbeiterinnen die ge­mischten Organisationen und die Frauenvereinigungen, welche sich als Zweigvereine Männerunions angeschlossen haben. Das erklärt