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sich zum Theil aus dem zielbewußten Charakter dieser Organisationen,| Mitglieder angehören, versteht sich nach dem bereits Gesagten von zum Theil aus ihrer größeren Kraft, die nicht nur auf größere numerische Stärke zurückzuführen ist, sondern noch auf eine ganze Reihe von anderen Ursachen.
Von Anfang an wollten ja in England die organisirten Arbeiter nichts wissen von einem Eindringen der Arbeiterinnen in ihre Gewerkvereine. Sie waren Zeuge des verhängnißvollen Einflusses der schrankenlos ausgebeuteten Lohnarbeit der Frau, sie selbst litten zum Theil unmittelbar in schwerster Weise darunter. Dennoch erkannten sie nicht, daß die Organisation der Arbeiterinnen eines der Mittel
und zwar ein vorzügliches Mittel- sei, die üblen Begleiterscheinungen, welche der industriellen Thätigkeit der Frau in der tapitalistischen Gesellschaft anhaften, in etwas einzuschränken. Anstatt die Arbeiterinnen zu organisiren, forderten die Gewerkvereine der Männer das gesetzliche Verbot der Frauenarbeit, untersagten sie ihren Mitgliedern, mit Frauen zusammen zu arbeiten. Natürlich mußten sie bald einsehen, wie unmöglich es war, die eine wie die andere dieser Forderungen je durchzusetzen. Trotz aller Erklärungen und Beschlüsse gegen die Frauenarbeit griff diese rasch um sich, wurden in immer mehr Industrien die Frauen nicht blos neben den Männern, sondern statt ihrer beschäftigt, wuchs die Zahl der Berufsarten, welche den Frauen offen standen. Angesichts dieser Thatsache wurden die Trades- Unions der Männer schließlich durch das Selbstinteresse ge= zwungen, die Arbeiterinnen in ihre Organisationen einzubeziehen oder, wo dies nicht durchführbar schien, Frauenorganisationen ins Leben zu rufen, die dann an die Trades- Unions der Männer als Zweig vereine angeschlossen wurden.
Es ist erklärlich genug, daß die erste praktische Jnangriffnahme der Organisation weiblicher Arbeiter in der Textilindustrie erfolgte, wo bekanntlich die Frauenarbeit eine sehr bedeutende Rolle spielt. Wie bereits erwähnt, öffneten die organisirten Weber und Spinner von Lancashire und Yorkshire ( Nordengland ) bereits 1824 den in ihrem Gewerbe thätigen Frauen ihre Organisation. Die gemeinsame Organisation der Arbeiter und Arbeiterinnen in den betreffenden Vereinen und Verbänden ist freilich auf Grund eines höchst undemotratischen Prinzips erfolgt. Die Frauen zahlen wohl Mitgliedsbeiträge und genießen auch alle Vortheile der Organisation, haben aber gar keinen oder äußerst geringen Antheil an ihrer Verwaltung, welche ausschließlich Sache der Männer ist. Die weiblichen Mitglieder haben nicht Sitz und Stimme in der Leitung der Unions, sie werden nicht zu Kongressen delegirt 2c. Dagegen muß anerkannt werden, daß die betreffenden Organisationen die wirthschaftlichen Interessen ihrer weiblichen Mitglieder in thatkräftigster und erfolgreichster Weise wahrten. Die Textilarbeiterinnen Nordenglands haben fast durchgängig für gleiche Leistung gleiche Löhne wie die Männer, und wenn auch die Fabrikgesetzgebung nicht ohne Einfluß hierauf gewesen ist, so hat doch der energische Kampf der Gewerkvereine ganz wesentlich dazu beigetragen, den Frauen bessere Bezahlung zu erringen. In Süd- und Westengland, sowie in Irland , wo die Textilarbeiterinnen bis vor kurzem gar nicht organisirt waren, ist ihr Verdienst ein äußerst niedriger und bleibt um ein Drittel, ja um die Hälfte hinter dem der Männer zurück. Erst in den letzten Jahren hat man damit begonnen, auch die Textilarbeiterinnen dieser Gegenden zu organisiren. Aber seltsam genug, die diesbezüglichen Bestrebungen gingen nicht von den Textilarbeitern aus, sondern von der„ Gasarbeiter- und Allgemeinen Arbeiter Union". Diese Organisation, welche durchaus auf dem Boden des neuen Unionismus steht und den Kampf um bessere Arbeitsbedingungen für die eigentliche Aufgabe der Gewerkschaften erachtet, vertritt das Prinzip, daß Arbeiter und Arbeiterinnen innerhalb der Organisationen völlig gleichberechtigt sein müssen und sie läßt sich angelegen sein, diesem Grundsatz mehr und mehr Geltung zu verschaffen. Die Textilarbeiterinnen aller Distrikte kommen den Organisationsbestrebungen entgegen, in immer größerer Anzahl schließen sie sich den Gewerkvereinen an, welche gegenwärtig oft mehr weibliche als männliche Mitglieder umschließen. So bestand die Mitgliedschaft des„ Verbands der Weber der nördlichen Grafschaften" 1893 aus 29000 Männern und 43000 Frauen; 1891 hatten ihm nur 26000 Arbeiterinnen angehört. Die verschiedenen Organisationen der Textil arbeiter zählten 1893 auf 40 000 männliche Mitglieder rund 69000 weibliche, die Zahl der letzteren ist seit 1891 von 60000 auf 69000 gestiegen. Es ist also in letzter Zeit mit großer Energie und erfreulichem Erfolg für die Organisirung der Textilarbeiterinnen gewirkt worden. Trotzdem bleibt noch unendlich viel zu thun übrig, denn in der englischen Textilindustrie sind gegenwärtig nicht weniger als 628000 Frauen beschäftigt.
selbst, ihre weibliche Mitgliedschaft betrug 13000. Der„ Nationale Verband der Schuhmacher", welcher aus 11000 Mitgliedern und 30 Zweigvereinen besteht, ermöglichte auf Grund einer Statutenänderung den Anschluß der Frauen. Jetzt gehören ihm bereits 3216 Arbeiterinnen an. Der Trades- Council( Gewerkrath) von Glasgow vertritt 1000 Arbeiterinnen; der Verein der Strumpfwirker von Leicester umschließt 2380 Frauen; die Organisationen der Stricker an Dampfrahmen von Nottinghamshire und Derbyshire , der Drucker und Uebertrager von Staffordshire, der Typographen von Liverpool 2c. haben nicht unbeträchtliche weibliche Mitgliedschaften.
Andere Männergewerkvereine, welche aus dem oder jenem Grunde keine Frauen aufnehmen wollen, lassen sich doch angelegen sein, Frauenorganisationen zu gründen und in jeder Weise zu fördern. So begünstigen gegenwärtig viele Männerunions, daß sich ihnen die Frauenorganisationen als Zweigvereine anschließen, die bei eigenen Statuten und getrennter Geschäftsführung unter der Aufsicht der Beamten der Hauptorganisation stehen und mit Rath und That von dieser unterstützt werden. So sind z. B. als Zweigvereine den Männerunions beigetreten: die Unions der Arbeiterinnen von Bettstellen von Birmingham , die Zigarrenarbeiterinnen von Nottingham und London , die Hutmacherinnen und Filzarbeiterinnen von Denton, die Schneiderinnen von London , die Schneiderinnen von Nottingham .
Ueberhaupt finden gegenwärtig die Arbeiterinnenvereine jeder Art lebhafte Sympathie und thatkräftige Unterstützung seitens der Männerorganisationen, welche immer klarer erkennen, daß der gewerkschaftliche Zusammenschluß der Frauen auch im Interesse der Arbeiter liegt. Die Nichts- als- Frauengewerkschaften sehen ihrerseits ein, welche großen Vortheile ihnen durch das Zusammengehen mit den Männerorganisationen erwachsen. Besonders seitdem Miß Routledge an der Spitze der Liga für Frauenschutz steht, haben die Frauenvereine bessere Fühlung mit den Gewerkvereinen der Männer gewonnen und arbeiten Hand in Hand mit ihnen. Ueberall da, wo Arbeiter und Arbeiterinnen ihre Kräfte in den Organisationen vereinigen, sind sehr günstige Resultate zu verzeichnen, berechtigt das Erreichte zu den schönsten Hoffnungen.
Gertrud Dyhrenfurth befürwortet deshalb auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen ganz entschieden, daß die Organisationen der Arbeiterinnen so wenig als möglich von denjenigen der Männer zu trennen seien. Während die Frauen in ihren besonderen Organisationen verhältnißmäßig nur wenig fortschreiten, so führt sie aus, werden sie in den Organisationen der Männer zu tüchtigen und zuverlässigen Mitgliedern herangebildet, kommen ihnen hier die Erfahrungen langjähriger Organisationsarbeit zu Gute, finden sie eingehende Kenntniß der Marktverhältnisse und Kräfte vor, welche den technischen Aufgaben des Organisationslebens gewachsen sind. Die gemischten Organisationen sind ferner durch ein Zusammenwirken verschiedener Ursachen kräftiger als die Nur- Frauengewerkschaften, sie machen ein Ausspielen der Frauen gegen die Männer und der Männer gegen die Frauen unmöglich, sie vermögen mithin die Interessen der Arbeiterinnen wirksamer zu schützen als die Gewerkvereine, welche nur aus Frauen bestehen oder gar ohne jede Fühlung mit den Männerorganisationen vorgehen.
Freilich hat auch die Einbeziehung der Arbeiterinnen in die Gewerkvereine der Männer, ihre Organisation überhaupt mit großen Schwierigkeiten zu rechnen. Die Frau ist nicht blos Lohnsklavin, sie ist auch Haussflavin, ihr bleibt weniger Zeit und Kraft für die Betheiligung an den Organisationen als dem Manne. Die Arbeiterin ist in Folge der bisherigen Stellung der Frau weniger entwickelt als der Mann des Proletariats. Es mangelt ihr an Einsicht in die wirthschaftlichen und sozialen Verhältnisse, an Erkenntniß der engen Solidarität der Interessen, welche alle Ausgebeuteten miteinander verknüpft, ihr geringer Verdienst macht es ihr äußerst schwierig, für die Organisation Opfer zu bringen. Der Umstand, daß gerade die Frauen vielfach in Gewerben beschäftigt sind, in denen die Zersplitterung der Betriebe sehr groß ist, Kleinbetrieb und Hausarbeit vorherrschen, so daß die Arbeiterschaft nicht in kompakten Massen fabrikmäßig zusammenschafft, erschwert ebenfalls die Organisation der Arbeiterinnen ganz bedeutend. Deshalb ist es gerade für sie von ganz besonderer Wichtigkeit, daß der gesetzliche Arbeiterschutz auch auf die Hausindustrie ausgedehnt wird, daß die Unternehmer für die Einhaltung der gesetzlich festgelegten Arbeitszeit verantwortlich gemacht werden, die Hauseigenthümer für Befolgung der sanitären Vorschriften. Je ausgedehnter und durchgreifender der gesetzliche Schutz der Frauenarbeit ist, desto größere Fortschritte wird die gewerkschaftliche Massenorganisation der Arbeiterinnen machen, und diese Massenorganisation führt dann ihrerseits zu einer weiteren Besserung der Lage der Lohn
Auch in anderen Industriezweigen haben die Arbeiter begonnen, die Arbeiterinnen in ihre Gewerkvereine einzubeziehen. Daß der„ Gasarbeiter- und Allgemeinen Arbeiter- Union" Frauen als gleichberechtigte| sklavinnen.