ward als Arbeitskraft vervehmt, denunzirt, aus Lohn und Brot geworfen. Die Vernichtung der Preßfreiheit lieferte den Redaktions und Erpeditionsstab der Arbeiterblätter dem Elend aus, bewirkte den Zusammenbruch der zahlreichen Genossenschaftsdruckereien, gab das hier beschäftigte vielhundertköpfige Geschäfts- und Arbeiter personal dem Hunger preis und brachte so und so oft die Genossenschaftler um die sauer ersparten Groschen. Und in ihrem Haß und Verfolgungswahnsinn noch nicht befriedigt, griff die Reaktion zu den Ausweisungen. Sie riß Hunderte von besonders rührigen Vorkämpfern des Proletariats von der Arbeit, von Heim und Herd, hetzte sie vogelfrei in die Fremde, wohl gar int Kesseltreiben von Ort zu Ort und warf ihr Weib und ihre Kinder der schwärzesten Noth als Beute hin. Die Klassenjustiz wurde zur schmachvollsten, verbrecherischsten Klassenrache, die über den Gegner hinaus noch wider völlig Unschuldige mit einer Barbarei ohne gleichen wüthete. Und der Erfolg von alledem?
Wohl zermalmite das Schandgesetz unter seinem eisernen Tritt die Eristenz, das Familienglück, die Gesundheit, ja das Leben Einzelner. Wohl ging es vorwärts durch Blut und Thränen, gefolgt von Verwünschungen, Haß säend und Haß erntend. Wohl lastete es mit bleierner Schwere auf dem Leben und Streben des Proletariats, riß Kämpfer um Kämpfer aus den Neihen seiner Streitfräfte und schlug der klassenbewußten Arbeiterbewegung schmerzliche und tiefe Wunden. Allein vernichten konnte sie diese nicht. Die im ersten Augenblick zersprengten Streitkräfte sammelten sich rasch wieder und kämpften mit verdoppeltem Eifer, mit um so größerer Begeisterung. Neue Streiter füllten die gerissenen Lücken, die den Einzelnen geschlagenen Wunden heilte die großherzigste Solidarität Aller nach Kräften, die ausnahmsgesetzliche Vergewaltigung der Voltsrechte ward durch Pflichttreue, Energie, Begeisterung, grenzenlose Opferfreudigkeit und fluge Ausnutzung der Verhältnisse aufgewogen. Jeder klassenbewußte Arbeiter that seine Schuldigkeit, und er that sie voll und ganz; aber auch die von dem Ausnahmegeseze geschaffenen schmachvollen Verhältnisse thaten ihre Schuldigkeit. Jede unter dem Schein des Rechts begangene Infamie zeugte wider den Klassenstaat, jeder Aft der Gewalt und Niedertracht ward zum Agitator gegen die kapitalistische Gesellschaft. Immer größere Kreiſe des Proletariats wurden zum Klassenbewußtsein wachgerüttelt und in die sozialistische Bewegung hineingezogen. Allen Ausnahmemaßregeln zum Troß gewann diese täglich an Umfang, an Tiefe, an Festigkeit, an Zielflarheit. Ja, das Ausnahmegesetz trug mit seinen Schrecken wesentlich dazu bei, daß die Sozialdemokratie die Kinderkrankheiten des politischen Parteilebens schnell überwand, mit der Settirerei aufräumte, das hohle revolutionäre Phrasenthum abschüttelte, sich an das Wesen der Dinge hielt, sich die vielbewunderte festgefügte Disziplin gab und eine fühle Abwägung der Macht faktoren lernte. Das Sozialistengesetz züchtete nicht blos Sozialdemokraten, es erzog sie auch. Siegreich ging die sozialistische Bewegung ihren Gang weiter. So sind die zwölf Jahre der Herrschaft des Ausnahmegesetzes ein Denkmal, dauerhafter als Erz, von dem Heroismus und der politischen Reife des deutschen Proletariats, so sind sie auch ein beweiskräftiges Zeugniß dafür, daß eine sich anbahnende politische Revolution, die aus den wirthschaftlichen Verhältnissen mit Naturnothwendigkeit herauswächst, ebensowenig durch irgendwelche Gewaltmittel aufgehalten zu werden vermag, wie sie ohne diese wirthschaftlichen Vorbedingungen aus der Erde hervor geftampft werden kann.
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nach einem neuen Ausnahmegesez, denn die Besißenden und Herrschenden haben wie die Bourbonen nichts gelernt und nichts vergessen.
Nun wohl! Auch das Proletariat hat nichts vergessen! Unauslöschlich sind ihm alle Greuel und Verbrechen der zwölf Jahre Ausnahmegesez eingeprägt, unauslöschlich ist ihm aber auch die Erinnerung, wie es seine Gegner und ihre Machenschaften mit der Kraft eines jungen Titanen überwunden hat. Und das Proletariat hat gelernt, und was es gelernt hat, das wird es im weiteren Verlaufe des Klassenkampfes bethätigen. Allen eventuellen Ansnahmemaßregeln zum Troß, der schärfsten Handhabung des„ ge= meinen Rechts" zum Troß, seiner Ausdeutelung zum„ gemeinſten Recht" zum Troß. In ruhiger Siegeszuversicht pfeift es auf Alles, was die Reaktion plant und thut, denn der Zeichen der Zeit Fülle verkündet immer lauter, immer gewaltiger: dem klassenbewußten Proletariat die Welt trotz alledem.
Ein Gedenktag.
Am 28. September sind es dreißig Jahre, daß sich eines der denkwürdigsten und wichtigsten Ereignisse vollzogen hat, das die Geschichte des proletarischen Befreiungskampfes aufweist, ja das als Merkstein in der Geschichte überhaupt aufragt: die Gründung der Internationale.
Am 28. September 1864 fand in der St. Martins Hall Long Acre, London , ein Meeting statt, auf welchem Engländer, Franzosen, Deutsche, Polen und Italiener zahlreich vertreten waren. Das Meeting war die Geburtsstätte der internationalen Arbeiterassoziation. Unmittelbar veranlaßt wurde es durch den letzten polnischen Aufstand. Die Londoner Arbeiter hatten Lord Palmerston durch eine von einer Deputation überreichten Adresse aufgefordert, zu Gunsten Polens einzutreten. Gleichzeitig hatten sie durch einen Aufruf die Bariser Arbeiter zu gemeinsamem Zusammenwirken aufgefordert. Die Bariser sandten darauf eine Delegation nach London , zu deren Empfang das Meeting stattfand. Auf demselben kam nicht nur der unmittelbar vorliegende Zweck zur Sprache, sondern auch die allgemeinen sozialen Verhältnisse, unter denen die Arbeiterklasse aller Länder litt. Von Nord und Süd, von Ost und West wurden die gleichen Klagen der Ausgebeuteten laut, ward die gleiche Quelle alles proletarischen Jammers aufgezeigt: die kapitalistische Gesellschaftsordnung. Die Interessengemeinschaft der Proletarier aller Länder trat klar in Erscheinung und damit auch ihre nothwendige Kampfesgemeinschaft, Verfolgung des gemeinsamen Ziels: der Befreiung der Arbeiterklasse durch die Vernichtung der Klassenherrschaft.
Das Meeting beschloß in der Folge die Gründung der internationalen Arbeiterassoziation. Es wählte einen provisorischen Zentralrath, der später den Titel Generalrath annahm, seinen Sitz in London hatte und aus den verschiedenen Nationalitäten zusammengesetzt war. Er wurde mit der provisorischen Zentralverwaltung der zu schaffenden Organisation beauftragt, sowie mit einem Entwurf der Statuten und der Abfassung einer„ Inauguraladresse". Diese Adresse, eine Art Programm der Internationale, wurde von Karl Mary verfaßt und wiederholt eindringlich das Mahnwort, welches bereits das Kommunistische Manifest den Massen der Enterbten zugerufen hatte: Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!"
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Die Gründung der Internationale bedeutet den Anbruch einer neuen Aera der Arbeiterbewegung, der Aera, welche den Sieg des Proletariats einleitet. Der Form nach ist die Internationale heute todt. Sie starb, als ihre Aufgabe erfüllt war, als sie überall das Proletariat zum Sturm gegen die Gesellschaft der Klassengegensätze gerufen, als sie ihm die Wege gezeigt hatte, die es für seine Befreiung wandeln muß, als sie den Anstoß gegeben, daß in allen Kulturländern sozialistische Arbeiterparteien entstanden, die kräftig und zielbewußt die Führung der ausgebeuteten Voltsmassen übernahmen. Und deshalb ist die Internationale heute lebendiger als je. Sie lebt überall da, wo das Proletariat flassenbewußt gegen die kapitalistische Gesellschaft kämpft. Die Losung, die Karl Mary dem Weltproletariat gegeben, ist verwirklicht. Von einer Erkenntniß, einem Willen beseelt,
Vier Jahre sind seit dem Fall des Sozialistengesetzes verstrichen. In dieser Zeit hat die fapitalistische Gesellschaft auf dem Boden des„ gemeinen Rechts" alle Machtmittel des Klassenstaats reichlich und täglich zur Bekämpfung der Sozialdemokratie auf geboten. Und diese Machtmittel sind nicht klein, und ihre Zahl ist nicht gering. Dem klassenbewußten Proletariat ist auch aufstreben die Arbeiter aller Länder dem gemeinsamen Ziele zu. Der
diese Weise nichts geschenkt worden und nichts erspart geblieben. Trotz aller Machenschaften aber schreitet es rüstig, unaushaltsam vorwärts von Sieg zu Sieg, dem Endziele entgegen. Das Gebäude der kapitalistischen Gesellschaft kracht in allen Fugen, und in gedrängten, entschlossenen Schaaren marschiren die zielbewußten Arbeiter zum Ansturm gegen den Klaffenstaat, zur Eroberung der Staatsgewalt. Aengstlich und wüthend heult die Ordnungsmente
schwarz- goldenen Internationale der Reaktion gegenüber steht kampfesfroh und siegesbewußt die rothe Internationale der Revolution. Ohne Unterschied der Nation, des Berufs, des Geschlechts um das Banner des Sozialismus geschaart, gedenken heute nicht einzelne Vorkämpfer der proletarischen Befreiung des dreißigsten Jahrestags der Gründung der Internationale, sondern gewaltige, organisirte, zielflare proletarische Armeen.