162klarung der Landbevölkerung über das Wesen und die Ziele derSozialdemokratie muß also auch mit Rücksicht hierauf die Paroleheißen.Die Sozialdemokratie erkennt einstimmig die vorliegende Noth�wendigkeit, die Masse der ländlichen Tagelöhner und Kleinbauerndem Sozialismus zuzuführen. Aber welchen Weg soll sie einschlagen, um dieses Ziel zu erreichen d Darüber gehen die Meinungenauseinander, und Aufgabe des Parteitags ist es, hier Klärungund Einmüthigkeit zu schaffen.Noch eine andere wichtige Frage liegt dem Parteitag zur Erörterung vor:„Die Bedeutung der Trusts, Ringe, Kartelle und ähnlicher großkapitalistischer Organisationen für unsere wirthschafilicheEntwicklung." Immer häufiger und in immer größerem Umfangezeigt sich die Erscheinung, daß die großen kapitalistischen llnter-nehmen einer ganzen Industrie zu einer Riesenorganisation zusammengeschlossen werden, welche zum raschen Zusammenbruch allerkleinen und mittleren selbständigen Betriebe führt, den Markt vollständig beherrscht, die Arbeiterschaft in trostlos schwerer Ausbeutungund Botmäßigkeit zu halten vermag. Die Ringe, Trusts, Kartelle zc. treiben alle Eigenthümlichkeiten und Folgen der kapitalistischen Produktionsweise auf die Spitze. Sie beschleunigen undverstärken unter anderem ganz gewaltig die Anhäufung der Produktionsmittel in einer immer kleineren Zahl von Händen undrücken also die Zeit näher, wo diese aus dem Besitz der Kapitalistenklasse in den Besitz der Allgemeinheit übergehen müssen. Sieenthalten außerdem die Ansätze zu einer gesellschaftlichen Regelungder Gütererzeugung, die heutzutage in wüstester Anarchie stattfindet.Allein innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft kommen diese Ansätze der nöthigen Regelung einzig und allein einer winzigen Minderheit der allerreichsten Kapitalisten zu gute. Für die Konsumenlenbedeuten sie eine schonungslose Plünderung durch künstlich hochgeschraubte Preise, für die Masse der Produzenten, die Arbeiterund Arbeiterinnen, bedeuten sie bedingungslose Unterwerfung unterdie Fuchtel der Lohnsklaverei. Wenn ein Ring oder Trust alseinziger Verkäufer einer bestimmten Waare auf dem Markt auftritt,so ist es ihm möglich, die Preise bedeutend in die Höhe zu treiben.Und erscheint eine solche große kapitalistische Organisation für einegewisse Industrie als einziger Käufer der Arbeitskraft auf demArbeitsmarkt, so vermag sie den sich anbietenden Arbeitern undArbeiterinnen ihre Bedingungen zu diktiren.Hier ist der Punkt, wo das Interesse der Arbeiterklasse ander Entwicklung der Kartelle in erster Linie einsetzt. Gewiß, siewird auch durch die vertheuerten Waarenpreise in Mitleidenschaftgezogen, allein von weit tiefgehenderer Bedeutung ist für dasProletariat die durch die Trusts gezeitigte Verschlechterungen derArbeitsbedingungen. Ihr entgegen zu wirken, als einem Umstand.welcher zum körperlichen, geistigen und sittlichen Verkommen derArbeiterklasse führt und dadurch ihre Befreiung hintanhält, ist eineäußerst wichtige Aufgabe der klassenbewußten Arbeiterbewegung.Ueber die Mittel und Wege hierzu hat sich der Parteitag zu Frankfurt auszusprechen. Sie liegen unseres Erachtens in doppelterRichtung: in der weiteren gründlichen Ausgestaltung des gesetzlichenArbeiterschutzes und in dem kräftigen Ausbau der Gewerkschaftenund ihrer Zusammenfassung zu Berufsverbänden, nationalen undinternationalen Organisationen. Die Sozialdemokratie hat in dereinen und anderen Richtung energisch und bewußt mitzuwirken. Siemuß der bürgerlichen Gesellschaft die umfassendste Arbeiterschutz-gesetzgebuug abtrotzen, sie muß den gewerkschaftlichen Organisationenweiteste, gesetzlich festgelegte und unantastbare Bewegungsfreiheiterkämpfen. Sie tritt vor allem in Aktion und übernimmt dieFührung, wenn das bei dem Interessengegensatz zwischen Kapitalund Arbeit unvermeidliche Aufeinanderplatzen der kapitalistischenKartelle einerseits, der gewerkschaftlich organisirten Arbeitskräfteandererseits klar den Charakter eines Ringens von Klasse zn Klasseannimmt und damit aus einem wirthschaftlichen zu einem politischenKampfe wird.Zur Frage der„Maifeier," welche gleichfalls auf der Tagesordnung des Parteitags steht, dürften keine wesentlich neuen Gesichtspunkte geltend gemacht werden. Die Verhältnisse haben sichin Deutschland für das Proletariat nicht soweit geändert, daß dieSozialdemokratie zu einem anderen als den von ihr auf dem vorjährigen Parteitag gefaßten diesbezüglichen Beschluß kommen könnte.Der Geschäftsbericht des Parteivorstandes, der Bericht überdie parlamentarische Thätigkeit und die eingelaufenen Anträge werdenwie jedes Jahr so auch diesmal Anlaß geben zu mancher scharfenKritik, zu vielen Wünschen, zu der und jener Anregung. UnserePartei hat die Kritik ihrer Angelegenheiten nicht zu scheuen, undsie empfängt dankbar jede fruchtbare Anregung. Die Verhandlungen des Parteitags zn Frankfurt werden das übrige dazu beitragen, daß die deutsche Sozialdemokratie vom alten zielbewußtenGeist und der bisherigen Kampfesbegeisternng getragen neuen Siegenzuschreitet._Arbettermnrn-Bewegung.— In der Zeit vom 15. September bis 7. Oktober fandenöffentliche Versammlungen statt in: Berlin, öffentliche Versammlungder Textilarbeiter und-Arbeiterinnen:„Erweiterung des gesetzlichenArbeiterschutzes"(Genossin Rohrlack). Die Referentin forderte: I. Erhöhung der Altersgrenze der Kinder zur Zulassung zu gewerblichenArbeiten bis zum vollendeten 14. Lebensjahre, 2. Einführung desobligatorischen Schulunterrichts bis zu diesem Alter, 3. Vermehrungder Zahl der Gewerbeaufsichtsbeamten, 4. Ein Drittel der Aufsichtsbeamten müssen Frauen sein. Oeffentliche Versammlung des Bildungsvereins für Frauen und Mädchen:„Das astronomische Weltall undder Mensch"(Genosse Pens); öffentliche Versanimlung der Kartonarbeiter und-Arbeiterinnen:„Die Maßnahmen und Zustände in derKartonfabrik von Cohn u. Friedländer"(Genosse Greifenberg): sechsöffentliche Volksversammlungen:„Der diesjährige Parteitag in Frankfurt a. M."(Genossen Täterow, Berendt, Vogtherr, Singer, Schmidt,Gerisch), Delegirtenwahl; öffentliche Versammlung der Hilfsarbeiterund-Arbeiterinnen: 1. Bericht der Agitationskommission(GenosseSchüler), 2. Bericht über die Gewerkschaftskommission(GenossinMüller); zwei große öffentliche Versammlungen der Schneider undSchneiderinnen:„Stellungnahme zu der Lohnbewegung der Schneiderund Schneiderinnen in New Jork"(Genossen Pfeiffer und Timm).Die Versammlungen erklärten einstimmig durch Resolution, den NewJorker Kollegen und Kolleginnen ihre volle Sympathie entgegenzubringen und mit allen zu Gebote stehenden Mitteln den Kampf gegendas gemeinsame Unternehmerthum führen zu wollen. Bremen,öffentliche Volksversammlung:„Die projektirte Tabaksteuer und ihreFolgen"(Genosse Bruhns); Breslau, öffentliche Volksversammlung:„Was haben die Frauen und Mädchen von der Sozialdemokratie undihren Parteitagen zu erwarten?"(Genosse Geiser). Die Versammlungwählte eine Kommission, bestehend aus sechs Frauen bezw. Mädchen,welche zusammen mit dem Referenten die Frage der Gründung einesVolksbildungs- und Unterhaltungsvereins zu erörtern hat. Charlottenburg, zwei öffentliche Versammlungen des Bildungsvereinsfür Frauen und Mädchen: 1.„Die Stellung der Frau in der Vergangenheit"(Genosse Joöl), 2.„Die kapitalistische Sinlfluth"(GenosseHoffmann); Constanz a. Bodensee:„Die indirekten Steuern undihre Folgen für die Frauen des Volks"(Genossin Zetkin); Friedrichshagen:„Der Klassenstaat, die bürgerlichen Parteien und die Sozialdemokratie"(Reichstagsabgeordneter Liebknecht); Königsee, öffentliche Volksversammlung:„Die Sozialdemokratie und die Frauenfrage"(Genossin Steinbach-Hamburg); Leipzig, öffentliche Versammlungdes Bildungsvereins für Frauen und Mädchen:„Die Pariser Kommune"(Genosse Rauh); öffentliche Versammlung der Schneider undSchneiderinnen:„Die wirthschaftlichen Kämpfe früherer Jahrhunderte"(Landtagsabgeordneter Pinkau); München, öffentliche Versammlungder Schneider und Schneiderinnen:„Die wirthschafiliche Lage imSchneidergewerbe"(Genosse Häuslmeier); Oelsnitz i. V., öffentlicheVolksversammlung:„Volkseinkommen und Lebenshaltung"(GenossinIhrer); Ottendorf-Okrilla, öffentliche Versammlung für Männerund Frauen:„Die Sozialdemokratie und ihre Gegner"(Landtagsabgeordneter Kaden); Rickenbach, öffentliche Volksversammlung:„DerMilitarismus und die Sozialdemokratie"(Genossin Zetkin); Stuttgart, öffentliche Versammlung der sozialdemokratischen Partei:„Frauenorganisation"(Genossin Zetkin); Weilimdorf, öffentlicheVolksversammlung:„Die Württemberger Landtagswahlen und dieSozialdemokratie"(Genossin Zetkin); Weißensee, öffentliche Volksversammlung: 1. Bericht über die Brandenburger Provinzialkonferenz(Genosse Bils), 2. Stellungnahme zum Parteitag in Frankfurt a. M.(Reichstagsabgeordneler Stadthagen).— Vereinsversammlungen fanden in der nämlichen Zeit stattin: Berlin, Mitgliederversammlung der Freien Vereinigung der in