Jahre 1848* sich eine große Anzahl von Gewerken zusammenthat, um sich in Versammlungen über die politischen Fragen aufzuklären, verfiel ein bürgerlicher Spaßmacher" auf den Einfall, im Leipziger Tageblatt  " eine Dienstmädchenversammlung anzuzeigen. Er hatte damit nichts weiter als eine Verhöhnung der Arbeiterbestrebungen beabsichtigt. Die Sache kam jedoch anders. Es erschienen etwa 300 Dienstmädchen in der Versammlung, und drei von ihnen schil­derten die Ueberlastung, der sie Tag für Tag ausgesetzt seien. Namentlich die Kindermädchen, so wurde ausgeführt, seien schlimm daran, sie hätten bis 10 Uhr Abends die Kinder zu hüten und dann noch am Waschfasse zu stehen. Von 5 Uhr Morgens an müßten sie mit einem Butterbrote bis Mittags aushalten u. s. w. Die betreffende Versammlung faßte keinen Beschluß. Den Leipziger Bourgeois aber war das Lachen vergangen, als sie gesehen, wie aus dem Ult" bitterer Ernst geworden war.

Unsere österreichischen Genossinnen haben bereits vor längerer Zeit eine Dienstmädchenbewegung ins Leben gerufen. Wenn bei der schmachvoll abhängigen Stellung der weiblichen Dienstboten auch nicht sofort greifbare Erfolge zu erzielen waren, so genügte doch der erste Anstoß, um eine stille aber rege Agitation von Mund zu Mund hervorzurufen, deren Früchte nur sehr langsam, aber sicher reifen.

wie

In Deutschland   zeigen sich ebenso wie in Desterreich wir bereits Eingangs hervorhoben die ersten Ansätze dazu, daß auch die Dienstmädchen zum Verständniß ihrer Klassenlage erwachen. Diese Ansätze gilt es in nicht rastender Arbeit zu pflegen, damit eines Tages auch die weißen Sklavinnen sich dem großen Heere der Unterdrückten und Ausgebeuteten einreihen, die sich eine freie, glück­liche Zukunft erkämpfen wollen.

Die Arbeiterinnenbewegung in Desterreich.

Der Anstoß zu der österreichischen Arbeiterinnenbewegung, die sich anerkanntermaßen durch ihre Zielflarheit und Energie auszeichnet, wurde nicht durch eine sogenannte Frauenbewegung gegeben, also durch eine rein bürgerliche Reformbewegung, vielmehr durch die sozialistische Arbeiterbewegung, also durch eine revolutionäre Bewegung. Im Gegensatz zu anderen Ländern war in Desterreich eine bürgerliche Frauenbewegung nicht vor einer Arbeiterinnenbewegung vorhanden, sondern umgekehrt, erst nach den kräftigen Lebensäußerungen der Arbeiterinnenbewegung kam es auch hier zu einer bürgerlichen Frauen­bewegung. Die österreichische Arbeiterinnenbewegung ist deshalb auch in ihren Anfängen nicht frauenrechtlerisch angetränkelt gewesen, frauen­rechtlerische Gesichtspunkte waren in ihr nie maßgebend, von ihrem Beginn an stand sie auf dem Boden, auf dem sie heute steht und stehen muß, so lange es eine kapitalistische Gesellschaft giebt: auf dem Boden der revolutionären Sozialdemokratie. Von jeher war sie in reinlicher Scheidung von der bürgerlichen Frauenrechtelei getrennt, deren bei weitem meiste Ziele ihr als einseitig und praktisch werth­los für die Frauen des Proletariats erscheinen mußten, so sehr sie auch für die bürgerlichen Frauen ihre Berechtigung haben. Dagegen stellte sie sich als Seitenflügel der sozialdemokratischen Arbeiterpartei dar, entwickelte sie sich in inniger Fühlung, Kampfes- und Zieles­gemeinschaft mit dieser. Die Haltung der österreichischen klassen­bewußten Arbeiter trug dazu wesentlich bei. Sehr bald sahen sie in den proletarischen Frauen nicht blos die gleich ausgebeuteten und verknechteten Klassengenossinnen, d. h. Leidensgenossinnen, sondern auch die werthvollen Mitstreiterinnen im Emanzipationskampf der Arbeit. Sie ließen daher die Frauen als gleichberechtigt in den kämpfenden Organisationen zu, sie traten dafür ein, daß das Klassen bewußtsein der proletarischen Frauenwelt geweckt, ihr das Evangelium des Sozialismus verkündet wurde, kurz, sie begünstigten und förderten Alles, was die Masse der Proletarierinnen zu zielbewußten Träger­innen freiheitlichen Strebens machte.

Während die bürgerlichen Frauen in ihren eigenen Kreisen keine sonderliche Unterstützung finden und oft genug wegen ihrer Emanzipationsbestrebungen mit den eigenen männlichen Verwandten einen harten Strauß bestehen müssen, gilt für die Arbeiterinnen das gerade Gegentheil. Was sie bis heute errungen haben, was ihrer Bewegung Selbständigkeit und Festigkeit verleiht, verdanken sie zum großen Theil der moralischen und thatsächlichen Unterstützung seitens der Männer. Die österreichischen Profetarierinnen erkennen das an und bethätigen ihrerseits ein lebendiges Solidaritätsgefühl mit allen Bestrebungen der Arbeiter. Auch dort, wo für sie selbst ein unmittel­barer Vortheil, ein unmittelbares Interesse nicht vorliegt, kämpfen sie ebenso eifrig und energisch mit, wie die an der Aktion unmittel­

167

bar interessirten Männer. Ich erinnere hier nur an die Wahlrechts­bewegung, deren Großartigkeit und Mächtigkeit gewiß vor allem auf Rechnung der numerisch stärker betheiligten Männer zu setzen ist, die aber durch die Frauen jederzeit lebhafte und kräftige Unterstützung gefunden hat. Im Vorjahre, als die Wellen der Wahlrechtsbewegung gar gewaltig ans Parlament schlugen, fanden z. B. unter anderem an einem Tage in einem Etablissement zwei Wahlrechtsversamm­lungen statt: die eine als Volksversammlung, die andere als Frauen­versammlung. Aber zwischen beiden war kein Unterschied zu bemerken. Beide große Säle bis ans letzte Winkelchen gefüllt: da und dort Frauen, da und dort Männer. Viele Wahlrechtsversammlungen waren von Frauen einberufen, wurden von Frauen geleitet, hatten Frauen als Referentinnen. Bei allen Demonstrationen, bei der März­feier und Maifeier, bei Protestversammlungen, in Arbeitervereinen aller Art, in den gewerkschaftlichen Organisationen, überall findet man dasselbe einträchtige Zusammenwirken von Männern und Frauen. Sie arbeiten zusammen in den Ausschüssen der Vereine, sie sind mit­einander in Bezirksorganisationen, in Lokalorganisationen, in den Landesausschüssen thätig. Eine Reihe von Genossinnen, von denen die meisten aus dem Arbeiterinnen Bildungsverein" hervor­gegangen sind, entfalten eine sehr rege agitatorische Thätigkeit, halten Versammlungen in den Hauptstädten und in der Provinz ab, grün­den Organisationen und beeinflussen in günstigster Weise deren Ent­wicklung und Thätigkeit.

"

Durch die Gründung des Frauen- Organisationskomites" ist es gelungen, eine gewiße Regelung in die geschäftlichen, agita­torischen und organisatorischen Angelegenheiten zu bringen. Dieses Komite besteht aus Mitgliedern der verschiedenen Bezirksvereine und Branchen- Organisationen. Seine verständige Thätigkeit hat viel dazu beigetragen, die Einigkeit zwischen Genossen und Genossinnen noch zu kräftigen, ein organisirtes Arbeiten zu erleichtern und die Grund­lage für eine zielbewußte Betheiligung der Frauen an der gewerk­schaftlichen und politischen Arbeiterbewegung zu schaffen.

Nicht zuletzt ist es die Presse, die ein wesentliches Verdienst daran hat, daß in den letzten zwei Jahren die Bewegung größer und mächtiger geworden ist, daß die Gleichgiltigkeit der in Fabriken und Werkstätten beschäftigten Arbeiterinnen zu weichen beginnt. In allen größeren Fabriken, wo Frauen arbeiten, giebt es wenn auch oft nur in geringer Zahl Abonnentinnen auf die österreichische ,, Arbeiterinnen- Zeitung". Die Furcht vor Denunziation, vor einer Maßregelung, hindert vielfach, daß das Blatt frei in den Fabriken verbreitet wird. Trotz alledem dehnt sich der Leserkreis der ,, Arbeiterinnen- Zeitung" immer mehr aus, Dank der Ausdauer und Opferfreudigkeit der kämpfenden Genossinnen und Genossen.

-

Die Frage, ob sich die Frauen besser nur an der gewerkschaft­lichen Bewegung betheiligen sollten, wurde wohl innerhalb der öster­reichischen Arbeiterinnenbewegung erörtert, hat aber keinen Einfluß auf sie geübt. Ein Theil der Frauen wünschte allerdings, daß sich die weiblichen agitatorischen Kräfte mehr in den Dienst der gewerk­schaftlichen Bewegung stellen und ihr Wirken auf Fach- oder doch Bildungsvereine konzentriren möchten. Im Allgemeinen überwog aber doch bei weitem die Ansicht, daß sich die Arbeiterinnen, ebenso wie die Arbeiter, sowohl auf politischem wie auf gewerkschaftlichem Gebiete bethätigen müßten. Gewerkschaftliche und politische Bewe­gung sind nur zwei verschiedene, einander ergänzende Seiten ein und des nämlichen Kampfes für die Befreiung der Arbeit. Die Arbeiterin aber wird durch ihre Lebensverhältnisse dazu gezwungen, auf wirthschaftlichem und auf politischem Gebiete Seite an Seite mit ihrem Klassentgenossen zu streiten, denn durch die gewerkschaftliche Organisation muß sie ihres Lebens Nothdurft vertheidigen, durch den politischen Kampf muß sie ihre endgiltige Befreiung erringen. Wie in der österreichischen Arbeiterbewegung überhaupt kein Gegensatz zwischen Nurgewerkschaftlern" und" Nurpolitikern" zu Tage getreten ist, so sucht auch die Arbeiterinnenbewegung die Masse der Prole­tarierinnen gleichzeitig den gewerkschaftlichen Organisationen und dem politischen Kampf zuzuführen. Die nämlichen Genossinnen, welche an der politischen Agitation hervorragenden Antheil nehmen, wirken auch energisch für die gewerkschaftlichen Organisationen, in denen sie nicht selten irgend ein Amt bekleiden.

Der erste österreichische Gewerkschaftskongreß, der zu Weihnach­ten 1893 in Wien   stattfand, zeigte, daß leider nur ein ganz geringer Prozentsatz der Arbeiterinnen gewerkschaftlich organisirt ist. Wenn man aber bedenkt, in wie kurzer Zeit die gewerkschaftliche Bewegung in Desterreich einen so erfreulichen Aufschwung genommen hat, und wenn man sieht, mit welcher Thatkraft an der Aufklärung der Ar­beiterinnenmassen gearbeitet wird, so kann man wohl hoffen, daß die

* Siche ,, Die deutsche Revolution" von Wilhelm Blos  ( Stuttgart  , Frauenbewegung auf gewerkschaftlichem Gebiete sich in aufsteigender

J. H. W. Dietz).

Linie entwickeln wird. Viel muß hier noch gethan werden, aber es