Nr. 13 der„ Gleichheit gelangt am 26. Juni 1895 zur Ausgabe.
Du giebst mir keine Antwort!.... o, so gehe, Kehr zu verlorner Stunden Müßiggang,
Zum goldnen Kalb zurück;
Zu Karten, Bällen, Dirnen, Becherklang,
Mir sind nicht feil mein Herz, mein Kuß und Blick. Owärest du ermattet und zerlumpt,
Doch mit dem Stolz der Arbeit im Gesicht,
Dem Funken in der Brust;
Die Arme müde, doch ein helles Licht Im großen Auge strahlend dir vor Lust. Wärst ein Plebejer du, doch unerschrocken; Hoch über aller Menschheit Haß und Neid Höbst du die stolze Stirn, Und der Gedanken unermeßlichkeit Erglühte fiebrisch dir im fühnen Hirn.
Dann, ja, dann liebt' ich dich, um deine Thaten Und um dein ehrlich Leben liebt ich dich,
An tapfrer Arbeit reich.
An deine Brust mein Haupt dann lehnte ich, Stolz dich zu achten und vor Liebe bleich!....
Doch was bist du?... Was hoffst du, schwacher Sklave, Der wohl sich fühlt im goldnen Schlamm, von mir! Mach Platz mir, tritt bei Seit'!
Du bist mir nichts, Verachtung weih' ich dir,
Du freier Schwächling einer schwachen Zeit!....
Aus der Gedicht sammlung„ Schicksal"( Fatalità), deutsch von Hedwig Jahn. Berlin , Verlag von Alex. Dunder.
Kleine Nachrichten.
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tönnen in 15 Stunden zehn Unterhosen fertigstellen, so daß eine jede von ihnen einen Tagesverdienst von 50 Pf. hat für 15 stündiges Schaffen. Für die Zeit, welche beim Abholen und Abliefern von Arbeit verloren geht, giebt es natürlich keine Ent schädigung, als Zugabe wird den Näherinnen höchstens noch grobe Behandlung zu Theil. Auch in anderen Wäschegeschäften ist der Verdienst nicht besser. Das Nähen eines Dugend Damenhemden wird in der Regel entlohnt mit 1 Mt. 30 Pf. bis 2 Mt. 10 Pf., bei sehr guter Waare, die sorgfältig gearbeitet werden muß, mit 3 Mt. 60 Pf. bis 4 Mt. 20 Pf. Besonders niedrig stellt sich der Verdienst der Schürzennäherinnen; sie erhalten für das Dußend Wirthschaftsschürzen 60 bis 80 Pf. Arbeitslohn. Schlecht ent lohnt werden auch die Arbeiterinnen, welche sogenannte„ Arbeits hemden" nähen, deren Anfertigung viel Mühe verursacht. Sie er halten pro Dutzend 90 Pf. bis 1 Mt. 5 Pf., im günstigsten Falle 1 Mt. 30 Pf. Das Anfertigen eines Dutzend wollener Damen beinkleider wird mit 80 Pf. entlohnt. Von all den genannten Gegenständen kann auch die geübteste und fleißigste Näherin nicht mehr als höchstens ein Dutzend pro Tag fertigstellen und auch das nur bei schier unbeschränkt langer Arbeitszeit, bei Zuhilfenahme der Nachtstunden. Man kann sich demnach vorstellen, wie färglich der Verdienst und wie ungemein jämmerlich die Lebensverhältnisse der betreffenden Arbeiterinnen sind.
Kurze Arbeitszeit und höherer Lohn gehen Hand in Hand, das erhellt u. A. auch aus den Angaben, welche der englische Fabrikinspektor Redgrave im Inspektorenbericht von 1860 über die Löhne machte, welche in den Baumwollfabriken in Manchester vor und nach der Einführung des Zehnstundentages gezahlt wurden.
Es betrug der Lohn
Duplirerinnen.
Abnehmer Taglöhner
1839
69 Stunden wöchentl. Arbeitszeit 16-18 Schilling
1859
60 Stunden wöchentl. Arbeitszeit 20-22 Schilling
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Auch in den anderen Zweigen der Textilindustrie, welche dem Fabrikgesetz unterstellt worden waren, zeigte sich ein Steigen der Löhne. Diese Lohnerhöhung erklärt sich keineswegs durch eine all gemein steigende Lohnbewegung der Zeit. Redgrave untersuchte die Höhe der Löhne 1839 und 1859 in verwandten Industriezweigen, wo die Arbeitszeit unverändert lang geblieben war und gute Konjunktur Gelegenheit zu„ Mehrverdienst" gegeben hatte. Hier waren die Löhne in der gleichen Zeit gefallen. Wenn sich die Kapitalisten aus Rück sicht auf den angeblich geringeren Verdienst der Arbeiter und Arbei terinnen widersetzen, so ist das eitel Geflunker. Der kürzere Arbeits tag bringt erfahrungsgemäß der Arbeiterklasse auch wirthschaftliche Vortheile.
Gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen in Berlin . Die Berliner Gewerkschaftskommission hat statistische Zu sammenstellungen veröffentlicht über die Zahl der Arbeiter und Arbeiterinnen, welche in der zweiten Hälfte des Jahres 1894 in der Reichshauptstadt beschäftigt waren und gewerkschaftlichen Organisationen angehörten, und zwar zentralisirten wie lokalen. Die statistischen Angaben beziehen sich auf die Arbeiterschaft folgender acht Industriegruppen: Nahrungs- und Genußmittel; Bedienung, Handel und Verfehr; Baugewerbe; Metallindustrie; Holzindustrie; Bekleidung, Putz, Stoffe und Leder; Graphische Gewerbe, Buch- und Papierindustrie; Verschiedene Gewerbe. In diesen acht. Industriegruppen waren in der angegebenen Zeit 395 195 Männer und 123 749 Frauen und Mädchen beschäftigt. Davon gehörten den gewerkschaftlichen Organisationen an: 37022 männliche und nur 1410 weibliche Arbeiter. Von den in den angeführten Industrien beschäftigten Männern gehören also 9,36 Prozent den gewerkschaftlichen Organisationen an, von den weiblichen Arbeitskräften, die Frauenstudium in Rußland . Für das medizinische Frauen hier in Frage kommen, sind dagegen nur 1,1 Prozent organisirt. institut in St. Petersburg sind nach dem Petersburger„ Herold" bereits 53 321 Frauen und Mädchen sind z. B. in der Industriegruppe be- 700 000 Rubel an freiwilligen Spenden eingelaufen. Eine Familie schäftigt: Bekleidung, Puzz, Stoffe und Leder, davon gehören 841 den schenkte zu Gunsten des Instituts 60 000 Rubel, eine große Anzahl Organisationen an, d. h. 1,5 Prozent; in den graphischen Gewerben, der übrigen Beiträge schwankt zwischen 500 und 10 000 Rubeln. Eine der Buch- und Papierindustrie arbeiten 9356 Frauen und Mädchen, Dame verpflichtete sich zu einem jährlichen Beitrag von 5000 Rubel. von denen 2,5 Prozent organisirt sind, nämlich 243. In anderen Wie verschiedene russische Blätter melden, soll vom nächsten Schul Industrien sieht es noch weit trauriger aus um die gewerkschaftliche jahre ab an allen Universitäten, an denen medizinische Vorlesungen Organisation der Arbeiterinnen. Da aber die Arbeiterin in ihrer gehalten werden, den Frauen der Zutritt erlaubt sein. Die russische Eigenschaft als Frau eine härtere Ausbeutung erfährt als wie der „ Gesellschaft", d. h. die„ durch Besitz und Bildung einflußreichen Arbeiter, vor allem durchgängig weit niedriger entlohnt wird, als er, Streise", steht im Großen und Ganzen schon seit Jahrzehnten der so bedarf sie noch weit dringender als der proletarische Mann des Frage der Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts mit einem Schutzes und der Macht der gewerkschaftlichen Organisation. Im Verständniß und einer Vorurtheilslosigkeit gegenüber, welche das Interesse der Arbeiterin ist es also geboten, für möglichst umfang spießbürgerliche Zopfthum der Gebildeten" anderer Länder, ganz reiche Einbeziehung der weiblichen Arbeitskräfte in die Gewerkschaftsbesonders aber Deutschlands , tief beschämt. Und sogar die despotische organisationen zu wirken. Und da die gering entlohnte, unaufgeklärte und nichtorganisirte Arbeiterin zur Schmußkonkurrentin des Mannes wird, seine Arbeitsbedingungen verschlechtert, ihn eventuell ganz aus
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russische Regierung hat von etlichen reaktionären Schwankungen abgesehen- im Allgemeinen in Sachen des Frauenstudiums sich als
weit fortschrittlicher erwiesen, wie die deutsche Reichsregierung und Lohn und Brot verdrängt, so ist die Aufklärung und gewerkschaftliche die Regierungen der einzelnen deutschen Herrgottsvaterländchen. Daß
Organisation der weiblichen Arbeitskräfte eine Nothwendigkeit zum Schutze des Arbeiters gegen die kapitalistische Profitgier. Im Interesse der männlichen Arbeitskräfte liegt es also gleichfalls, ihre Schwestern der Arbeit und des Elends möglichst zahlreich den Gewerkschaftsorganisationen zuzuführen.
Hungerlöhne für weibliche Arbeit sind auch in München an der Tagesordnung. Eine Militäreffektenfabrik zahlt für das Anfertigen eines Unterbeinkleides 8, eines Bettüberzugs 7 Pf., von zwei Handtüchern einen ganzen Pfennig. Dabei muß die Näherin den Zwirn aus ihrer Tasche zahlen. Zwei flotte Näherinnen
in dem Erfassen einer Kulturfrage die Welt der Besitzenden und Gebildeten und die Regierungen in Deutschland hinter Rußland zurück stehen: fürwahr, es giebt keine schärfere Kritik ihrer diesbezüglichen Haltung, als diese bloße Thatsache.
Quittung.
Frau M. v. Hofstetten.