auch nur an einem einzigen von etwa 300 Arbeitstagen daraufhin besichtigt wird, ob in ihm die dürftigen Gesezesbestimmungen zum Schuße der Arbeiter und Arbeiterinnen beobachtet werden.
Der preußische Staat, der bescheiden zu sein weiß, wo ihm sein Wesen Bescheidenheit zur höchsten Pflicht macht, hat auch unbeschadet seiner sozialreformatorischen Verheißungen von vornherein auf diese Möglichkeit bescheidenlich verzichtet. Die„ Dentschrift betreffend die künftige Regelung der Gewerbeinspektion", welche 1891 vom Minister für Handel und Gewerbe veröffentlicht wurde, schäßt die Zahl der im Jahre einem Aufsichtsbeamten möglichen Revisionen auf 500. 165 Fabrikinspektoren könnten also dieser Berechnung nach im Jahre nur 82 500 der zu revidirenden 451 453 Anlagen besichtigen, so daß jeder Betrieb im Mittel alle fünf Jahre einmal von der Fabrikinspektion„ belästigt" würde. Diese Ziffern zeichnen ein Bild anmuthigen Stilllebens der Mehrwerthpresserei, die, ungestört von wißbegierigen, pflichteifrigen Aufsichtsbeamten, abseits von dem Wege der gesetzlichen Vorschriften stillvergnügt ihre Pfade zu wandeln vermag. Aber wie unendlich weit bleibt dieses Bild noch hinter der Wirklichkeit zurück!
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die Regierungsbezirke Arnsberg , Köln , Hildesheim und Lüneburg , Merseburg , Schleswig , Breslau , Oppeln , Frankfurt a. D. 2c. Der Bericht für den Regierungsbezirk Aachen enthält den Stoßseufzer: „ Die Kesseluntersuchungen in Verbindung mit dem erheblichen Schreibwerk nehmen reichlich die Hälfte der Zeit in Anspruch." In den Regierungsbezirken Hannover und Münster und in der Provinz Ostpreußen entfielen auf die Kesselrevisionen„ annähernd" oder sogar mindestens zwei Drittel der gesammten dienstlichen Thätigkeit der Beamten"; in der Provinz Posen und im Regie rungsbezirk Minden wurde von den Kesselgeschäften etwa drei Viertel der Thätigkeit in Anspruch genommen". Die Aufsichtsbeamten von Trier , Köln und Liegnig meinen, daß die Trennung von Kesselrevision und Fabrikinspektion wünschenswerth ist, bezw. daß eine entsprechende Vermehrung von Hilfskräften in der Inspektion stattfinden muß.
Ganz unhaltbar müssen die Zustände bezüglich der Fabrikinspektion liegen, wenn die im Getriebe des preußischen Staatslebens meist zu bureaukratischen Mustermenschen gedrillten Beamten die Unzulänglichkeit derselben anerkennen. Viele dieser Herren setzen bekanntlich in der Regel ihren Männerstolz nicht eben darein, An
Stelle" nicht decken. Ihre trockenen, geschäftsmäßigen Mittheilungen reden deshalb ganze Bände von der absoluten Mangelhaftigkeit der Fabrikinspektion, werden zur aufreizenden Kritik der Wege, auf denen die deutsche Sozialreform rückwärts schreitet.
Aus den Berichten der preußischen Gewerbeinspektoren für 1894 geht hervor, daß jeder der 165 Aufsichtsbeamten im Jahresdurchsichten zu äußern, welche sich mit der Auffassung an„ vorgesetzter schnitt statt der angenommenen 500 Revisionen deren nur 263 vorgenommen hat. In dem genannten Jahre wurden nämlich in 43 482 Inspektionen 34 345 Betriebe revidirt. Die Zahl der Revisionen blieb mithin fast um die Hälfte hinter der Annahme des Handelsministeriums zurück. Noch nicht 10 Prozent der im Jahre 1882 inspektionspflichtigen Gewerbeanlagen wurden 1894 von der Revision erfaßt. Die letzte Berufsund Gewerbezählung wird aber sicher klärlich erweisen, daß eine bedeutende Zunahme der zu revidirenden Betriebe stattgefunden hat. Das Verhältniß zwischen der vorhandenen Aufgabe und ihrer Lösung ist mithin ein noch weit ungünstigeres, als aus den Zahlen erhellt, welche in aufreizendster Weise von der deutschen bezw. preußischen Sozialreform reden.
Es liegt auf der Hand, daß die Verquickung von Kesselrevision und Fabrikinspektion für diesen jammerhaften Stand der Dinge zum großen Theil mit verantwortlich ist, daß sie verbösert, was ohnehin schon bös genug ist. Leider ist der Bericht der Fabrikinspektoren wie in vielen anderen Beziehungen auch darin mangelhaft, daß er keine Gesammtübersicht der Kesselrevisionen enthält. Aber aus den Zahlenangaben einzelner Beamten läßt sich ersehen, wie ungemein schädigend die Kesselrevision die eigentliche Fabrik inspektion beeinflußt. In Breslau z. B. wurden von 8 Beamten 1330 Gewerbeinspektionen und 1310 Kesselrevisionen vorgenommen. Auf den Beamten kamen also durchschnittlich 330 Revisionen, von denen er 164 für die Kesselprüfung aufwenden mußte, so daß für seine eigentliche Aufgabe nur 166 Besichtigungen übrig blieben. Dabei ist festzuhalten, daß die Kesselrevisionen einen großen Zeitaufwand erfordern, so daß ihre Zahl allein noch gar nicht einmal den Maßstab dafür giebt, in welchem Umfange sie die Gewerbeinspektion beeinträchtigen und bis zu einem gewissen Grade ganz illusorisch machen.
Als bloßes dekoratives Beiwert, als sozialreformatorischer Blender erscheint denn auch die Fabrikinspektion im Lichte der diesbezüglichen Aeußerungen der meisten Gewerbebeamten. Noch im Berichtsjahre 1893 wagten, wenn wir nicht irren, nur drei der selben der ministeriellen Auffassung entgegen das Widersinnige der Verquickung von Kesselrevision und Fabrikinspektion submisseft zu beklagen. Im Berichtsjahre 1894 dagegen stimmen fast alle Gewerbebeamten darin überein, daß ihre eigentliche Aufgabe, die Fabritinspektion, hinter der Kesselrevision zurücktritt. In den Berichten der Gewerbebeamten für die Regierungsbezirke Trier , Düsseldorf , Kassel , Liegnis, Potsdam und der Provinzen Pommern und Westpreußen heißt es, daß die Kesselprüfungsgeschäfte den „ größten Theil" oder den„ überwiegenden Theil" der Thätigkeit der Beamten oder fast die ganze Zeit" derselben in Anspruch nimmt. Auf den eigentlichen Gewerbeaufsichtsdienst fonnte leider nur eine verschwindend geringe Zeit ver wendet werden", fügt der Bericht für die Provinz Pommern vielsagend hinzu. Aehnlich äußern sich die Gewerbebeamten für
Uebrigens zeitigt die Verquickung von Kesselrevision und Fabrikinspektion für lettere nicht blos die gekennzeichneten Folgen. Eine bedeutende Anzahl von Besichtigungen der Betriebe macht sie bezüglich der Ueberwachung der Arbeiterschußzbestimmungen durchaus werthlos. Es ist bekannt, mit welcher Virtuosität und Dreistigkeit das schienenflickende und steuernhinterziehende„ gefeßliebende" Unternehmerthum sich über Bestimmungen hinwegzusetzen pflegt, welche seinen sakrosankten Profit um ein Titelchen schmälern. Für die strikte Durchführung der gefeßlichen Vorschriften zum Schuße der Arbeiterschaft bürgt deshalb die Fabrikinspektion nur dann, wenn sie plöglich, unvermuthet geschieht. Die regelmäßigen inneren Revisionen, welche bei feststehenden Kesseln alle vier, bei beweglichen alle drei und bei Schiffsdampffesseln alle zwei Jahre stattfinden, machen die Einstellung des Betriebs nothwendig und müssen deshalb mindestens vier Wochen vorher angezeigt werden. Das„ geseßliebende" Unternehmerthum hat also in diesem Falle schönste Gelegenheit, dem Kesselrevisor und Auch- Fabrikinspektor Potemkin'sche Dörfer von Musterbetrieben" vorzuführen, die durchaus den gesetzlichen Vorschriften entsprechen.
Die Zusammenkuppelung von Kesselrevision und Fabrikinspektion veranlaßt außerdemt, daß bei der Ernennung von Gewerbebeamten in erster Linie deren technische Vorbildung berücksichtigt wird und nicht ihre sozialpolitischen Kenntnisse, ihr Verständniß für die Lage und die Interessen der Arbeiterschaft. Hinter ihr, hinter der von ihr bedingten nöthigen technischen Ausbildung" verschanzt man sich, um die Nichtheranziehung von Arbeitern und Arbeiterinnen zur Gewerbeinspektion fadenscheinig zu begründen.
Mit Fug und Recht hat die Sozialdemokratie von Anfang an die Verquickung von Kesselrevision und Fabritinspektion bekämpft als eine Ungeheuerlichkeit, einen Widersinn. Die Gewerbeaufsicht sollte eine Einrichtung sein zum nothdürftigen Schutze der Arbeiter und Arbeiterinnen. Dank ihrer Verquickung mit der Kesselrevision dient sie hauptsächlich der Förderung der Unternehmerinteressen. Die deutsche Sozialreform will keine Fabrikinspektion, die„ ausschließlich für die Arbeiterschaft da wäre", ihr Wesen kennzeichnet trefflich und vernichtend die Kesselrevision, nebenbei auch Fabrikinspektion.
In Brüssel begann ein umfangreiches, inniges Zusammenarbeiten von Engels und Marx auf wissenschaftlichem und praktischem Gebiete, denn Beide waren nicht blos Denker, auch Männer der That, Männer des revolutionären Denkens, Männer der revolutionären That. Ihr wissenschaftliches und praktisches Thun stellten sie ausschließlich in