Arbeiterschutz". Ihr gegenüber handelt es sich schon längst nicht mehr um eine Klärung der Auffassung innerhalb der Sozial­demokratie, sondern um die Umsetzung einer flaren Auffassung in eine mit aller Energie geführte Aftion. Eine solche liegt u. A. ganz besonders im Interesse des weiblichen Proletariats. Viele Zehntausende proletarischer Frauen, Mädchen und Kinder zartesten Alters gehen durch die schamlose hausindustrielle Ausbeutung der Gesundheit und Lebenskraft verlustig, vegetiren in kulturunwürdigen Jammerverhältnissen, werden mit dem Elend der Schande über­liefert. Die diesbezüglichen Erörterungen können deshalb der regsten Aufmerksamkeit der Genossinnen sicher sein, die zur Frage gefaßten Beschlüsse ihrer gewissenhaften und energischen Unterstützung.

In ernster Zeit und zu ernster Arbeit finden sich die Ver­treter der klassenbewußten Proletarier und Proletarierinnen in Breslau zusammen. Glück auf zu ihrem Rathen und Thaten!

Im Zeichen der Köllerei.*

-

154

Polizeiallgewalt und Juristenweisheit innig gesellt, setzen im Zeichen der Köllerei den Kampf gegen die Arbeiterinnenvereine munter fort. Im Mai dieses Jahres wurde bekanntlich der Arbeiterinnen­Bildungsverein für Friedrichsberg und Ümgegend" poli­zeilich geschlossen. Die erste Straffammer am Landgericht II. Berlin hatte über die Rechtsgiltigkeit der erfolgten Polizeiverfügung zu ent­scheiden, gleichzeitig aber auch in Sachen einer Anklage zu befinden, welche gegen den früheren Vorstand des Vereins, die Genossinnen Swendt, Liepe und Köhn erhoben worden war. Natürlich sollten die Angeklagten gegen§ 8a des preußischen Vereinsgesetzes vom 11. März 1850 gesündigt haben. Die Anklageschrift bezichtigte sie, in einem Vereine, der nur weibliche Personen als Mitglieder auf­nahm, die Erörterung politischer Themata zugelassen zu haben, so daß der Verein zu einem politischen wurde, dem weibliche Personen nicht angehören dürfen. So soll schrecklich zu sagen in den Versammlungen zum Anschluß an die sozialdemokratische Partei und zur Agitation für die sozialdemokratische Anschauung aufgefordert worden sein. Auch ward der fezzerischen Anschauung Ausdruck ge­gegeben, daß das weibliche Geschlecht der gleichen politischen Rechte wie das männliche bedürfe. Und um das Sündenmaß voll zu machen, sollen in anderen Vorträgen gar die Kampfesmittel der modernen Arbeiterbewegung" und die Anstrebung der sozialen Gleichberech tigung von Mann und Frau" empfohlen worden sein. Genossin Swendt stellte der Anklage entgegen, der Verein sei begründet worden, weil sie und die Mitglieder sich bilden wollten. Die Redner, welche in den Vereinsversammlungen referirten, seien ihr vorher nicht be­kannt gewesen. Diese Aussage veranlaßte den Vorsitzenden des Ge­richtshofs zu dem Ausrufe: Sie wollten sich bilden lassen durch Leute, die Sie gar nicht kannten? Da wendet man sich doch an Leute, von denen man weiß, daß sie Bildung besitzen!" Frau Swendt erklärte daraufhin, daß die von ihr zugezogenen Vortragenden, wie sie aus Zeitungsberichten ersehen, vorher in anderen Vereinen gesprochen hätten. Sie sei dadurch auf sie aufmerksam geworden und habe vor­ausgesetzt, daß sie genügend Bildung befäßen, um die Ziele des Ver­eins durch Vorträge fördern zu können. Was das Uebergreifen der Referenten auf politisches Gebiet anbetrifft, so erklärten die drei An­geklagten, politisch nicht so weit geschult zu sein, um zu verstehen, wenn Ausführungen politische Fragen streiften. Als Belastungszeugen gegen die Uebelthäterinnen waren drei Gensdarmen geladen, welche mit militärischer Strammheit die allerdings hochgefährliche und höchst verbrecherische Thatsache bekundeten, in dem Verein hätten alle be­fannten Rednerinnen der sozialistischen Frauenvereine und auch ver­schiedene männliche Sozialdemokraten gesprochen". Welche Wendung durch Gottes Fügung, daß der gute, sanfte preußische Staat solche Greuel überlebt hat! Da die Verwerflichkeit der Organisation und die Morithaten der drei Angeklagten derart klärlich erwiesen waren, beantragte der Staatsanwalt außer der gerichtlichen Bestätigung der Schließung des Vereins für jede der Genossinnen 14 Tage Ge­fängniß. Auf Gefängniß müsse erkannt werden, so führte er aus, weil eine Geldstrafe die Angeklagten nicht treffen würde, da diese doch nur der Verein bezahle. Der Verthei­diger, Rechtsanwalt Heine, bestritt, daß die sozialdemokratische Partei ohne Weiteres als eine politische Partei und ihre Redner als politische zu betrachten seien. Jedenfalls seien die in Betracht kommenden Vor­träge keine politischen gewesen, und einzelne politische Abschweisungen bewiesen durchaus nicht den politischen Charakter des Vereins. Er

* Wegen Raummangels verspätet.

bitte um Aufhebung der Schließung des Vereins und im schlimmsten Falle um eine geringe Geldstrafe. Diese würde die Angeklagten sicher und sehr schmerzlich treffen, denn wer solle sie zahlen. Der Verein sei geschlossen und habe noch Schulden hinterlassen. Der Staatsanwalt, der von Amtswegen Alles wissen muß, wußte den Ausführungen des Vertheidigers zu entgegnen, daß seines Wissens der Verein noch immer im Geheimen fortbestehe und neue Mitglieder auf­nehme. Da aber das staatsanwaltliche Wissen in den luftigen Höhen einer bloßen Annahme schwebte, fiel die Verurtheilung nicht ganz nach dem Herzen und Willen des Anklägers aus. Der Gerichtsspruch lautete auf Schließung des Vereins und auf 50 Mt. Geldstrafe, gleich 10 Tagen Gefängniß für jede der Angeklagten. In Folgendem die Begründung, deren kühne Logik das Beweisvermögen unserer Juristen im hellsten Lichte erstrahlen läßt: Der Verein nahm nur Frauen auf. Die ge­haltenen Vorträge waren zum Theil politisch. Schon die Themata ließen dies zum Theil erkennen. Es war nicht ausgesprochener Zweck des Vereins, Politik zu treiben, doch waren die Themata so gewählt, daß man auf den Inhalt schließen konnte. Nach einem solchen Vor­trage konnte man auch auf die Folge schließen. Die Angeklagten wußten das, zogen aber fortgesetzt nur Parteiredner zu. Für den Zweck der Bildung haben sie nur sehr wenig gethan. Wer sich bilden will, muß nach allen Richtungen Bildung suchen; in einem solchen Verein müssen Redner aller Denkungsarten zugezogen werden. Die einseitige Zuziehung von Rednern einer Partei läßt auf die Absicht schließen, diese einseitige, zur Politik drängende Bildung zu fördern. Der Jude muß verbrannt werden." Die harmlosesten Um­stände und die wunderbarsten Begründungen werden zum Scheiter­haufen zusammengetragen, auf dem die proletarische Frauenbewegung schmoren soll. Trotzdem aber schaaren sich immer größere Kreise der Frauenwelt um das Banner der Sozialdemokratie. Im Zeichen der Köllerei! Wie wär's mit der Stiftung eines sozialdemokratischen Ehren­zeichens für unfreiwillig geleistete Dienste der großen und kleinen

Köller?

Das Proletariat vergikt seine Todten nicht.

Am 28. August war es ein Jahr, daß eine der Edelsten und Besten, daß Genossin Wabnitz freiwillig aus dem Leben schied. Eine schier erdrückende Fülle herrlicher Blumenspenden, überragt von einer großen aus Disteln und Dornen geflochtenen Krone, zeugte an ihrem Todestage davon, daß Tausende und aber Tausende in Trauer und Dankbarkeit der seltenen Frau gedachten, die mit selbstlosester Hingebung, unvergleichlicher Energie und leidenschaftlicher Begeisterung lange Jahre im Vordertreffen von der Arbeit heil'gem Krieg gestan­den hat. Zahlreiche Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen pilgerten im Laufe des Tages zu der Grabstätte.

Zu einer erhebenden Feier gestaltete sich die Denkmalsenthüllung, welche am 8. September stattfand. In sehr stattlicher Anzahl hatten sich klassenbewußte Proletarier und Proletarierinnen auf dem Friedhof der Freireligiösen Gemeinde eingefunden, wo so mancher treue Vor­kämpfer der Volksfreiheit ruht. Auch die Polizei hatte der ange­kündigten Denkmalsenthüllung die verdiente Aufmerksamkeit geschenkt. Ein recht ansehnliches Aufgebot von Schußleuten war mit der Mission betraut, die Sicherheit der Stadt gegen eventuelle Uebergriffe der Rotte zu schützen, welche sich zu ernster Feier zusammengefunden hatte. Doch hielt sich die Polizei außerhalb des Friedhofs, während in seinen Mauern selbstbestellte Ordner in bester Weise für Ordnung sorgten. Eingeleitet wurde die schlichte Feier durch ein vom Gesang­verein Nord" gestelltes Quartett, welches das Lied vortrug: Ein Kind des Volkes wollt sie sein". Unter den letzten verklingenden Akkorden fiel die Hülle des Denkmals, das durch freiwillige Spenden aus Genossenkreisen ermöglicht und vom Genossen Mesch mit selbst­loser Hingebung gearbeitet worden ist. Aus Sandsteinblöcken zusammen­gesetzt, stellt es eine Felsenpartie dar, die symbolisch zerrissen und zer­tlüftet, eckig und kantig ist. Eine eingefugte polirte Granitplatte trägt in unvergänglicher Schrift folgende Widmung:

Unserer unvergesslichen Genossin

Agnes Wabnitz geb. 10. Dezember 1842 gest. 28. August 1894.

Edelsinn, Biederkeit war Deine Zier, Wahrheit, Gerechtigkeit hiess Dein Panier. Ob Du im Grab auch liegst, Es klinget fort und fort Wacker Dein Losungswort:

Freiheit Du siegst!

Grab und Denkmal schmückten abermals reichste Blumen- und Kranzspenden. Prächtige Kränze waren der unvergeßlichen Todten