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gegründet The Association of Factory Inspektors of Amerika -, welcher eine möglichst einheitliche Gestaltung der Fabrikgesetzgebung in allen Bundesstaaten anstrebt und der wiederholt auf die dringende Nothwendigkeit hinwies, einen durchgreifenden Schutz der Kinderarbeit gefeßlich festzulegen. Es kennzeichnet die sozialpolitische Einsicht von Frau Kelley, daß sie dem Wirken der Arbeiterorganisationen einen hervorragenden Einfluß auf die Ausgestaltung und Durchführung der Fabrikgesetzgebung beimißt. Wesentliche Unterstützung in der Vor­bereitung der Gesetzesvorlagen", schreibt sie, finden die Inspektoren selbstverständlich in dem Wirken der Arbeitervereinigungen, ohne deren fräftigen Beistand trotz aller Bemühungen der Inspektoren die Fabrik­gesetzgebung wohl noch nicht einmal ihre gegenwärtige mangelhafte Gestalt erlangt hätte. In den Staaten aber, wo die Arbeiterbewegung träge oder ganz korrupt, dort bleibt alle Fabrikgesetzgebung, besonders wenn dazu noch ungeeignete Personen als Fabrifinspektoren thätig sind, ein leerer Schall." Man vergleiche mit dieser einsichtsvollen Aeußerung die Auslassungen, durch welche deutsche Fabrikinspektoren gelegentlich bekunden, wie verständnißuninnig sie den wirthschaftlichen Zuständen und der Bedeutung der Arbeiterorganisationen gegen­überstehen.

Florence Kelley's letzte Arbeiten bestätigen jedenfalls wieder ein­mal die Binsenwahrheit, daß auch in einer demokratischen Republik das Proletariat nicht einmal dort, wo es am nöthigsten wäre, nämlich in Betreff der Kinderarbeit, durchgreifenden Schutz gegen die kapi­talistische Profitgier findet, so lange die Kapitalistenklasse sich des Voll­besizes der politischen Macht erfreut. Sie beweisen aber auch aufs Neue, daß eine Frau mit energievoller Gewissenhaftigkeit und flarem Verständniß die Amtspflichten der Fabrikinspektion zu erfüllen ver­mag. Laut und eindringlich unterstützen sie die Forderung der deutschen Proletarierinnen auf Anstellung weiblicher Fabrifinspektoren, eine Forderung, der sich nur das mit Unkenntniß der einschlägigen Ver­hältnisse gepanzerte Vorurtheil widersetzt.

Chinesen als Dienstmädchen in Amerika .

Im Vergleich zu den Zuständen, unter denen in Deutschland die Dienstmädchen in der Zucht der mittelalterlichen Gesindeordnung sich abplagen und nicht selten ihre Frau Oberförster Gerlach finden, war Amerika lange eine Art Dorado für die Mädchen dienenden Standes". Hunderte von deutschen Mädchen aus den Kreisen des Proletariats, des Kleinbauernthums und Handwerkerstandes wanderten alljährlich nach den Vereinigten Staaten aus, um als Köchinnen, Kinderwärte­rinnen und Mädchen für Alles" ihr Brot unter etwas angenehmeren Bedingungen als im Vaterlande zu erwerben. Die geringere Zahl der weiblichen Bevölkerung, die größere Möglichkeit einer Eheschließung für die Frau bewirkten, daß die Nachfrage nach Dienstmädchen das Angebot von solchen überstieg. Daher höhere Löhne, günstigere allgemeine Arbeitsbedingungen, menschenwürdige Behandlung der weiblichen Dienstboten in Amerika . Eine Schilderung der einschlägigen Verhältnisse mußte sogar unterlaufende Uebertreibungen in Abzug gebracht- ein sittlich entrüstetes Sträuben kommerzienräthlicher Haubenbänder veranlassen.

das durch und durch kapitalistische Land, das sie ist, wenn sich nicht Aber die große Republik jenseits der großen Lache wäre nicht das Streben geltend machen sollte, die theuren und gewisse An­sprüche erhebenden weiblichen Kräfte für die Hausarbeit durch billigere, weniger anspruchsvolle, fügsamere zu ersetzen. Die starke chinesische Einwanderung hat die Möglichkeit geboten, dieses Streben zu ver­wirklichen; in den großen Städten der Union treten vielfach Chinesen an Stelle der Dienstmädchen. Diese Thatsache entspricht der Tendenz der kapitalistischen Wirthschaftsordnung, die Löhne der Arbeitskräfte auf allen Gebieten so tief als möglich herabzudrücken, einer Tendenz, welche zur ausgedehnten Ausbeutung der Frauen- und Kinderarbeit führte, zur Heranziehung ausländischer Arbeitskräfte aus Gegenden, wo die Entwicklung eine rückständige, der standard of life der Be völkerung ein niedriger iſt.

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Schon seit Jahren wird in vielen Städten der Union das Waschen Wäsche zum weitaus größten Theil von Chinesen besorgt, den findet man aber die lang bezopften Söhne des himmlischen Reiches " Washi- washi- men", wie sie gewöhnlich betitelt werden. Heutzutage nicht blos vor den Waschkesseln und an der Wringmaschine; auch am Kochherde und hinter dem Kinderwagen sind sie vielfach an Stelle der Frauen getreten. Der Chinese für Alles", der Chinese als per­fette Röchin" und als williges, freundliches Kindermädchen" wurden zuerst in San Franzisko übliche Erscheinungen. Gegenwärtig ver­drängen auch in New York , in Chicago , in anderen Städten des

Ostens die gelben Männer mehr und mehr die weißen Frauen aus Lohn und Brot.

Ein konservatives amerikanisches Blatt preist in einem drei­spaltigen Artikel die Vorzüge der dienenden Chinesen. Die gelben Männer erweisen sich als fügsamer und unterwürfiger wie die weißen Frauen. Nie wagen sie eine Widerrede, nie erregen sie die Galle ihrer Herrschaft durch eine schnippische Bemerkung. Sie sind unge­mein fleißig und scheuen keine Arbeit. Regelmäßige Ausgehzeiten werden von ihnen nicht beansprucht, nur äußerst selten suchen sie die Erlaubniß nach, das Haus verlassen zu dürfen, um mit Landsleuten einige Pfeifen Opium zu rauchen oder Würfel zu spielen. Der Chinese als Dienstmädchen begnügt sich mit einem verhältnißmäßig sehr niedrigen Lohn, mit der Hälfte, dem Drittel, was einer Lina oder Mina gezahlt werden muß. Für diesen Lohn kocht er, hält das Haus in Ordnung, besorgt alle Einkäufe und Ausgänge und führt die Kinder spazieren, die er nicht selten auch wartet und pflegt. Nur zu einer einzigen Beschäftigung ist kein Chinese als Dienstmädchen zu haben: zum Waschen der Wäsche. Die in Familien, Hotels 2c. dienenden gelben Männer weigern sich entschieden, ihren Landsleuten, den ,, washi- washi- men", Ronkurrenz zu machen.

Die amerikanischen Damen rühmen, daß die chinesischen Kammer­frauen männlichen Geschlechts sich durch ihre Verschwiegenheit und Zuverlässigkeit sehr vortheilhaft vor den weißen Evastöchtern aus­zeichnen. Als Köche sollen die Chinesen ganz Hervorragendes leisten, in der Zubereitung von Saucen, von Geflügel und Pasteten nicht ihresgleichen haben. Bringt ein außergewöhnlicher Anlaß, z. B. ein großes Diner, außergewöhnliche Arbeit, so verlangen sie zu deren Bewältigung kein Aushilfspersonal. Sie wenden sich dann an Lands­leute, welche aushelfen, ohne dafür etwas zu fordern, so daß die noble Herrschaft nicht in den Beutel zu greifen braucht. Nehmen die als Dienstmädchen fungirenden Chinesen für einen oder zwei Tage Urlaub, so lassen sie sich auf eigene Kosten vertreten. Ruhig kann ihnen die Herrschaft die Schlüssel des Hauses anvertrauen. Sie erachten, daß ihnen mit dem Eintritt in eine Familie die Verant­wortlichkeit für den geregelten Gang des gesammten Hauswesens er­wächst.

Nur eine Eigenthümlichkeit wirft einen leichten Schatten auf das Charakterbild des idealen Haussklaven nach dem Herzen des Ausbeuterthums: die Chinesen unterhalten miteinander eine Art ge= heime Korrespondenz, deren Schlüssel bis jetzt noch nicht entdeckt worden ist. Verläßt einer von ihnen seinen Dienst, so übermittelt er seinem Nachfolger, ohne daß er ihn kennt oder mit ihm zusammen­trifft, genaue und eingehende Mittheilungen über die in Frage tommende Familie. Er macht ihn auf die Fehler und Vorzüge der Kinder aufmerksam, setzt ihn in Kenntniß von den Gepflogenheiten und Eigenheiten der Herrschaft. Kaum hat der neue Chinese für Alles" seinen Dienst angetreten, so weiß er auch schon, um wie viel Uhr die Gnädige sich zu erheben geruht, der Gnädige nach Hause kommt, welches der Geschmack und die Liebhabereien des Einen und des Anderen sind. Längere Zeit glaubte man, daß die betreffenden Mittheilungen auf die Wände der Küche oder des Dienstbotenzimmers geschrieben würden. Das Irrthümliche der Annahme ist nun erwiesen, aber noch ist nicht bekannt, auf welche Weise die Chinesen einander in Kenntniß der einschlägigen Verhältnisse sezen.

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Der Chinese als Dienstmädchen repräsentirt jedenfalls in den Augen der Besitzenden das Jdeal eines Haussklaven, eines Lohn­sklaven. Er leistet viel, sehr viel und beansprucht wenig, äußerst wenig; er arbeitet nach dem Grundsatze: viel Pflichten, wenig oder gar keine Rechte. Wir sind überzeugt, daß gar manche deutsche züchtige Hausfrau, die im Kreise ihrer getreuen Klatschschwestern salbungsvoll oder keifend über die maßlosen Ansprüche" der modernen Dienst­mädchen sich entsetzt, mit tausend Freuden die ihr frohndende weiße ,, Schwester" durch den billigen, anspruchslosen Chinesen für Alles" ersetzen würde.

Kleine Nachrichten.

Die Gleichberechtigung der Frau im sozialistischen Lager. Dem Breslauer Parteitag der deutschen Sozialdemokratie wohnten sieben weibliche Delegirte bei, welche theils in allgemeinen öffentlichen Parteiversammlungen, theils in öffentlichen Frauenversammlungen gewählt worden waren. Unter den neugewählten Kontrolleuren der Partei befindet sich eine Frau: Genossin Zetkin . Innerhalb der Sozialdemokratie gilt der Grundsatz der vollen Gleichberechtigung der Geschlechter. Die bürgerlichen Parteien können sich nicht einmal dazu aufschwingen, diese Gleichberechtigung auch nur in der Theorie an­zuerkennen.