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des Erekutivkomites refrutiren sich ebenfalls fast ausschließlich aus Damen der durch„ Besitz und Bildung einflußreichen Kreise". Dem Organisationskomite der letzten Konferenz stand die Frau des Bürgermeisters von Manchester vor, die Gattin des Dompropstes war Vizepräsidentin, und zu den Mitgliedern gehörten die Herzogin von Buckingham, die Gräfin von Ellesmere , Lady Kay- Shuttleworth, Lady Leigh und andere Spitzen" der Gesellschaft mehr. Für die Theilnehmerinnen an der Konferenz fand an dem einen Abend ein offizieller Empfang im Rathhause durch den Bürgermeister und seine Gattin statt. Außerdem am letzten Tage der Berathungen ein besonderer Gottesdienst in der Kathedrale, wo der Erzbischof von York den Damen zu Ehren predigte. Die beiden Thatsachen sind ungemein bezeichnend für die Haltung, welche die englische Gesellschaft frauenrechtlerischen Bestrebungen gegenüber einnimmt. Aber auch- zumal was den Ehrengottesdienst anbelangt für den streng bürgerlich ,, respektablen", salonfähigen Charakter der Tendenzen, welche den Verband beherrschen. Erwähnenswerth in dieser Hinsicht ist, daß jeder Sizungstag der Konferenz durch Gebet eingeleitet wurde.
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Der Konferenz wohnten gegen 300 Damen bei, Vertreterinnen von Frauenorganisationen der verschiedensten Art, und Einzeltheilnehmerinnen. Natürlich überwog auch unter den Kongreßbesucherinnen bei weitem das bürgerliche Element der Nichts- als- Frauenrechtlerinnen und Apostolinnen vulgärster Wohlfahrtsbestrebungen. Doch fehlte es auch nicht an einigen Persönlichkeiten, welche sich um die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen große Verdienste erworben haben und mit Sachkenntniß und Opferfreudigkeit deren Interessen verfechten. Da war Mrs. Beatrice Webb , die treffliche Kennerin der englischen Genossenschafts- und Gewerkschaftsbewegung, welche seit Jahren in ebenso klarer als energischer Weise die den Kapitalisten nützende manchesterliche Agitation der Frauenrechtlerinnen gegen den gesetzlichen Arbeiterinnenschutz bekämpft. An der Konferenz nahm ferner Mrs. Annie Hicks theil, welche die Seilmacherinnen organisirte und erfolgreich mehrere Streits derselben leitete. Miß E. Gladstone, die Schriftführerin des Zentralausschusses für Frauenarbeit"( Womens Industrial Council) und Miß G. Tuckwell, die Schriftführerin der Liga der Frauengewerkvereine", befanden sich ebenfalls unter den Delegirten und nahmen wie die Vorgenannten thätigen Antheil an den Arbeiten der Konferenz.( Schluß folgt.)
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Kleine Nachrichten.
Wie das Unternehmerthum für die Gesundheit der Arbeiterinnen sorgt und ihrem Anstandsgefühl Rechnung trägt, das erhellt aus den folgenden Thatsachen, die zur Kenntniß der Berliner Arbeiter- Sanitätskommission gebracht wurden. In der Wäschefabrik von J. Jakoby, Schillingstraße, soll in der Plätterei unerträgliche Hize herrschen, da mit Gas geplättet wird. Der Ankleideraum ist für die circa 80 beschäftigten Arbeiterinnen zu klein und dient außerdem als Lagerraum. In der Wäschefabrik von Wohl& Heimann, Schillingstraße, ist für etwa 35-45 Arbeiterinnen und mehrere Arbeiter nur ein gemeinschaftliches dunkles Kloset vorhanden. Ein Ankleideraum fehlt. Die Arbeiterinnen müssen sich auf ihrem Platz umziehen. In der Wäschefabrik von Arndt, Grüner Weg, dient ein auf dem Boden gelegenes Kloset ohne Ventilation und Beleuchtung für circa 25 Arbeiterinnen. Ein Ankleideraum soll nicht vorhanden sein, die Besichtigung desselben wurde dem Kontrolleur der Sanitätskommission verweigert. Versagt blieb diesem bezeichnender Weise auch der Eintritt in die Wäschefabrik von Cohn& Ellenburg, Rastanienallee. Hier soll es in der Plätterei für circa 100 Arbeiterinnen ein oder zwei Klosets geben, in der Zuschneiderei und Näherei für 25 männliche und weibliche Arbeiter einen gemeinsamen Abort, in dem sich auch die Wasserleitung befindet. Ein Ankleideraum soll fehlen. Der Fabrikinspektor wird sich hoffentlich die baldige Kontrolle dieser Betriebe angelegen sein lassen, und für Abstellung der Mißstände sorgen.
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Arbeiterinnen- Organisationen, in denen die Harmonieduselei gepredigt und geübt wird, sollen nach dem„ Vorwärts" von den Hirsch- Dunckerianern gegründet werden. Eine hervorragende Füh rerin der bürgerlichen Frauenbewegung" soll mit der nöthigen Agitation betraut sein, deren Beginn für Januar vorgesehen ist. Ob die Arbeiterinnen wohl mehr Geschmack als die Arbeiter am Eiapopei von der der Gemeinsamkeit der Interessen von Kapital und Arbeit gewinnen? Wir bezweifeln es.
Der erste weibliche Gerichts- Sachverständige in Berlin ist kürzlich ernannt worden. Es ist dies Frau Professor Dilloo, Inhaberin eines Bureaus für wissenschaftliche Graphologie. Frau Dilloo wurde als Handschriften- Sachverständige für das Berliner Landgericht I vereidigt.
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Die Zahl der an der Berliner Universität hofpitirenden Frauen ist für dieses Winterhalbjahr beträchtlich gestiegen. Sie beträgt 93 gegen 39 im Sommersemester und 35 im letzten Winter.
Eine Aerztin, Frau Dr. Czempin, hat die Berliner Orts frankenkasse für das Buchdruckgewerbe für die weiblichen Kassenmitglieder angestellt. Es ist dies ein anerkennenswerther Fortschritt, den die weiblichen Kassenmitglieder gewiß mit lebhafter Freude begrüßen. Die Filiale Berlin der Offenbacher Krankenkasse für Frauen und Mädchen hat bereits seit zwei Jahren eine Aerztin angestellt, Frau Dr. Ploetz, mit deren Thätigkeit sowohl die Mitglieder wie der Vorstand sehr zufrieden sind. Das Vorgehen der Ber liner Kassen verdient Nachahmung.
Das Grundgehalt der Lehrerinnen dem der Lehrer gleichzustellen fordert der Verein preußischer Volksschullehrerinnen in einer Petition an den preußischen Landtag. Wir fürchten sehr, daß die in Preußen gesetzgebenden Gewalten jedes Verständniß für die Berech tigung dieser Forderung abgeht. Zu dem geforderten Zweck ist sicher in Preußen kein Geld vorhanden. Lehrerinnen haben doch sicher die gleiche Bedeutung als etwa Unteroffiziere oder Geheimpolizisten.
Die Zulassung der Frauen zum Apothekerberufe in Preußen hatte der Berliner Verein Frauenwohl in einer Petition an das preußische Abgeordnetenhaus gefordert. Die Petition war der Staatsregierung überwiesen worden, welche fürzlich erklärte, erst dann in weitere Erwägungen einzutreten, wenn die gutachtliche Aeußerung des Apothekerraths vorliegt. Wie diese„ gutachtliche Aeußerung" ausfallen wird, kann man sich schon jetzt an den Fingern abzählen. Sie wird von dem zopfigsten Vorurtheil und von der Konkurrenzfurcht diktirt sein, ein Ausdruck der rückständigen Auffassung, welche die bürgerliche Männerwelt Deutschlands in Sachen der Frauenfrage so unvortheilhaft auszeichnet. Uebrigens sehen die in Aussicht gestellten weiteren Erwägungen" einer Vertröstung der petitionirenden Frauenrechtlerinnen auf Sft. Nimmerlein so ähnlich, wie ein Ei dem anderen. Und dies, obgleich man in verschiedenen Ländern mit den Apothekerinnen die besten Erfahrungen gemacht hat.
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Zur Unterstützung bedürftiger Wöchnerinnen hat der aus Sozialisten und sozialistischen Radikalen bestehende Gemeinderath von Lille ( Nordfrankreich) einen Posten von 7000 Fres. ( 5600 Mt.) im Jahresbudget für 1897 bewilligt. Außerdem einen Beitrag von 1000 Frcs.( 800 Mt.) an die ,, Sociètè de Mutualitè Maternelle"( Verein zur gegenseitigen Unterstützung von Wöchnerinnen), welche ihren Mitgliedern in der Zeit vor, während und nach der Entbindung Pflege und Unterstüßung sichert. Daß aus öffentlichen Mitteln für die Existenz der Mutter werdenden Frauen gesorgt wird, ist die nöthige Ergänzung der gesetzlichen Schutzbestimmungen, welche die Fabrikarbeit für Hochschwangere und Wöchnerinnen verbieten. Der Gemeinderath von Lille hat die Aufgabe der Gesellschaft begriffen.
Die Ausbildung von Frauen zu Künstlerinnen hat die französische Kammer dadurch gefördert, daß sie Ende letzten Jahres einen Posten von 9900 Frcs.( 7920 Mt.) in das Budget der schönen Künste einstellte, um den Besuch der Ecole des Beaux Arts( Akademie der schönen Künste) auch Schülerinnen zu ermöglichen.
Die frauenrechtlerischen Organisationen der Vereinigten Staaten sind in einer nationalen Union zusammengeschlossen, welche nach einem Bericht von Mme. Hubry- Menos auf einem frauenrechtlerischen Kongreß in Versailles 700000 Mitglieder zählen soll. Die Zahl der dem Verband angehörigen Einzelorganisationen beträgt 100.
Die Betheiligung der stimmberechtigten Frauen von Utah , Colorado und Wyoming an der letzten Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten soll eine äußerst rege gewesen sein. Man berechnet, daß 20000 Frauen für den Kandidaten des Großkapitals, Mac Kinley, und 100000 für den Vertreter der bäuerlich- demokratischen Opposition, Bryan, gestimmt haben. Das Votum der Frauen, vorausgesetzt, daß die angegebenen Zahlen richtig sind, erklärt sich durch die wirthschaftlichen Interessen der drei in Frage kommenden Staaten und ist nicht als Ausfluß einer besonders radikalen" Gesinnung der Frauen aufzufassen.
Zur Beachtung.
Alle auf die Agitation unter den proletarischen Frauen bezüglichen Anfragen, Zuschriften, Sendungen 2c. sind von nun an zu richten an die Vertrauensperson
Frau M. Wengels