alle gesezwidrigen Mißstände in den Betrieben zur Kenntniß der Aufsichtsbeamten gelangen könnten. Die Unternehmer aber, bei denen die Furcht vor dem Geseze größer wäre, als die kühn machende Liebe zum Profit, die folglich die Ausbeutung der prole­tarischen Kräfte innerhalb der gefeßlich gezogenen Schranken hielten und die Fabrikinspektoren auf veränderungsbedürftige Arbeits­bedingungen aufmerksam machten: die Unternehmer sind noch nicht geboren, und ihre Eltern sind schon todt.

Wohl haben die Arbeiter ein dringendes Interesse daran, schreiende Uebel, unter denen sie leiden, den Gewerbebeamten zur Kenntniß zu bringen. Allein die Furcht, sich beim Arbeitgeber mißliebig zu machen, ja entlassen zu werden, hält sie von Mit­theilungen während einer Revision zurück. Und der nämliche Grund ist meist maßgebend, daß sie selten genug in den Sprech­stunden der Inspektoren Beschwerde führen.

Was in dieser Beziehung die Berichte der Gewerbeaufsichts­beamten wieder und wieder von den Arbeitern im Allgemeinen sagen, das gilt in verstärktem Maße von den Arbeiterinnen. Seltener noch als die Arbeiter wagen sie das ihnen zustehende Recht auszunüßen und beim Fabrikinspektor Anklage gegen ihren " Brotherrn" zu erheben. Die Arbeiterinnen als Frauen sind an Fügsamkeit, Unterwerfung, Rechtlosigkeit gewöhnt, als Frauen sind sie in der Regel gesezesunkundiger als der Mann. Dringlicher noch als ihre Kameraden benöthigen sie deshalb eines Vermittlungs­gliedes, das ihre Beschwerden zur Kenntniß der Fabrikinspektion bringt und damit erst den gesetzlichen Schutz voll wirksam macht. In thatsächlich erfolgreicher Weise kann einzig und allein die Ge­werkschaftsorganisation die Aufgabe dieses Vermittlungsglieds er­

füllen.

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Die ,, Generalfommission der Gewerkschaften Deutschlands  " trat in einem trefflichen Artikel( Nr. 41 des Korrespondenzblattes" vom 30. November 1896) dafür ein, daß wie in süddeutschen Staaten geschieht allenthalben die gewerkschaftlichen Organi­sationen zwischen der Arbeiterschaft und der Fabritinspektion ver­mitteln. Gewerkschaftskartelle, besondere Beschwerdekommissionen 2c. sollen die diesbezüglichen Aufgaben übernehmen. Unseres Erachtens stellen diese aus den Gewerkschaften hervorgegangenen Organe die berufenste Interessenvertretung der Arbeiterinnen im Verkehr mit den Gewerbeaufsichtsbeamten dar. In ganz anders wirksamer Weise als bürgerliche Schußdamen" welche im günstigsten Falle den kapitalistischen   Pelz waschen wollen, ohne ihn naß zu machen werden sie für das Wohl der Lohnsflavinnen eintreten. Aber was seitens der staatlichen Fabrikinspektion den Arbeite­rinnen recht sein soll, daß muß ihnen und aus den nämlichen Gründen wie dort seitens der Gewerkschaften billig sein. Der Beschwerdekommission, dem Kartell 2c. muß eine Vertreterin der Arbeiterinnen angehören. Ihre Aufgabe ist es, die Schwestern auf das Wirken des gewerkschaftlichen Vermittlungsglieds auf­merksam zu machen, ihre Beschwerden über gefeßlich unzulässige Arbeitsbedingungen entgegenzunehmen, zu sammeln, dem Kartell vorzulegen, allein oder mit dessen Hilfe das diesbezügliche Material zu prüfen, kurz alle jene Arbeiten zu leisten, welche durch das Frausein erleichtert und gefördert werden. Wo irgend es durchzu­führen ist, da sollte man als weibliches Kommissionsmitglied eine Arbeiterin wählen. Denn in täglicher Berührung mit den Kame­radinnen fällt ihr deren Vertrauen zu, erhält sie Kenntniß von Mißständen, welche auf anderem Wege auch durch die Betriebs­revisionen kaum je, wenn nicht zufällig ermittelt werden können. Wir täuschen uns nicht über die Schwierigkeiten, welche einer Verwirklichung der Anregung entgegenstehen. Arbeiterinnen, welche den kurz sfizzirten Aufgaben in den Beschwerdekommissionen ge wachsen sind, lassen sich nicht nach Belieben in jedem Orte aus der Erde stampfen. Wohl aber können sie erzogen werden, und im Inter­esse der Arbeiterinnen wie dem der Gewerkschaften müssen sie erzogen werden. Nur ein Vortheil für die Letzteren sei hier hervorgehoben: Indem die Gewerkschaften zur Erledigung der neuen Aufgaben Arbeiterinnen heranziehen: gewinnen sie von einer neuen Seite aus eine stete Fühlung mit den indifferenten, unorganisirten Arbeiterinnen­massen, gewöhnen sie diese, unter einem neuen Gesichtspunkte die Gewerkschaftsorganisation als ihre natürliche Interessenvertretung zu betrachten. Die weiblichen Mitglieder der gewerkschaftlichen

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Beschwerdekommissionen werden sich unter den Arbeiterinnen als treffliche Freiwerber für die Organisation erweisen.

Das Trugbild eines Schußes als Wohlthat geboten zu dem Zwecke, den Klassengegensatz für die Augen der Proletarierinnen zu verschleiern, das ist des Pudels Kern vom bürgerlichen Plane, Schußdamen die Vermittlung zwischen Arbeiterinnen und Fabrik­inspektion zuzuweisen. Wirksamer Schutz als Recht durch eine Macht und Einbeziehung der Arbeiterinnen in den wirthschaftlichen Kampf ihrer Klasse gegen das Unternehmerthum, das bedeutet es, wenn die Gewerkschaft den Verkehr zwischen den Ausgebeutetsten der Aus­gebeuteten und der Fabrikinspektion vermittelt. Die Arbeiterinnen werden nicht im Zweifel sein, wie sie sich zu entscheiden haben.

Weibliche Fabrikinspektoren und bürgerliche Frauenbewegung.

Als die bürgerliche Frauenbewegung zehn Jahre nach der prole­tarischen für die Anstellung weiblicher Fabrifinspektoren einzutreten begann, da wähnte sie ihren Befähigungsnachweis als Vertreterin der Interessen aller Frauen, auch der proletarischen, erbracht zu haben. Und als der Internationale Frauenkongreß" wenn auch nicht beschloß, so doch erkennen ließ, daß zum Mindesten die radi­falen" bürgerlichen Frauenrechtlerinnen die Petition für jene Reform durch eine weitere Aktion zu ergänzen gedächten, da fehlte es auch im sozialdemokratischen Lager nicht an wolkenkuckucksheimerisch an­gehauchten Eingängern, welche von einem gelegentlichen harmonie­duseligen Zusammengehen beider Frauenbewegungen träumten. Die Aktion der frauenrechtlerischen Radikalen" hat begonnen. Frau Schwerin, der besten eine, spricht in einer stattlichen Reihe von Städten über die Frage der Fabrikinspektorinnen. Und was erhellt aus diesen Vorträgen mit herzerquickender Deutlichkeit? Daß in sozial­politischen Dingen wenn zwei dasselbe thun, es nicht dasselbe iſt. Was zur Begründung des Getrenntmarschirens" von prole­tarischer und bürgerlicher Frauenbewegung gesagt worden ist, es findet seine volle Bestätigung durch den folgenden vorzüglichen kritischen Bericht des Genossen Quarck über den Vortrag der Frau Schwerin  in Frankfurt   a. M. Genosse Quarck, bekanntlich ein gründlicher Sachfenner der Arbeiterschutzgesetzgebung und der Gewerbeinspektion, schreibt in der Frankfurter Volksstimme" vom 6. Januar d. J.: ,, Wenn die hiesige Gesellschaft Ethische Kultur mit dem gestern Abend von ihr veranstalteten Vortrag der Frau Jeanette Schwerin  über weibliche Fabrikinspektoren den Zuhörern eine Probe davon liefern wollte, wie arg flach und kraftlos die bürgerliche Frauen­bewegung in Deutschland   ist, so hat sie ihren Zweck vollkommen er­reicht. Dieser Erfolg" ist es auch, der uns veranlaßt, die Sache an dieser Stelle zu besprechen. Eine Diskussion in unmittelbarem An­schluß an den Vortrag, die unter aller, von der seelensguten Vor­tragenden reichlich verdienten Schonung die Mängel dieser Art Stel­lungnahme zu brennenden Arbeiterinnenfragen hätte aufdecken und das ziemlich zahlreich erschienene Publikum mit den eigentlichen, zwar nicht immer ethischen, aber doch sehr wichtigen sozialen Gründen, aus denen die weibliche Fabrikinspektion in Deutschland   bisher ein frommer Wunsch blieb, hätte bekannt machen können, wurde von den Ethikern ja nicht beliebt. Ist denn das immer so Gebrauch bei der Ethischen Kultur? Der Vortrag wird jetzt von derselben Referentin in zahl­reichen deutschen Städten gehalten. Dies mag seine Behandlung an dieser Stelle ebenfalls rechtfertigen.

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,, Wie gesagt, der Rednerin konnte man nicht bös sein. Eine bescheidene, fast an das Proletarische erinnernde Erscheinung, ein sympathisches Organ, eine ruhige, flare Sprechweise zeichnen sie aus. Aber der geistige Inhalt! Wenn dies die Stufe ist, auf der die Agi­tatorinnen der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung selbst dort stehen, wo sie der Gegenstand, den sie studiren, mit aller Macht auf das Richtige stoßen sollte, dann sieht es wirklich sehr trübe um diese Bewegung aus. Denn daß die Rednerin mehr gewußt hätte, als sie sagte, und daß sie dasjenige, was sie wußte, absichtlich etwa der bürgerlichen Zuhörerschaft oder der Ethischen Kultur oder der Loge Mozart   zu Liebe verschwiegen hätte, in der sie sprach, das nehmen wir nicht an. Sie gab eine äußerlich ganz hübsche Skizze der eng­ lischen   und deutschen Arbeiterschutzgesetzgebung ohne ein Wort von den furchtbaren Kämpfen zu sagen, in denen der Schutz von den organisirten Arbeitern jenseits und diesseits des Kanals erst durch­gesetzt werden mußte. Sie pries das Erreichte, namentlich in Eng­land und erwähnte kein Wort von den zahllosen Lücken und Mängeln, die der Arbeiterinnenschutz hüben wie drüben noch hat. Sie lobte mit Recht die geschickte Art und Weise, mit der in Amerika  , England und Frankreich  ( Australien   wurde vergessen) die dortigen