weiblichen Fabrikinspektoren ihres Amtes so erfolgreich walten—aber sie sagte nichts davon, wie der„Reformminister" von Berlepschim Reichstag am 12. Februar v. I. auf unsere Anzapfungen hindiese günstigen Erfahrungen herabzusetzen und zu verkleinern suchtein einer Weise, die ihm die bekannte Züchtigung durch den ehemaligenenglischen Minister Charles Dilke in der„Sozialen Praxis" eintrug.Die Rednerin wußte offenbar nicht einmal davon etwas, daß sichHerr von Berlepsch auf den Bericht einer von ihm nach Englandentsandten Kommission von Gewerbeinspekloren bezogen hatte, daß eres aber wohlweislich unterlassen hat. von diesem Bericht bisher trotzdringenden Aufforderungen auch nur eine Zeile zu veröffentlichen.Die Agitatorin des Bundes deutscher Frauenvereine rühmte Hessenals denjenigen Staat, der die erste deutsche Jnspektorin anstellen werde.Aber sie setzte nicht hinzu, wie sich die nationalliberal-ultramontanezweite hessische Kammer erst zweimal gesträubt hat, den von unserenAbgeordneten gestellten Antrag anzunehmen, bis sie der wiederholteBeschluß der ersten Kammer dazu zwang. Sie kritisirte mit großemWohlwollen den in Baden mißlungenen Versuch, statt weiblicher Inspektoren mit einer Art„Freundinnen junger Mädchen" aus denFrauenvereinen ohne Beamtenstellung zu operiren. aber sie halte keintadelndes Wort für den beschränkten Standpunkt, init dem selbst sonstso einsichtige Inspektoren wie Wörishoffer in Karlsruhe und Pollathin München die Forderung ablehnen, kein Wort für die Thatsache.daß in der bayerischen ersten Kammer der von unseren Genossen inder zweiten Kammer durchgesetzte Antrag auf Anstellung weiblicherInspektoren mit allen, auch den prinzlichen Stimme» gegen siebenBischöfe niedergestimmt wurde, daß in der badischen Volksvertretungder Fabrikant Krafft und der millionenreiche Kominerzienrath Diffene-Mannheim, im sächsischen Landtag die Fabrikanten Rostowsky undFritzsche. im reichsländischen Landesausschuß der bekannte MillionärKöchlin, im preußischen Abgeordnetenhaus der große BockenheimerUnternehmer Wurmbach gegen die beinahe selbstverständliche Forderung mit allem ihrem Kapital- und Parteieinfluß aufgetreten waren,und daß der braunschweigische Landtag, ein rechter Bourgeoislandtag.in dem kein Sozialdemokrat sitzt, die Petition der Frauenvereine mit— Heiterkeit begrüßte. Keine Erwähnung fand, daß Züricher Arbeiterinnen schon lange vor und besser als der bürgerliche Frauenbund um weibliche Inspektionen pelitionirt hatten, daß die Forderungeine ständige Agitationsnummer unserer Bewegung seit Menschengedenken ist. und daß der Gegensatz von Kapital und Arbeit gar nichtkrasser hervortreten kann, als er in dieser unschuldigen Frage vonden Mächtigen dieser Erde gegen die Arbeiterinnen, die Genossinnender bürgerlichen Agitatorin. herausgekehrt worden ist. Dafür vielvon dem Kursus für Fabrikinspektorinnen, den der Frauenbund inBerlin eingerichtet hat, aber nichts davon, daß zahlreiche Arbeiterinnen heute schon in die zu schaffenden Stellen einrücken könnten.Viel vom guten Herzen und der Mittagspause zum Essenkochen,wenig von dem Ringen der Arbeiterinnen selbst.„Mit solchen Vorträgen wird die bürgerliche Frauenbewegungder kapitalstarken Feinde des Arbeiterinnenschutzes nicht Herr. Unddie hiesige Ethische Kultur soll einmal den organisirten FrankfurterArbeitern und Arbeiterinnen Gelegenheit geben, zu derselben Sachezu sprechen. Sie kann sich darauf verlassen, daß etwas Anderesdabei herauskäme!"Das frauenrechtlerische Eintreten für die Anstellung weiblicherGewerbebeamten ist gewiß gut gemeint und nicht ohne Nutzen. Aberes beweist mit sinnenfälliger Klarheit, daß im Allgemeinen bürgerlicheund proletarische Frauenbewegung im Kampfe für beiden Richtungengemeinsame Reformforderungen nicht zu einer gemeinschaftlichen Aktionzusammenschwenken können. Die grundsätzlich verschiedene Geschichtsund Weltauffassung in dem einen und anderen Lager bedingt ein sogrundverschiedenes Erfassen und Bewerthen der Reformforderungen, daßim Allgemeinen auch die parallele Aktion dafür nicht von der seitens vonIdeologen erhofften einen Frauenbewegung getragen werden kann.Punkt um Punkt bestätigen dies die vorstehenden trefflichen Ausführungenunseres Frankfurter Bruderorgans. Sie zeigen es klar: Alles wasfür das Proletariat das Wesentliche der Forderung— Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren— ausmacht, das kommt inder frauenrechtlerischen Aktion nicht zur Geltung, ja daswird nicht einmal gestreift. Statt die Forderung aus demGegensatz von Kapital und Arbeit zu begründen, wird sie abgeleitetaus dem Gegensatz zwischen Mann und Frau. Die Ausführungender„Volksstimme" machen den Eindruck vollster Objektivität. Unddaß sie das Richtige treffen, weiß Jeder, der die Entwicklung devdeutschen Frauenrechtelei aufmerksam beobachtet. Jeder insbesondere.der die Verhandlungen des„Internationalen Frauenkongresses" nichtblind bewundernd, sondern kritisch prüfend verfolgte. Trugen dieselben nicht offensichtlich den Stempel der Halbheit und Seichtheit,sobald sie auf das sozialpolitische Gebiet hinüberschlngen?1-Nur in einem Punkt irrt der Verfasser des angezogenen Artikels.Wenn er die oberflächliche, einseitige Behandlung der Frage durch dasNichtwissen der Referentin erklärt. Frau Schwerin gehört zu densehr wenigen radikalen Frauenrechtlerinnen, welche in sozialpolitischenMaterien nicht die paradiesische Unschuld der frauenrechtlerischen Masselheilen. Sie hat vom Baum der„ethischen Erkenntniß" gegessen. Siezählt ferner zu den noch wenigeren ihrer Gesinnungsgenossinnen, welchegeschichtlich logisch zu denken verstehen. Was Frau Schwerin nichtsagte, das wollte sie nicht sagen. Sie umging es, sie verschwieg es.weil es ihr— und von ihrem Standpunkte aus begreiflich genug—mit Rücksicht auf den Erfolg und die Beurtheilung der bürgerlichenFrauenbewegung in der bürgerlichen Welt als nicht klug erschien, denKernpunkt der Frage zu erörtern. Frau Schwerins Wissen mußtedie Segel streichen vor dem durchaus bürgerlichen Charakter derFrauenrechtelei. Die Frauenrechtelei will und kann keine einschneidende Kritik des Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit und der ausihm folgenden Gesellschaftszustände geben, denn sie will diesen Gegensatznicht antasten, sie strebt nur einzelne seiner Begleiterscheinungen zumildern. Je mehr die bürgerliche Frauenbewegung sich entfaltet understarkt; je mehr sie von schönklingenden Gemeinplätzen zur Behandlung einzelner sozialresormerischer Forderungen übergeht; je mehr anStelle der schaumigen Phrase die konkrete That tritt: um so klareroffenbart sich ihr rein bürgerlicher Charakter und ihr Gegensatz zuder sozialistischen Bewegung. Thöricht wäre es. einen Vorwurf ausDem abzuleiten, was geschichtlich bedingt ist. Aber ebenso thöricht.die Kritik dort zu unterlassen, wo in Berkennung des geschichtlich Bedingte» der Charakter der bürgerlichen Frauenbewegung nicht klarerfaßt und ihre Stellung zum kämpfenden Proletariat durch dasPrisma ideologischer Wünsche betrachtet wird, statt im nüchternenLichte der Wirklichkeit, der geschichtlichen Verknüpfungen und Zusammenhänge.Aus der Bewegung.Die proletarische Frauenbewegung in Schleswig-Holstein.Die Behandlung des Punktes„Frauenagitation" auf dem sozialdemokratischen Parteitag zu Gotha hat zur Folge gehabt, daß inunserer Gegend fast allerorten die Frauen des werkthätigen Volks sichfrischer und energischer rühren und regen, um Verständniß für diegewerkschaftlichen und politischen Bestrebungen der Männer zu gewinnen und thatkräftigen Antheil an denselben zu nehme». Schonseit einigen Jahren verfolgt ein Theil der Frauenwelt Schleswig-Holsteins mit Aufmerksamkeit die politischen und wirthschaftlichenKämpfe unserer Zeit. Nicht nur in den Jndustriebezirke», auch aufdem platten Lande ist das weibliche Geschlecht in oft stattlicher Anzahl in den Volksversammlungen vertreten. Und daß nicht blos dieNeugierde Frauen und Mädchen dorthin lockt, kann man aus derAndacht schließen, mit welcher sie den Worten des Redners oder derRednerin lauschen. Mancher Pfarrer würde froh sein, Sonntags eineebenso aufmerksame Gemeinde zu haben wie der sozialdemokratischeAgitator, welcher die Grundsätze seiner Partei den Zuhörern undZuHörerinnen entwickelt. Das Interesse der nichts oder wenig besitzenden Frauen für die sozialistische Bewegung ist begreiflich. Immermehr verstehen sie, welche schweren, großen Pflichten ihnen dieheutige Gesellschaft aufbürdet, und welch geringe Rechte sie ihnengewährt. Es wird ihnen klar, daß ihre Lage die gleiche, ja einenoch ungünstigere ist, als die der proletarischen Männerwelt. InIndustrie wie Landwirthschaft verwendet der Kapitalist gern weibliche Arbeitskräfte, weil sie billiger und anspruchsloser sind alsmännliche. Aber das fleißigste Schaffen bringt den Ausgebeutetennicht die Möglichkeit eines Lebens, das im Einklang mit der Kulturunserer Tage steht, vielmehr mit harten Mühen nur Sorge undEntbehrung. Daß die Frauen von Schleswig-Holstein Interessefür die sozialistische Bewegung zeigen, sich um politische Angelegenheiten kümmern, ist den„Stützen von Ordnung. Sitte und Religion"natürlich ein Greuel. Wiederholt ist in den kleineren Ortenseitens des Lehrers und Pastors versucht worden, die Frauenvon dem Besuch der Volksversammlungen zurückzuhalten und ihnenvor der Sozialdemokratie als einem schrecklichen Wauwau gruseligzu mache». Jedoch meist vergeblich. Die Erkenntniß von derUnHaltbarkeit der heutigen Zustände bricht sich in immer weiterenFrauenkreisen des Volkes Bahn. 1890 wurde zuerst versucht, dieArbeiterinnen der Gegend zu organisiren. In Hamburg ward der„Zentralverein der Fabrik- und Handarbeiterinnen" gegründet, dernach anderthalbjährigem Bestehen KXXI Mitglieder zählte. Nach demHalberstadter Gewerkschaftskongreß löste sich die Organisation zuGunsten des„Verbands der Fabrik-, Land- und Hilfsarbeiter und Ararbeiterinnen" ans. Nicht alle ihrer Mitglieder traten dem Verbandbei. ein Theil davon ging verloren, jedoch nimmt die Zahl der Ar-