Kind ist bereits dem chronischen Hungern verfallen. Und für die schwere Ueberarbeitung der Meisten spricht schon die einfache Angabe der Arbeitsstunden deutlich genug.
Schmuß, Hunger, Ueberarbeit, das sind die Bedingungen, unter denen alle ansteckenden, also auch die fälschlich sogenannten„ Erkältungsfrankheiten" entstehen. Von der heutigen Gesellschaft sind diese Bedingungen unzertrennlich, und unzertrennlich von ihr sind deshalb auch die hier in Frage kommenden ansteckenden Krankheiten. Ihre Ausrottung ist eine Aufgabe, der nur eine sozialistische Gesellschaft gewachsen sein kann. Diese Aufgabe ist eine der dringendsten, welche ihr bevorsteht, aber auch eine, die sie am glänzendsten lösen wird. Die sozialistische Gesellschaft wird in der Hinsicht ganz andere Ziele erreichen, als die heutige Hygiene sich als möglich zu stecken gewagt hat. Sie wird zunächst ein Menschenmaterial schaffen, welches dem heutigen gleicht wie etwa homerische Helden den ausgehungerten sächsischen Webern. In solchem Menschenmaterial gedeihen Krankheitserreger schwer. Sie wird die alten, verseuchten Wohnstätten wegfegen und neue, reinliche und reinzuhaltende Wohnungen auf einem Boden errichten, der nicht wie jetzt mit Krankheitserregern aller Art verunreinigt ist durch langjährige Ansiedlung von Geschlechtern, welche von Infektionskrankheiten schwer heimgesucht waren. Und sie wird diese neuen Wohnungen und diesen jungfräulichen Boden vor dem Eindringen von Krankheitserregern bewahren. Denn ihr wird es gelingen, Erkrankte von Gesunden sofort und ausreichend abzusondern und auf diese Weise jedes Umsichgreifen von Seuchen im Keim zu ersticken. Ferner ist sie allein im Stande, Unterernährung wie die Ueberarbeit der Massen zu beseitigen.
Das sind Jdeale, welche sich die heutige Gesellschaft nicht träumen läßt, welche aber die sozialistische Gesellschaft nicht nur träumen, sondern auch verwirklichen wird. Eine Aerztin.
Kleine Nachrichten.
Für die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren trat in der ersten Sitzung des wiedereröffneten Reichstags der sozialdemokratische Abgeordnete Fischer sehr energisch ein. Auch der Freisinnige Dr. Schneider befürwortete die Reform. Der Staatssekretär von Bötticher, der Vielgewandte, verwies die Fordernden von Pontius an Pilatus : von der Reichsregierung an die Regierung der einzelnen Bundesstaaten. Betreffs der Stellungnahme Preußens zu der Neuerung meinte er, daß dieselbe wahrscheinlich noch die im vorigen Jahre von Herrn von Berlepsch charakterisirte ablehnende sei. Herr von Berlepsch begründete seine Haltung bekanntlich u. A. mit den angeblich in England gemachten schlechten Erfahrungen bezüglich der Amtsthätigkeit weiblicher Inspektoren. Herr von Bötticher hütete sich, irgend etwas begründen zu wollen. Wahrscheinlich in Erinnerung der gründlichen Zurechtweisung, welche Herrn von Berlepschs irrthümliche Behauptungen durch Sir Charles Dilfe erfahren. Wir kommen auf die Ausführungen des Genossen Fischer noch ausführlich zurück.
Die Bewegung zu Gunsten von Sitzgelegenheit für die Verkäuferinnen hat in Berlin bis jetzt nur geringen Erfolg gehabt. Nur 26 größere und eine Anzahl kleinerer Firmen haben der gegebenen Anregung entsprechend für ihre Verkäuferinnen Sitzgelegenheit beschafft. In den meisten Geschäften ist das Sigverbot in Kraft geblieben, ja einige Chefs sehen in Folge der Bewegung mit größter Strenge auf seine Durchführung. Die Frauenrechtlerinnen beabsichtigen deshalb, sich mit einem Aufruf an das kaufende Publikum, zumalen die Frauen zu wenden, damit der Einfluß der Kunden die Geschäftsinhaber zur Beschaffung von Siggelegenheit veranlaßt. Die Erfahrung beweist auch bezüglich dieser so ungemein bescheidenen Reform, daß die gutgesinnte philanthropische Berufung an das Wohlwollen und die Einsicht Ausbeutender die Arbeitsbedingungen der Ausgebeuteten nicht zu bessern vermag. Gründliche und allgemeine Beseitigung von Mißständen, unter denen Lohnarbeiter leiden gleich, ob sie dem Kapitalisten in der Fabrik oder im eleganten Laden fann nur erfolgen durch den Zwang der Gesetzgebung frohnden oder den Druck der gewerkschaftlichen Organisation. Es beweist die innere Schwäche der über den Klee gepriesenen FrauenrechtlerischHirsch- Dunckerschen Organisation der Handlungsgehilfinnen, daß sie trotz ihrer starken Mitgliederzahl noch nicht einmal eine so winzige Reform durchzudrücken vermochte, wie sie die Beschaffung von Siggelegenheit für Verkäuferinnen darstellt.
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Inspizientinnen des Handarbeits- Unterrichts in Breslau und Berlin . Im Jahre 1895 stellte der Breslauer Magistrat eine Inspizientin an für den Handarbeits- Unterricht in den Volks-, Mittelund höheren Schulen für Mädchen. Die Berliner Schuldeputation hat 1896 beschlossen, gleichfalls die Anstellung einer besonderen In
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spizientin für den Handarbeits- Unterricht bei den Gemeindebehörden zu beantragen. Nach der Sozialen Praxis" ist dies die erste fachmännische Schulinspektion in Preußen, abgesehen von der, welche die militärischen Unterrichtsanstalten erfahren.
Das Frauenstimmrecht zu den Gemeinderathswahlen im Duodezreich Meiningen sieht ein dem Landtage zugegangener Gesetzentwurf betreffs der Umgestaltung der Gemeindeordnung vor. Allerdings nicht das Wahlrecht für alle Frauen, blos für die mit Grundbesig angesessenen, wenn sie seit länger als einem Jahr 15 Mark Steuern zahlen. Da der Entwurf unter den gleichen Bedingungen auch Minderjährigen, Auswärtigen und juristischen Personen das Stimmrecht verleiht, tritt es klar in Erscheinung, daß das Wahlrecht nicht der Person zuerkannt wird, vielmehr dem Besiz. Die Neuerung ist also ihrem Wesen nach durchaus reaktionär. reaktionär erweist sich der Entwurf auch in anderer Richtung: die Bedingungen für Erwerbung des Bürgerrechts, mithin auch die Ausübung des Gemeindewahlrechts werden für die werkthätige Masse wesentlich erschwert. Meiningen würde übrigens mit der Zuerkennung des Gemeindewahlrechts an Frauen nicht vereinzelt dastehen. In Sachsen und Baden besitzen unverheirathete oder verwitwete Grundbesizerinnen das Gemeindewahlrecht.
Für die Zulassung der Frauen zu allen Studien und Berufsarten trat im österreichischen Reichsrath der bürgerliche Demokrat Kronawetter warm ein. Er betonte, daß hinter der Gegnerschaft der Frauenemanzipation nichts anderes stecke ,,, als ein ekelhafter Konkurrenz und Brotneid. Dieselben Pharmazeuten z. B., welche sich mit Recht über die Apothekerfonzessionen beschweren, sagten in einer Versammlung, die Frauen sollten alles lernen, nur Pharmazeuten sollten sie nicht werden."
Von der Frauengruppe des Evangelisch- sozialen Kongresses erhielten wir folgende Mittheilung:
Die weiblichen Mitglieder des Evangelisch- sozialen Kongresses in Berlin haben einen engeren Zusammenschluß gesucht, um vereint denjenigen Theil der sozialen Frage erfolgreicher erörtern zu können, der ihnen am nächsten liegt: die Frauenfrage. Zweimal monatlich stattfindende Versammlungen sollen durch einen Vortrag mit anschlieBender Diskussion die Theilnehmerinnen zur Aussprache anregen, das Urtheil klären und die Gewinnung eines selbständigen Standpunktes ermöglichen. Diese theoretische Arbeit soll den einzelnen Mitgliedern aber auch die individuelle praktische Stellungnahme zu sozialen Tagesereignissen von Fall zu Fall erleichtern, so daß Vorgänge auf sozialem Gebiet, welche innerlich nöthigen, die gewonnene Erkenntniß in Thaten umzusetzen, die Mitglieder nicht unvorbereitet sinden. Insonderheit werden dieselben durch die gewonnenen Anregungen zur Mitarbeit an der beruflichen Organisation der weiblichen Arbeit geführt werden und zur Theilnahme an solchen Kämpfen, die sie für die Durchführung wirthschaftlicher Reformen als nothwendig erachten. Entsprechend dem Charakter des Evangelisch- sozialen Kongresses vertritt die Frauengruppe keinerlei parteipolitische Interessen, ebenso wie sie als Gesammtheit nicht an Wohlthätigkeitsbestrebungen Theil nimmt; die Bethätigung opferbereiter Nächstenliebe setzt sie bei ihren Mitgliedern als selbstverständlich voraus.
Im Vordergrunde der Erörterungen stehen etwa folgende Fragen: 1. Berufsgrenzen zwischen Mann und Frau.
2. Gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen, weibliche Gewerbeinspektoren, Vereins- und Versammlungsrecht.
3. Verwendung der Frau in kommunalen Aemtern. 4. Stellung der Frau im Familienrecht.
5. Universitätsstudium, Mädchenunterricht, Erziehungsfragen, Haushalts- und Gartenbauschulen.
Der Vorstand:
Fr. Charlotte Broicher,
Lügow- Ufer 18.
Fr. Lucie Schmoller,
Wormserstraße 13. Frl. Elise Koenigs,
Schriftführerin, Wilhelmstraße 98.
Zu jeder Auskunft ist die Schriftführerin gerne bereit.
Quittung.