anzuschließen, die stark genug ist, um wirkliche Vortheile für sie erzwingen zu fönnen.
Jedes Jahr nehmen Delegirte des Verbandes der Frauengewerkvereine" an dem Kongreß der Trade Unions theil.... Jedes Jahr findet im Anschluß an den Kongreß seitens des„ Verbandes" eine Agitationstour statt, um die Arbeiterinnen der Gewerkschaftsorganisation ihrer Branche zuzuführen. Eine besoldete Organisatorin ist außerdem angestellt, die in den Orten, welche Erfolg der Bemühungen versprechen, einen längeren Aufenthalt nimmt. Natürlich ist die Befähigung, Hingabe und Energie dieser Organisatorin von großem Einfluß auf den Erfolg. Mrs. Marland Brodie, welche jetzt das Amt bekleidet, hat die Sache der gewerkschaftlichen Organisation der Arbeiterinnen ganz wesentlich gefördert. Frau Brodie war ursprünglich Handwirkerin in einer der größten Baumwollenfabriken des Lancashire ; sie ist Autodidaktin, besitzt viel gesunden Menschenverstand und hat sich in ihrer Thätigkeit durchaus bewährt. Kurze Zeit lang war sie Lady Dilkes Privatsekretärin und hat durch den Umgang mit diesen begabten Vorkämpferinnen für die Arbeiterinnenorganisation sehr viel gelernt. Sie vereinigt viel praktischen Sinn und genaue Kenntniß der Arbeiterinnenverhältnisse mit großer Begabung als Rednerin. Der Erfolg der Bestrebungen für die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen hängt zum großen Theile von der Entdeckung noch anderer Mrs. Marland Brodie ab.
Da die Erfahrung lehrt, daß die am schwersten bedrückten Frauen sich selbst durch freiwillige Verbindungen nicht helfen können, so scheint es, daß für sie Verbesserung ihrer Lage nur durch eine einsichtsvolle Gesetzgebung erreicht werden kann. In England giebt es noch viele, die in solcher Gesetzgebung einen Eingriff in das Recht persönlicher Selbstbestimmung erblicken. Sie übersehen, daß der freie Arbeitsvertrag für den Arbeiter und die Arbeiterin nur dem Namen nach besteht. Den Schutzgesetzen für Arbeiterinnen stehen besonders jene Damen des Mittelstandes feindlich gegenüber, welche ohne besondere Kenntniß der Arbeiterfrage sind, aber mit schätzbarem Erfolg für gleiche politische und Bildungsrechte der Frauen und Männer wirken. Sie sehen in allen nur für Frauen erlassenen Schutzgesetzen eine Beeinträchtigung der Gleichheit der Geschlechter, für die sie eintreten.... Alle, welche mit den Arbeiterverhältnissen wirklich bekannt sind, wissen dagegen, daß die gesetzliche Beschränkung der Frauenarbeit die Arbeiterinnen fast in keinem Falle derart im Konkurrenzkampf hindern, daß sie von den Männern verdrängt werden könnten. Die Frau ist noch immer ein billigeres Arbeitsthier als der Mann, trotz aller Gesetze zu ihren Gunsten. Männer werden niemals lange Arbeitsstunden zu dem niedrigen Lohne arbeiten, mit dem die nachgiebigeren Arbeiterinnen sich zufrieden geben. Alle, welche sich für die Arbeiterinnenbewegung in England interessiren, sind überzeugt, daß für eine Besserung der Arbeitsbedingungen der Frauen die Schutzgesetze ebenso wichtig sind, wie die gewerkschaftliche Organisation.
Das Eindringen der Frauen in die Industriezweige hat die Tendenz, die Löhne der Männer herunterzudrücken. Zuerst werden zwei Lohnsätze festgelegt, ein höheres für Männer, ein niedrigeres für die Frauen. Die Arbeiter erhalten zunächst die schwierigere, besser gezahlte Arbeit. Sobald die Frauen eingeschafft sind, erhalten sie gewöhnlich die gleiche Beschäftigung wie die Männer, aber zu dem ihnen anfangs für leichtere Verrichtungen gezahlten niedrigeren Lohne. Die Männer werden in der Folge aus der Arbeit verdrängt, dafern sie sich nicht ebenfalls mit der schlechteren Bezahlung begnügen. Schwierig, aber richtig ist es, diesen Zuständen gegenüber dem Grundsatz zur Durchführung zu verhelfen: gleicher Lohn für gleiche Arbeit...
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Aus Furcht vor der Konkurrenz der Frauen haben die Arbeiter sich oft unverständiger Weise der Gründung von Frauengewerkvereinen widersetzt. Gegenwärtig sehen sie meist ein, daß die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen das beste Mittel ist, die schlimmsten Folgen von deren Konkurrenz abzuwenden oder wenigstens zu beschränken. Mit Freuden fann ich konstatiren, daß die Arbeiter die Bestrebungen des Verbandes" oft fördern, ihn mit Zeit und Geld 2c. unterstützen.... Die besten Fortschritte macht die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen in Nordengland , theils in Folge der höheren geistigen Entwicklung der Bevölkerung, theils in Folge der industriellen Verhältnisse. Der Norden weist die stärksten Arbeiterorganisationen auf und auch die größte Zahl der gewerkschaftlich organisirten Arbeiterinnen. Von den in Großbritannien etwa hundert tausend organisirten Arbeiterinnen sind 95 Prozent in der Textilindustrie beschäftigt. Von den Baumwollwebereien in den nördlichen Distrikten sind etwa 60 Prozent organisirt. In den Distrikten, aus denen die Gewerkschaft der schottischen Spinner und Weber ihre Mitglieder rekrutirt, gehören etwa 50 Prozent der einschlägigen Arbei terinnen der Organisation an. 25 Prozent der Arbeiterinnen der Wirkindustrie von Nottingham und Leicestershire sind organisirt.
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Kein Zweifel, daß die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen Fortschritte macht und daß die Tendenz der Arbeitergewertschaften wächst, Frauen als Mitglieder aufzunehmen. Jedoch ist es ein Traum, wenn man wähnt, die Lage der Arbeiterinnen durch die Macht der Organisation, durch die Selbsthilfe allein, wesentlich verbessern zu können. Auch die Gesetzgebung muß zu diesem Zwecke eingreifen. Aber gerade um die Durchführung guter Gesetze zu sichern, ist das Wirken einer starken Arbeiterorganisation von hoher Bedeutung, ja unerläßlich. Diese kann auch sehr Nützliches bieten, um die Aufmerksamkeit des Fabrikinspektors auf die Uebertretung der Gesetze zu lenken. Nichts ist unberechtigter, als die Gewerkschaften für die Kämpfe zwischen Arbeitgebern und Arbeitern verantwortlich zu machen. Mit oder ohne das Vorhandensein von Gewerkschaften wird es Kämpfe und Unzufriedenheit seitens der Arbeiter geben, so lange wie die Natur der Arbeitgeber als Klasse unveränderlich bleibt. Ohne die Thätigkeit und den Einfluß der Gewerkschaften würde diese Unzufrie denheit sich wahrscheinlich in verhängnißvollerer Weise äußern, als wie dies der Fall ist.
Die heilige Stellung der Frau.
Heilig ist die Stellung der Frau! Die Staatsraison giebt und nimmt sie denen, die von Gottesgnaden" geboren sind. Deutsche Fürstentöchter erkaufen diese Stellung und den Kaiserthron um den Preis ihres Glaubens. Manche Fürstin hat ihren Friedrich Wilhelm II. gefunden und daneben seine Riezz.
Heilig ist die Stellung der Frau! In den Kreisen der oberen Zehntausende wird diese Stellung in den Zeitungen feilgeboten wie Zwiebeln, Kleiderstoffe, Petroleum, Häuser und Pariser Gummiartikel. Junge blühende Mädchen lassen sich an greise Wüstlinge verkuppeln, vorausgesetzt, daß deren Jahre und Laster vergoldet sind. Dämchen, die ,, Rath und Hilfe in diskretem Falle" bei einem erfahrenen, absolut zuverlässigen Arzt suchen mußten, werden Dank des erschacherten Gatten zu züchtigen„ Hausehren". Prostitution, Kebsweiberwirthschaft, Hahnreithum und Syphilis singen ein gar klangvolles Lied von der heiligen Stellung der Frau. Ein Stab dienstbarer Geister führt das glänzende Hauswesen. Miethlinge betreuen die Kinder seit ihrer Geburt. Nur der fatale Aft des Gebärens ist der ,, Gnädigen" geblieben, und wie oft nicht beugt„ weise Vorsicht" ihm vor! Im Theater und Konzerthaus, bei Bällen, Visiten und Gesellschaften, überall wo die Ausstellung von Brillanten, Spitzen und nacktem Frauenfleisch möglich ist, übt die Dame die ernſten Pflichten ihrer heiligen Stellung. Die besten Frauen jener Kreise ringen sich die Seele wund gegen die Hohlheit, Verlogenheit und Schmach ihrer Lage. Sie fordern einen durch Pflichtleistungen veredelten Lebensinhalt außerhalb des Hauses. Man weist sie in ihr„ Puppenheim" zurück, an den heiligen Herd, dessen Flamme die perfekte Köchin" hütet.
Heilig ist die Stellung der Frau! Die Dressur für die Jagd auf den„ standesgemäßen" Erhalter bestimmt die Erziehung der mittelbürgerlichen Töchter, und diese Jagd selbst macht ihres Lebens Inhalt aus. An der Schwelle der heiligen Stellung steht der Ball, der Fleischund Sklavinnenmarkt, wo entblößte Arme, Schultern und Busen den Käufer auf Lebenszeit anlocken, ihm unter Lichtgefunkel und rauschenden Walzerklängen zuraunen: Kauf' mich! Nein mich! Nein mich! In geistiger Enge und Beschränktheit, Zeit und Kraft auf tausenderlei Nichtigkeiten zersplitternd, oft von Sorgen gequält, vom Kampfe für die Wahrung des standesgemäßen Deforums aufgerieben, wirthschaftet die Frau als des Hauses Aschenputtel. Verlacht, verhöhnt wird die vergrämte, verbitterte alte Jungfer in der Verwandtschaft von Pontius zu Pilatus gestoßen. Nach vielen Tausenden zählen die bürgerlichen Frauen, die hinaus müssen ins feindliche Leben, hinein in das rauhe Sturmesgetos des Existenzkampfes, dem„ zarten Weibe" erschwert durch Vorurtheil und gesetzliche Schranken. Noth und höheres Streben heißen Unterhalt und erweiterten Pflichtkreis in der Gesellschaft fordern. Man reicht der Heischenden den Kochtopf, für den keine eigene Feuerstelle mehr brennt.
Heilig ist die Stellung der Frau! Die Frau des werkthätigen Volkes muß Lohnsklavin sein. Von der Armuth an die Maschine, an die Berufsarbeit geschmiedet, muß sie fremdem Reichthum frohnden. Nicht als Würze des Lebens lernt sie die Arbeit kennen, als Sklaverei. In grauem Einerlei spinnt sich ihr hartes, ermüdendes Tagwerk ab. Des Frühlings liebliche Pracht darf sie nicht grüßen. Der Jugend heiteres Spiel, ihr winkt es nicht. Nicht ihr beut der Garten seine Früchte, der Wald Kühle und Vogelgezwitscher, der Fluß sein Silbergeflimmer, das feenhaft erleuchtete Magazin seine Schätze. Was die Kunst geschaffen, was die Wissenschaft giebt, ihr darf es nicht zu eigen werden, und wenn darob das Herz die Brust vor Schmerz zu sprengen droht, und wenn das Talent verzweifelt gegen sein Verkümmern sich aufbäumte. Familienglück, Mutterpflichten