und Mutterfreuden, ihr werden sie vergällt und entrissen. Sie kennt das Sehnen des Gatten nach einem traulichen Heim. Sie kann es ihm nicht bereiten. Sie fühlt, wie vom Hauche des verarbeiteten Giftes getroffen das Leben dahinwelft, das sie in ihrem Schoße trägt. Sie vermag es nicht zu retten. Lauter als der Fabriklärm tönt in ihrem inneren Ohr das Schreien der Kleinen daheim, die Niemand betreut. Sie muß sie sich selbst überlassen. Als Mehrwerth schaffende Hand" nur hat sie Anrecht auf die Existenz in dieser besten aller Welten. Als der Kapitalisten Lastthier! Und als sein Lustthier auch, dafern ihre Jugend und Anmuth sein Begehren reizt. Ein proletarisches Mädchen zu freien, fi donc, wie unfein! Ein prole­tarisches Mädchen zu verführen, wie standesgemäß! Die Arbeiterin zu ehren, Kanailleforderung! Die Arbeiterin zu vergewaltigen, Herren­recht! Und der Preis für die Proletarierinknechtschaft? Ein Lohn, zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben. Die Entbehrung ein stän­diger Gast in ihrem Heim, der Hunger kein seltener, die Sorge die. treueste Hausfreundin. Im Rahmen dieser Eristenz treten sie uns entgegen: die blutlose Näherin, die nervöse Spinnerin und Weberin, die vergiftete Arbeiterin der chemischen Fabriken, das kaum der Schule entwachsene Lehrmädchen", und wie sie alle heißen, die Märtyrerinnen der Arbeit, denen das Kapital alles raubt, was das Leben lebens­werth macht. Und in ihrem Gefolge, welcher herzzerreißende Zug von siechen, verfümmerten, verkrüppelten Rindergestalten.

Heilig ist die Stellung der Frau! Im Tingeltangel kreischt die geschminkte, mit Flitterkram behängte Sängerin" ihre Zoten. Die Balleteuse dreht sich im winzigsten Röckchen vor den geilen Blicken alter und junger Lebemänner. Durch die herausforderndsten Kostüme, Stellungen und Geberden peitscht die Zirkusdame die Lust ihrer Ver­ehrer zu rasender Gier an. Straßen und Nachtcafés hallen vom frechen Gelächter der Prostituirten, die des Käufers warten manch­mal mit leerem Magen. Wer zählt sie alle, die Opfer des Hungers und des Goldes, die die Straße verschlingt!

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Heilig ist die Stellung der Frau! Der Mann ist ihr Vormund in der Familie. An öffentlichen Rechten steht sie mit Kindern, Ehr­losen und Blödsinnigen auf einer Stufe.

Heilig ist die Stellung der Frau! Die Sozialdemokratie bedroht sie. Sie zeigt dem Weibe seine ganze Schmach, der Proletarierin die Größe ihrer Knechtschaft. Sie ist durchdrungen von der Würde der Frau, daher zuerkennt sie ihr gleiche Rechte wie dem Manne. Aus der Hohlheit des Reichs der konventionellen Lüge, aus der Beschränkt heit fleinlicher Verhältnisse, aus dem Sumpfe des Lasters, aus des Kapitals Frohn weist sie ihr den Weg zur Freiheit. Als Ebenbürtige stellt sie die Frau neben den Mann, als Erzogene giebt sie die Mutter den Kindern zurück. Ihr ist die Stellung der Frau in der That heilig. Es giebt Worte, die nicht etwa über der Kritik sind, die aber außerhalb der Kritik bleiben müssen. Wo ein byzantinisch gedrehtes und gedeuteltes Strafgesetz den Mund verschließt, da geben die That­sachen die Antwort. Und ihre Antwort ist deutlich.

Die Lekten werden die Ersten sein.

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So sprach er. Palästinas schöner Himmel, Beim Sonnenuntergang im Westen, malte Sich leuchtend roth wie Blut.

Ein Haufen Wolken bei dem letzten Schimmer Der Sonne scheinbar wie Ruinen strahlte Von Städten rauchend in des Feuers Gluth. Beim feierlichen Abendglühn, dem hellen, Des Gottes weiße Kleider auch erschienen Von Flammen eingefaßt.

Auf Wald und Wüsten und des Meeres Wellen, Auf Kinder, knieend und mit frommen Mienen, Auf weinender Besiegter Kettenlast

Erdröhnte seine Stimme.( Ringsum Schweigen, Das tiefste Schweigen.) Wer im Schatten lebte, Licht morgen haben soll,

Dem Blinden   wird der Tag sich wieder zeigen, Wer einsam war und weinend, fluchend bebte, Jauchzt morgen freudevoll.

Wer zitternd fror und wen fein Mensch erwärmte, Wer hungerte und Beistand nie gefunden,

Wer liebedürftend war

Und ungeliebt sich bis zum Sterben härmte, Wer schuldlos preisgegeben allen Wunden, Der Schmach und Schande gar, Pflückt morgen Myrthen, Veilchen   voller Wonne Im Waldesgrün, an zauberhaften Orten,

Wo Wünsche Recht verleihn.

Von Freiheit trunken, trunken von der Sonne, Zieht er durch Palmen zu der Strahlenpforte Der hehren Zukunft ein!...

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Empor, empor, ihr Sklaven und Gebückten, Empor, empor, Verworfne, Demuthsvolle,

Die Stunde fam herbei.

Im Namen Gottes auf, du Volk von Unterdrückten, Zum Schild dir Gottes Namen dienen solle, Geh, siege und verzeih!...

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Dies sprach er aus. Die Völker und die Himmel, Die stillen Palmen, Felder, Wald und Wellen, Sie lauschten. Ernste Frau'n, Gehüllt in langer Schleier düstern Schimmern, Sahn mit den Augen, drin die Thränen quellen, Den Traum vom Morgen ohne Sturmesgrau'n. Im Schoß der Erde und im Meeresgrunde Die Keime fünftiger Zeitalter sprangen

Bei dieser Stimme Ton.

Indeß die Luft durchdrang die Himmelskunde, Hielt er mit reinem Blick die Welt umfangen.. Und seiner harrt' das Kreuz im Schatten schon.

Ada Negri  .

Aus: Stürme", Deutsch von Hedwig Jahn. Verlag von Alexander Dunder, Berlin  .

Kleine Nachrichten.

Eine folgenreiche Revolution in der Kartonnagenfabri­kation steht bevor. Ein dreiundzwanzigjähriger Italiener, Mario Gatti, hat eine Maschine erfunden, welche bestimmt ist, die Hand­arbeit so gut wie vollständig aus der Pappschachtelfabrikation zu ver­drängen. Ein sinnreich konstruirter Mechanismus, über den Papp­streifen ohne Ende gehen, schneidet, rollt und gummirt die Pappe, flebt sie zum Schachtelzylinder zusammen, schneidet den Boden und setzt ihn an und überzieht das Ganze mit Papier  . Eine zweite Maschine stellt in der gleichen Weise automatisch die Schachteldeckel her. Will man eckige Schachteln fabriziren, so brauchen in dem gleichen Mechanismus nur etliche bewegliche Theile gewechselt zu werden. Die fertige Schachtel wird mechanisch in einen Sammler" geworfen. Mittels entsprechend angepaßter Maschinen können alle Arten Schachteln von den kleinsten bis zu den größten hergestellt werden. Die Maschine Gatti fabrizirt in der Minute 35 kleine oder mittelgroße Schachteln, in der Stunde also 2100, ohne Deckel, 1050 mit Deckel. Die geschick­testen Arbeitskräfte vermochten bis jetzt nicht mehr als höchstens 52 Stück in der Stunde fertigzustellen. Sollte die Maschine in der Praxis sich bewähren und Fachleute erklären dies für sicher- so fliegen Hunderte und Hunderte von Kartonnagenarbeitern und zumal -Arbeiterinnen aufs Pflaster. Ein Fortschritt, der in einer vernünftig organisirten Gesellschaft ein Segen für die Schaffenden wäre, ihre Mühen erleichterte, die Möglichkeit der Lebensfreude für sie vermehrte, er verwandelt sich unter der Herrschaft des Kapitals in einen Fluch. Die Betheiligung der italienischen Sozialistinnen an dem bevorstehenden Wahlkampf hat eine zahlreiche Frauenversammlung in Mailand   dem Antrag der Genossin Dr. Kulischoff entsprechend beschlossen. Das Stimmrecht besitzen die italienischen Frauen aller­dings nicht. Dagegen sind die Genossinnen entschlossen, in jeder Weise ihren Einfluß zu Gunsten der sozialistischen   Kandidaturen aufzubieten, und mit aller Energie die Genossen bei Führung des Wahlkampfes zu unterstützen. Außerdem soll eine besondere Broschüre zur Agitation unter den Frauen verbreitet werden. Dieselbe soll nachweisen, daß die Interessen der Frau als Arbeiterin, Familienmutter und Staats­bürgerin nur in dem Maße gewahrt werden können, als die Arbeiter­flasse die politische Macht erobert.

Frauen in öffentlichen Aemtern. Im Staate Utah  , dem alten Mormonenstaat, wurde Frau Hughes gegen ihren eigenen Mann zum Senator gewählt. Die Erwählte ist Mormonin und praktizirt als Doktorin der Medizin. Sie erhielt 2609 Stimmen mehr als ihr Mann, welcher der Kandidat der Republikaner   war. Im Staate Colorado   eroberten die Damen Herz, Butler und Couine Site als Abgeordnete. Frau Grace Espey Patton wurde mit der Oberauf­sicht über alle Staatsschulen betraut. Das Amt eines Staatsanwalts Grafschaftsanwalts erhielt eine Frau in Illinois  . In Washington   soll Frau Hebart sich als Kandidatin der bäuerlich­fleinbürgerlichen Populistenpartei um das Mandat als Senator be­werben.

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Zur Beachtung.

Die Adresse der Vertrauensperson der Leipziger   Genos­sinnen ist:

Frau Auguste Jäger, Glockenstraße Nr. 4, Leipzig  .

Verantwortlich für die Redaktion: Fr. Klara Zetkin  ( Eißner) in Stuttgart.-

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Druck und Verlag von J. H. W. Diez in Stuttgart  .