Tode zu schanzen, und ihrem„ Necht ", feiernd Hungers zu sterben, es sei denn, daß sie in der Prostitution Zuflucht vor der einen und anderen Möglichkeit sucht.
Mögen die vom Unternehmer aufgestellten Arbeitsbedingungen noch so ungünstige sein, die Arbeiterin dem freudlosen Verkümmern überantworten: sie muß sich ihnen unterwerfen. Nicht von der hohen Kante her vermag sie die Mittel zu nehmen, solange beschäftigungslos auszuhalten, bis der Kapitalist ihr Arbeitsbedingungen bewilligen muß, die ihren Bedürfnissen gerecht werden. So hämmert die Armuth die Freiheit der Arbeiterin zusammen zur Fügsamkeit gegen die kapitalistischen Forderungen. Der Besitz dagegen verleiht dem Unternehmer die Macht, die Ansprüche der Arbeiterin abzuweisen, wenn sie sein Profitbegehren auch nur um ein Titelchen fränken. Der Arm der Arbeiterin feiert, und die Arbeiterin muß hungern. Die von der Arbeiterin bediente Maschine des Kapitalisten steht still, und der Kapitalist kann leben, kann reichlich leben, nicht er, nicht die Seinigen lernen Schmalhans als Küchenmeister kennen, geschweige denn daß der Hunger über die Schwelle des Heims tritt. In den meisten Fällen verliert nicht einmal der Profit des Unternehmers um das Tüpfelchen auf dem" i", wenn die einzelne Arbeiterin trop des Drohens der Hungerpeitsche die Arbeit niederlegt. Schnell ist in unserer Zeit Ersatz für eine Rebellin gegen Kapitalsmacht gefunden. Der freie Arbeitsvertrag der freien Arbeiterin" gleicht dem Ausgang eines Kampfes zwischen einem Waffen- und Wehrlosen und einem vorzüglich gepanzerten und gerüsteten Manne.
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Die wirthschaftliche Macht des Kapitalisten zur Ausbeutung siegt über das Recht der Arbeiterin, auf Grund ihrer Arbeitsleistungen eine Eristenz im vollen Lichte der Kultur zu führen. Und diese Macht braucht der Unternehmer nicht nur, er mißbraucht sie gegenüber der wirthschaftlich und sozial schwachen Proletarierin. Mittels ihrer verwandelt er die Arbeiterin in die Lohnsklavin, in ein Werkzeug seiner Profitpresserei. Mittels ihrer zwingt er zu Nuz und Frommen seines Geldsacks der Arbeiterin lange Arbeitsstunden auf, Hungerlohn, eine Frohn in ungesunden Räumen, eine fümmerliche Lebenshaltung im Banne steter Sorgen und Entbehrungen.
Nur die Beschränkung der Macht des Unternehmers, den Arbeitsvertrag einseitig mit Rücksicht auf seinen Profit zu gestalten, ermöglicht es mithin der Arbeiterin, ihre wichtigsten Lebensinteressen zu wahren, sich in Gestalt guter Arbeitsbedingungen die Voraussetzung für eine wirthschaftlich und sittlich gesunde Eristenz zu sichern. Die kapitalistische Ausbeutung muß gezügelt werden durch die Gesetzgebung, welche durch Bestimmungen über die Arbeitszeit, die Beschaffenheit der Arbeitsräume 2c. 2c. Schranken errichtet, welche die Profitgier des Unternehmerthums nicht überschreiten darf. Die tapitalistische Freiheit der Ausbeutung muß bekämpft werden durch die Gewerkschaftsorganisation, welche schlechte Arbeitsbedingungen energisch zurückweist und bessere Arbeitsbedingungen erringt. Die Gewerkschaft faßt alle die einzelnen, wirthschaftlich schwachen Arbeiterinnen und Arbeiter zu einer Macht zusammen und stellt diese der Kapitalsmacht entgegen. Ohnmächtig, wie Wogenschaum an einem granitnen Felsen zerstieben an dieser Macht die Versuche der einzelnen Arbeiterin, dem ausbeutungsfrohen Anwender aus kömmlichen Lohn und Milderung der Frohn zu entreißen, d. h. ein Stück ihres Lebens. Mit den Forderungen einer großen, festgefügten, geldkräftigen und zielklaren Organisation muß auch der progigste Unternehmer rechnen. Die Macht der Organisation, in der Alle für Einen stehen, verleiht der Arbeiterin, wessen sie als Einzelne im Kampfe mit dem Stapitalisten ermangelt: wirth schaftliche Stärke. Sie giebt ihr damit einen Theil der Freiheit zurück, ihre Arbeitskraft nur zu den möglichst günstigen Be dingungen zu verkaufen. Sie ermöglicht es ihr, der kapitalistischen Profitgier und Herrschsucht gegenüber Arbeiterrecht zur Geltung zu bringen.
Arbeiterinnen, seid Ihr es müde, in schwerer Plage ein färglich Brot zu gewinnen, das oft nichts als Eure Sorgen würzen, Eure Thränen neßen: Organisirt Euch! Seid Ihr es überdrüssig, zur Mehrung fremden Reichthums Eure Gesundheit preiszugeben, Euer Familienglück zu opfern, Eure Pflichten gegen Kinder und Gatten zu vernachlässigen, Euer Sehnen nach Bildung, Lebens
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freude, Selbstbestimmungsrecht zu unterdrücken: Organisirt Euch! Wollt Ihr der ausbeutungsgierigen Kapitalsmacht zum Trozz weniger Arbeitsmaschinen und mehr Menschen sein: Organisirt Euch, vertheidigt Euch!
Kritische Bemerkungen zu Genossin Brauns Vorschlag.
III.
Zu dem Artikel von Lily Braun - Gizycki in Nr. 6 der„ Gleichheit":" Die nächsten Aufgaben der deutschen Arbeiterinnenbewegung" sich zu äußern, fann auch eine von den proletarischen Kämpferinnen nicht unterlassen, die nach Genossin Braun kaum der Schule entwachsen, in den Kampf ums Dasein traten und in färglichen Stunden sich zu bilden suchten. Nach dem beregten Artikel ist neben anderem von wesentlichem Einfluß auf das langsame Fortschreiten der Arbeiterinnenbewegung, daß die„ Kerntruppen, die Offiziere" einer höheren Bildung, der ausgebreiteten und vielseitigen Kenntnisse auf dem Gebiete der Sozialpolitik ermangeln. Dem Mangel sollen die bekannten Vorschläge abhelfen. Ich will gar nicht bestreiten, daß es wünschenswerth und nüßlich wäre, wenn die im Vordertreffen stehenden Genossinnen insgesammt mit umfassenden Kenntnissen auf den von Genossin Braun angeführten Gebieten ausgerüstet wären. Aber wenn Genossin Braun nicht erst ganz kurze Zeit in unserer Bewegung stünde, so müßte sie wissen, daß das gerügte lückenhafte Wissen nicht die Folge einer mangelnden Bildungs- und Erziehungsorganisation ist, vielmehr der Lebensverhältnisse der proletarischen Frauen. Nicht eine neue Organisation vermag darum nach der Richtung hin Aenderung zu schaffen. Die Proletarierinnen besitzen nicht die Zeit, um auf sozialpolitischem Gebiete ausgebreitete Einzelfenntnisse in methodischer Weise zu sammeln. Sie müssen sich damit begnügen, so viel geschichtliches und wirthschaftliches Wissen zu erwerben, daß sie die proletarische Klassenlage begreifen, die großen gesellschaftlichen Entwicklungslinien flar erkennen, die geschichtlich wirksamen Ursachen und Zusammenhänge erfassen. Sind sie in der Richtung aufgeklärt uta
und geschult, so erlangen sie die Ueberzeugung von der nothwendigen Entwicklung der Gesellschaft aus einer fapitalistischen in eine sozialistische, werden der Aufgaben des Proletariats auf gewerkschaftlichem und politischem Gebiete bewußt und setzen für ihre Lösung opferfreudig ihre Kräfte ein. Die von Genossin Braun geforderten Kenntnisse allein führen nicht zur sozialistischen Ueberzeugung und treiben nicht zur Bethätigung im proletarischen Klassenkampfe. Wäre dem so, so müßten all die Sozialpolitiker, Ethifer u. s. w. im sozialistischen Lager stehen.
Die Arbeiterinnenbewegung hängt eng mit der Arbeiterbewegung zusammen, ist nur ein Theil, eine Seite derselben. Eine moderne Arbeiterbewegung ist nicht denkbar ohne die Betheiligung der Frauen. Deshalb steht auch die sozialdemokratische Partei nicht hinter der proletarischen Frauenbewegung, sondern die kämpfenden Proletarierinnen gehören ihr, gehören der Gewerkschaftsbewegung an. Die Aufgaben, welche die eine und die andere den Genossinnen stellt, nehmen deren Kräfte und Zeit vollauf in Anspruch. Mehr noch, die unserseits vorhandenen Kräfte reichen für die wachsenden Anforderungen
noch nicht aus.
Unsere Bewegung schießt nicht wie eine Treibhauspflanze in der warmen Luft der guten Wünsche Einzelner empor. Sie entwickelt sich mit der fortschreitenden wirthschaftlichen Umwälzung. Je mehr die proletarische Frau von der allzu großen Last häuslicher Arbeiten befreit und in die Fabrik gedrängt wird, um so mehr wird die Masse der Proletarierinnen für die Idee des Klassenkampfes zugänglich, um so zwingender werden für sie die Gründe, sich an diesem zu be= theiligen. Dem Wirken der Genossinnen steht ein weites Feld offen, dessen Bebauung erst im bescheidenen Umfange begonnen hat. Durch ihre Agitation in weiten Kreisen, wie in Familie, Werkstatt, unter Freun den und Bekannten müssen sie das unklare proletarische Empfinden zum flaren Bewußtsein bilden, dazu anspornen, daß der Erkenntniß das Handeln entspricht. Ihre eigene Thätigkeit wie die Bethätigung der wachgerüttelten Schwestern ist um so schwieriger, als die elende Lage der proletarischen Familie es meist nicht gestattet, daß Mann und Frau in der Bewegung gleich eifrig thätig sind. Mehr noch in Folge ihrer vielseitigen Pflichten, als in Folge der Gewohnheit bethätigt sich die Frau in weniger hervorragender Weise als der Mann. Oft muß sie durch ihre fleißige Arbeit diesem erst die Möglichkeit zu ausgiebiger Bethätigung in der Bewegung verschaffen.
Die Vorschläge der Genossin Braun, welche die vielfach„ vernachlässigte" Wirksamkeit nach innen und nach außen heben sollen, laffen bei uneingeweihten leicht den Gedanken aufkommen, als sei bisher in den verschiedenen angedeuteten Richtungen nichts geschehen. Und doch haben wir fast aller Orten Gewerkschaften, Gewerkschafts
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