nahezu die Hälfte. Leider fehlen die Angaben, wieviel die Zahl der in Altenburg   thätigen Arbeiterinnen betrug, so daß sich nicht berechnen läßt, in welchem Verhältnisse die Zahl der organisirten zu derjenigen der nichtorganisirten weiblichen Arbeitskräfte steht. Sicher ist dagegen die Thatsache, daß im letzten Jahre auch in Altenburg   die gewerk­schaftliche Organisation der Arbeiterinnen wie der Arbeiter erfreu­liche Fortschritte gemacht hat.

Der Verein der graphischen Arbeiter und Arbeite­rinnen Berlins   zählte am Schluß des 4. Quartals 1896 laut Bericht 1065 männliche und 227 weibliche Mitglieder. Die Ein­nahme und Ausgabe des Vereins betrug für das Quartal 2516,25 Mt. An die Hauptkasse wurden 1849,77 Mt.   abgeschickt. Die Unter­stützungskommission hatte in der Zeit vom 18. Mai 1896 bis 18. Januar 1897 eine Einnahme von 1200,45 Mt., eine Ausgabe von 1160,30 Mt.

V

Berichtigung. In der Notiz über den Verbandstag der in Buchbindereien, der Papier und Ledergalanterie­waaren Industrie beschäftigten Arbeiter und Arbeite­rinnen heißt es irrthümlicher Weise, daß die Unterstützung der von der Generalkommission eingeleiteten Enquête über die Frauenarbeit abgelehnt wurde. Der Verbandstag beschloß vielmehr die Unter­stützung dieser Arbeit. Die Nachricht war uns von gut unter­richteter Seite zugegangen, und der Irrthum erklärt sich dadurch, daß der Verbandsvorsitzende Dietrich Stuttgart ausführte, der Ver­bandsvorstand erachte die Enquête in der geplanten Ausführung für werthlos, sei aber der Meinung, daß man trotzdem ihr die Unter­stützung nicht versagen könne. Andere Redner waren der gleichen Ansicht.

Zwei wackere Kämpferinnen sind in letzter Zeit durch den Tod aus Reih und Glied des klassenbewußten Proletariats gerissen worden.* In London   starb im Februar Frau Johanna Becken­stedt, eine unserer ältesten Parteigenossinnen. Seit ungefähr fünfzehn Jahren gehörte sie als Mitglied dem Kommunistischen Arbeiter­bildungsverein Tottenham Street 49 an. Nicht blos durch Liebe und Achtung, auch durch innige Ideengemeinschaft mit dem Gatten ver­bunden, von dem gleichen Eifer wie er beseelt, die Ziele der sozia­ listischen   Arbeiterbewegung zu fördern, lebte sie dreiundzwanzig Jahre in einer ungemein glücklichen Ehe. Als Genossin erfüllte sie jederzeit treulich ihre Pflicht: stets war sie zu thatkräftigem Eintreten für ihre Ideale bereit, nie schreckte sie vor nöthigen Opfern und Mühen zurück. Besonders thätig war sie zur Zeit, wo sich die Londoner Freie

* Wegen Raummangels verspätet.

ausdrücken könne. Herr Jammermann sah dies alles sehr klar, und er entschloß sich, den Geschäftsfreund aus seiner peinlichen Verlegenheit zu befreien. Als die gegenseitige Abrechnung ihrer geschäftlichen Forderung herankam, sagte Jammermann kurz ent­schloffen zu dem Geschäftsmann: Lieber Freund, nach unserer Abrechnung hätte ich Ihnen noch 500 Mart herauszuzahlen, die behalte ich für den Empfehlungsbrief. Sie brauchen sich also den Kopf nicht zu zerbrechen, wie Sie mir am besten danken fönnen. Dant begehre ich nicht." Damit verließ er den ver­blüfften Geschäftsmann, der wahrscheinlich aus Rührung kein Wort der Erwiderung fand. Aus Zartgefühl hatte sich also dieser edle Jammermann die Gefälligkeit selbst bezahlt gemacht.

61

Presse" noch im Besitz der Genossen befand. Im Verein mit dem Gatten that sie ihr Bestes, um die finanziellen Schwierigkeiten zu bekämpfen, welche sich der Existenz des Blattes entgegenstellten. Das Begräbniß der Genossin Beckenstedt gestaltete sich zu einer groß­artigen und erhebenden Feier, welche erkennen ließ, in welch dank­barer Achtung die Genossen und Genossinnen der Entschlafenen gedenken.

In Frankfurt   a. M. verschied nach längerem Leiden Genossin Trompeter, schon zu den Zeiten des schmachvollen Ausnahmegesetzes eine der überzeugungstreuesten und opferfreudigsten Anhängerinnen der sozialistischen   Idee. Tapfer und kaltblütig hielt sie in jenen schweren Tagen dem Untersuchungsrichter Fabricius stand. Mit mehr als einer lästigen Haussuchung bei ihrem Manne fand sie sich in heiterem Gleichmuth ab. Und als schließlich die Ausweisung des bewährten Vorkämpfers der Frankfurter   Arbeiterschaft fam, als die bescheidene Existenz der Familie dadurch mit einem jähen Schlage vernichtet wurde, da zog sie mit dem Gatten in die Fremde, ohne durch Murren oder Klagen seine moralische Widerstandskraft zu schwächen und seine Sorgen zu mehren. Schon in der Heimath hatte sie die Schwere des proletarischen Existenzkampfes kennen gelernt, nun ertrug sie standhaft das ungleich härtere Ringen ums tägliche Brot im Eyil, in London  , in der Schweiz  . Als treue Gefährtin stand sie auch in diesem Kampfe dem Gatten zur Seite. Als die Rückkehr der Familie möglich wurde, wendete Genossin Trompeter der sozia­ listischen   Bewegung nach wie vor rege und verständnißvolle Sympathie zu. Ihr umsichtiges, rühriges Walten in Haus und Geschäft trug ganz wesentlich dazu bei, dem Gatten die Möglichkeit zu schaffen, wieder mit an erster Stelle in der politischen und gewerkschaftlichen Bewegung Frankfurts   zu kämpfen. Ihr Tod ist für Gatten und Sohn ein herber Verlust. Genossin Trompeter erlag einem Lungen­leiden, von dem sie selbst ein längerer Aufenthalt in der vorzüglichen Anstalt zu Nordrach   im Schwarzwald   nicht zu heilen vermochte. Die Mühsal, die sie erduldet, die Pflichtleistungen, deren sie sich unterzog, haben jedenfalls zur Untergrabung ihrer Lebenskraft beigetragen. Ein Trauerzug von mehr als zweitausend Personen, darunter sehr viele Frauen, zeugte von der Sympathie und Verehrung, die der Verblichenen in Parteikreisen über das Grab hinaus folgt.

Leider verursachte das überschneidige Auftreten der Polizei eine Störung der imposanten Leichenfeier. Zahlreich, als ob es sich um einen niederzuknüppelnden gewaltthätigen Auflauf und nicht um ein Begräbniß handelte, hatte sich die Polizei auf dem Friedhof ein­gefunden. Nach den Verwandten trat der stellvertretende Vertrauens­

" Und die Mutter?"

Die ist die Köchin."

,, Und der Knabe bei Tisch?"

"

" 1

Das ist mein Bruder."

Also alle Verwandte, wer ist aber der Kutscher?"

,, Das ist der Vater des Herrn Jammermann."

Ich war eigentlich auf diese Ueberraschung vorbereitet, denn

es sah dem edlen Mann ähnlich.

Und sie werden alle im Hause gut gehalten?" fragte ich weiter. Das Mädchen zögerte mit der Antwort. Augenscheinlich hatte ihm Herr Jammermann verboten, von den empfangenen Wohlthaten zu erzählen.

Endlich sprach es:

"

Wenn für die Verschämten gesammelt wird, dann bekommen

Und sonst wohl Lohn?"

Die ganze Größe des Charakters des Herrn Jammermann sollte mir erst in dessen Hause klar werden. Es herrschte dort die vollständigste Harmonie, und Herr und Dienerschaft schienen wir alle etwas." nur eine große Familie zu sein. Diesen Eindruck hatte ich die ganze Zeit hindurch, und als der jugendliche Diener eben die Schüssel herumreichte, konnte ich nicht umhin, zum Hausherrn zu bemerken: Dieser Knabe sieht Ihnen aber frappant ähnlich."

" 1

Herr Jammermann wurde hierauf sichtlich verlegen, und es wurde mir sofort klar, daß ich unbewußt die Corde sensible( empfindsamste Saite) des edlen Mannes berührt hatte, irgend eine schöne That, die er gerne verheimlicht hätte. Ich schwieg, beschloß aber, der Spur nachzugehen, um hinter die edlen Schliche des verschämten Wohl­thäters zu kommen. Als mir das Stubenmädchen beim Abschied zur Stiege leuchtete, drückte ich ihr ein Gelbstück in die Hand und fragte: " Wie heißen Sie, liebes Kind?"

"

Elisa Jammermann."

Also eine Verwandte des Herrn?"

Die Nichte des gnädigen Herrn."

Und Ihr Vater?"

Der ist unten, der Portier."

"

Das Mädchen schüttelte den Kopf. Das sah ihm wieder ähnlich, dem edlen Jammermann. Sein Zartgefühl duldete es nicht, Verwandte gleich anderen bezahlten Dienern mit elendem Lohn abzufinden.

"

,, Sie bleiben aber gern im Hause?" schloß ich die Unter­redung.

Eine Thräne rann hier langsam über das Gesicht des Mädchens. Es gedachte augenscheinlich mit dankbarer Nührung all dec Wohl= thaten, die es im Verlaufe der Jahre im Hause genossen. Aber sprechen konnte es nicht.

Aber Gott   versteht auch diese Sprache. Einer der Engel, die speziell diesem Geschäft gewidmet sind, hat sich wahrscheinlich beeilt, diese kostbare Flüssigkeit aufzufangen und hinaufzutragen zu seinem Throne. Und dort bleibt sie deponirt bis zum Tage der großen Abrechnung. Und sie wird unstreitig schwer wiegen in der Wagschale des verschämten Wohlthäters".

"