sie umgebenden und berührenden sozialen Verhältnisse, über die Lage ihrer Eltern, ihre Stellung 2c. berichtet. Scharfe Streiflichter werfen ihre Ausführungen auf ,, Bergmanns Lust und Leid", auf proletarisches Mühen, Sorgen und Entbehren; auf all die Plackereien, Demüthi­gungen, Härten, mit denen die Ausbeutungslust und Anmaßung der Herrschaften die Dienstboten reichlich und täglich beglückt; auf den leidenschaftlichen Drang eines begabten Geistes, sich aus Unbildung zum Wissen emporzuringen. Immer häufiger macht sich im Laufe der Zeit in den Briefen eine entsagungsvolle Stimmung geltend. Die Schreiberin scheint es zu ahnen, daß es ihr nicht vergönnt sein wird, sich mit dem Verlobten zu vereinigen. Die Schwindsucht, deren Keim sie schon lange in sich trägt, rafft sie noch vor ihrer Verheirathung dahin. Der Herausgeber hat dem Buch eine äußerst pathetisch gehaltene Vorrede vorausgeschickt, die unseres Erachtens nicht geeignet ist, zur Lektüre der Briefe zu reizen. Dagegen ist die offene, rückhaltslose Sprache zu loben, in der soziale Verhältnisse und Mißstände geschildert werden. Zieht man von der Form und dem Inhalte der Briefe auch ab, was voraussichtlich auf Rechnung des Herausgebers gesetzt werden muß, so bietet das Vermächtniß eines armen Mädchens" doch des Lehrreichen und Anregenden genug. Es bringt unmittelbar den Ein­druck des Dienstbotenelends auf ein fein empfindendes Gemüth zum Bewußtsein; es offenbart das rastlose Streben eines reich begabten, ideal veranlagten Geistes, der nicht voll erblühen kann, weil die Armuth ihm Luft und Licht entzieht. So wendet es sich gegen die Mähr von den faulen und dummen Dienstmädchen"; so predigt es eindringlich die Forderung, den im Hausdienst ausgebeuteten Prole­tarierinnen und Proletariern menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu schaffen; so wird es zur lauten Anklage gegen eine Gesellschafts­ordnung, welche Bildung und Erziehung zu einem Vorrecht der Be­sitzenden stempelt, statt sie zum Gemeingut alles dessen zu machen, was Menschenantlig trägt. F. H.

Kleine Nachrichten.

Die Beseitigung der Gesindeordnungen, d. h. der mittel­alterlichen brutalen Ausnahmegesetze, unter denen das Gesinde und der größte Theil der Land- und Forstarbeiter stehen, und die Unter­stellung der betreffenden Personen unter die Reichsgewerbe­ordnung forderte ein Antrag der sozialdemokratischen Reichstags­fraktion, der kürzlich zur Verhandlung gelangte. Der Antrag wurde von dem Genossen Stadthagen   mit ebensoviel Sachkenntniß als Wärme und Schärfe vertheidigt. Genosse Molkenbuhr faßte in einem trefflichen Schlußwort die Gründe zusammen, welche für die sozial­demokratische Forderung sprechen. Der Antrag wurde mit allen gegen die Stimmen unserer Genossen abgelehnt. Nicht einmal der Freisinn der Herren Richter& Cie. reichte soweit, die einfache Be­seitigung des gesetzlich formulirten Unrechts der Gesindesklaverei zu unterstützen. Um aber doch den Schein der Volksfreundlichkeit zu wahren, beantragte der Freifinn an Stelle der einzelstaatlichen eine Reichsgesindeordnung zu setzen. Der Antrag wurde gegen die Stimmen der Rechten und etlicher Ultramontanen angenommen. Auch die geringe Besserung in der Stellung des Gesindes, die er erstrebt, ist den Herren Krautjunkern ein Greuel und Scheuel, am liebsten möchten sie die Gesindeordnungen durch die nackte Leibeigenschaft ersetzen.

Die Forderung auf Auſtellung weiblicher Hilfs- Fabrik­inspektoren, bezw. Vertrauenspersonen wurde Ende März im württembergischen Landtage von verschiedener Seite erhoben und vertreten. Unter Hinweis auf das Vorgehen Hessens   befürwortete der Volksparteiler Hähnle die Beiziehung weiblicher Hilfskräfte zur Gewerbeinspektion, da die Arbeiterinnen mehr Zutrauen zu weiblichen als zu männlichen Vertrauenspersonen hätten. Genosse Kloß trat in trefflichen Ausführungen energisch für die Anstellung weiblicher Assi­stenten der Fabrikinspektoren ein. Auch er betonte, daß den Arbeite­rinnen das Vertrauen zu den männlichen Beamten mangelt. Ferner machte er geltend, daß man in England die besten Erfahrungen mit der Amtsthätigkeit der weiblichen Inspektoren gemacht habe. Es sei diesen gelungen, Mißstände ans Licht zu ziehen, welche die männ lichen Beamten jahrelang nicht entdeckt hätten. Als besonders wichtige Reform erachtete er es ganz richtig, daß die weiblichen wie männ­lichen Hilfskräfte aus den Kreisen der Arbeiter und Arbeiterinnen genommen würden. Leute, die selbst praktisch thätig gewesen seien, wüßten auch, wo man Mängel zu suchen habe; Elemente aus dem Arbeiterstande würden das rückhaltslose Zutrauen der Arbeiterinnen und Arbeiter schnell gewinnen. In seiner Antwort servirte der Minister von Pischek in einer etwas milderen Sauce die bekannte Berlepsch'sche Behauptung über die mangelhafte Amtsthätigkeit der eng­lischen Fabrikinspektoren, jene Behauptung, welche Sir Charles Dilfe öffentlich widerlegte, ohne daß das preußische Ministerium etwas aus der Widerlegung gelernt hat. Herr von Pischek   meinte, in den

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ihm zugegangenen Berichten über die Amtsführung der englischen Fabrikinspektorinnen wurde festgestellt, daß dieselben- huhu, schreck­lich zu sagen sich von politischen Agitationen nicht ganz fern hielten. Ferner, daß sie nicht die erforderlichen technischen Kenntnisse und nicht die genügende Autorität gegenüber den Unter­nehmern besäßen. Was die Forderung anbelangt, weibliche Ver­trauenspersonen zwischen den Arbeiterinnen und der Gewerbeinspektion vermitteln zu lassen, so sehe dieselbe sehr vielversprechend aus. Die Frage sei jedoch, wo die Kräfte herbekommen. Man habe daran ge­dacht, Diakonissinnen und barmherzigen Schwestern das Vertrauens­amt zu übertragen.(!!) In Baden nahmen Frauenvereine die Ver­mittlung zwischen den Arbeiterinnen und der Fabrikinspektion in die Hand. Doch lauten nach dem neuesten Bericht des Gewerbeinspektors die gemachten Erfahrungen nicht günstig. Die Arbeiterinnen bekunden kein Interesse an der geschaffenen Einrichtung. Es sei zu wünschen, daß die Inspektoren sich an den ein­zelnen Orten weibliche Auskunftspersonen anstellen. Was die Zuziehung von Kräften aus Arbeiterkreisen zur Fabrikinspektion betreffe, so befürchte er, daß dieselben sich nicht frei von dem Ein­fluß der politischen Organisationen halten, auch schwerlich die erforderlichen Kenntnisse haben würden. Genosse Kloß widerlegte die letzten beiden Behauptungen, der Volksparteiler Haußmann er­flärte, die Schwierigkeit der Anstellung weiblicher Vertrauenspersonen sei nicht so groß. Diakonissinnen und Mitgliedern bürgerlicher Frauen­vereine gehe das Zutrauen der Arbeiterinnen ab, auch besäßen sie schwerlich die nöthige Zeit, die Mittlerrolle zwischen diesen und der Fabritinspektion auszuüben. Ein Beschluß zu der Frage wurde nicht. gefaßt. Wie reimt Herr von Pischek   die Behauptungen der ihm vor­gelegenen Berichte über das Wirken der englischen Fabrikinspektorinnen zusammen mit der Thatsache, daß die englische   Regierung die Zahl der weiblichen Aufsichtsbeamten stetig vermehrt hat und letztes Jahr die zuerst mit der Gewerbeaufsicht betraute Miß Abraham zur Oberinspektorin ernannte? Warum die Arbeiterinnen wie in Baden kein Zutrauen zu Vertrauenspersonen haben, die sich aus den Kreisen der Frauen und Töchter von Unternehmern und hohen Be­amten rekrutiren, liegt doch auf der Hand. Wer wird den Teufel bei seiner Großmutter verflagen! Was die ministeriellen Bedenken gegen die Zuziehung von Hilfskräften aus Arbeiterkreisen zur Ge­werbeinspektion anbelangt, so ist es klar, daß der Hase des Zweifels an den nöthigen Kenntnissen der Proletarier begraben liegt in dem Pfeffer der Furcht vor dem Einfluß der politischen Organisationen". An der Arbeiterklasse liegt es, durch energisches Eintreten für die fraglichen Reformforderungen die Zweifel"," Befürchtungen, Be­denken" 2c. der Regierungen zu beseitigen.

Für das Reformgymnasium oder Mädchengymnasium in Karlsruhe   hat der Bürgerausschuß dieser Stadt eine Subvention von 2000 Mark einstimmig bewilligt. Daß die Sozialdemokraten, welche im Karlsruher   Rathhause Siß und Stimme haben, der For derung gern zustimmten, ist selbstverständlich.

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Die ,, höhere Tochter" als Retterin der uferlosen Flotten­pläne ist in Braunschweig   mobilisirt worden. Die dortige städtische höhere Mädchenschule veranstaltete am 23. März eine Zentenarfeier mit Eintrittskarten zu 1 und 2 Mart. Der Reinertrag der Einnahme soll der deutschen Flotte zu Gute kommen. Wie hoffnungsfreudig muß nicht ob solches höhertöchterlichen Patriotismus das Herz des schiff und schlachtfrohen Herrn von Hollmann klopfen, der aus be­kannten Gesundheitsrücksichten" in Urlaub" ging. Einen Orden für die braven Seelen, die den ergötzlichen Gedanken ausheckten, die frischgewaschene und-gebügelte, deklamirende und lebende Bilder stellende höhere Tochter" zur Rettung der Flottenpläne neben den freiwilligen und unfreiwilligen Seeulanen" innerhalb und außer­halb des Reichstags aufmarschiren zu lassen. Vielleicht einen neu­gegründeten Orden mit enthüllten Flammenzeichen" von dem be­rühmten ,, märkischen Eichenlaub" umkränzt, das auch im Winter rauscht. Der Reinertrag der Feier, die wohlverstanden nicht zu Fast­nachten stattfand, sondern erst nach dem offiziellen Narrentag, reicht zwar leider nicht aus, um die Kosten der geforderten Kriegsschiffe zu bestreiten. Aber hoffentlich genügt er, wie ein Braunschweiger Blatt spottet, zur Anschaffung von dem Wollhemd, der Jacke und ein Paar Hosen, der Mütze dazu für'n Reichsmatrosen". Wie wäre die pflicht­eifrige Polizei gegen einen proletarischen Frauenverein verfahren, der ein Fest zu dem ausgesprochenen Zweck arrangirt hätte, mit dem Reinertrag die sozialdemokratische Bewegung zu fördern? Sie hätte das Fest verboten und die Organisation aufgelöst. Frauen dürfen sich in ihren Vereinen nicht mit politischen Angelegenheiten beschäf= tigen", so hätte die Begründung der Maßregeln gelautet. In den Schulen der höheren Töchter" darf man dagegen Stellung zu einer so hochpolitischen Frage wie der Flottenvermehrung nehmen. Was