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einem breiten Volant garnirt- so erfüllen sie ihren Zweck recht unvollkommen. Betreffs der Oberkleidung geht das Streben dahin, die Last der Röcke von den Hüften auf die Schultern zu verlegen, was durch entsprechende Knöpfvorrichtungen, Träger 2c. geschehen soll. Auch Reformhüte, Schuhe, Strümpfe 2c. sind angefertigt worden und waren ausgestellt. Unter den ausgestellten Kleidern befanden sich manche recht geschmackvolle und verhältnißmäßig praktische Kostüme. In der Frauenbewegung" hieß es, daß die Ausstellung für die gesammte Frauenwelt von Interesse sei". Und gewiß wäre der Besuch derselben auch für die proletarischen Frauen lehrreich und anregend gewesen. Leider aber waren für diese die Thore der Ausstellung so gut wie verschlossen, und das in Folge des erhobenen verhältnißmäßig hohen Eintrittsgeldes. Es wäre dies verständlich, wenn den Veranstaltern durch die Ausstellung besonders hohe Unkosten erwachsen wären. Dies ist jedoch kaum anzunehmen, denn zu den Ausstellern gehörten fast durchweg nur große, weltbekannte Häuser, wie Herzog, Gerson, Jordan u. A. m., die mittels der Reformkleidung gute Geschäfte zu machen gedenken, für welche die Ausstellung eine prächtige Reklame war, und die deshalb die Bestrebungen des Vereins" unterstützen. In Folge des mitgetheilten Umstandes beschränkte sich die propagandistische Wirkung der Ausstellung fast ausschließlich auf die Kreise der bürgerlichen Frauenwelt. Sollten die Veranstalterinnen des Unternehmens etwa gar der Ansicht sein, daß die gesammte Frauen welt" nur aus der Handvoll zahlungsfähiger Damen besteht? Ob der Verein für Reform der Frauenkleidung" einen nachhaltigen und weitreichenden Einfluß ausüben wird, ist eine sehr offene Frage. Die gleichen Bestrebungen englischer und amerikanischer Frauenrechtlerinnen sind bis jetzt im großen Ganzen so gut wie erfolglos geblieben. Trachten und Moden hängen wesentlich von einer ganzen Reihe wirthschaftlicher und sozialer Umstände ab, an denen die Einsicht und der Wille kleiner Kreise nichts oder wenig zu ändern vermag. Jedenfalls finden die Bestrebungen für Reform der Frauenfleidung in unseren Tagen einen sehr wichtigen Bundesgenossen an dem mehr und mehr überhandnehmenden Radfahrsport der Damen. Dieser wird allem Anschein nach mehr zur Verbesserung der weiblichen Kleidung beitragen, als die frauenrechtlerische Aftion. F. H.
Die Arbeitsbedingungen der Berliner Posamentenarbeiterinnen werden in ihrer Verbesserungsbedürftigkeit durch die folgenden Thatsachen beleuchtet, die eine seitens der Agita ionskommission vorgenommene Erhebung ergab. Von den 38 ausgegebenen Fragebogen, die 21 Fragen enthalten, gelangten 26 zurück, sie enthalten Angaben über die Arbeitsbedingungen von 399 Arbeiterinnen. Der Wochenverdienst derselben schwankt zwischen 7, 8 und bis zu 12 Mark, nur selten beträgt er mehr. Der Lohn der 217 Arbeiter, welche die Fragebogen beantworteten, beträgt pro Woche von 15-24 Mt., in einzelnen Fällen 25-30 Mt. Die Arbeitszeit stellt sich auf 9-10 Stunden täglich. Die sanitären Einrichtungen der Betriebe werden häufig als ungenügend bezeichnet. Es fehlt an guter Ventilation und an Sauberfeit in den mit Staub geschwängerten Arbeitsräumen. Getrennte Ankleideräume für Arbeiter und Arbeiterinnen sind des Defteren nicht vorhanden. Entgegen den gesetzlichen Vorschriften werden Arbeiterinnen hier und da des Sonnabends über die Zeit von 126 Uhr hinaus beschäftigt. Die Behandlung der Arbeiterinnen seitens der Werkführer und Fabrikanten wird bei einigen Firmen als schlecht bezeichnet. Recht eindringlich predigen die konstatirten Mißstände die für die Arbeiterinnen vorliegende Nothwendigkeit, sich gewerkschaftlich zu organisiren. Die gewerkschaftliche Organisation verleiht ihnen die Macht, bessere Arbeitsbedingungen und die stritte Durchführung der gesetzlichen Schutzvorschriften zu erzwingen.
Weibliche Pharmazenten. Die Frage der Zulassung der Frauen zum Studium der Pharmacie, bezw. zum Apothekerberus, ist im preußischen Kultusministerium eingehend erörtert worden. Die Berufsthätigkeit der Frauen wird voraussichtlich nach dieser Richtung hin erweitert werden. In Ländern, wie Belgien , in denen Frauen zum Studium der Pharmacie zugelassen sind, haben diese bewiesen, daß sie als Apothekerinnen ebenso Tüchtiges leisten wie die Männer.
* Das erste weibliche Mitglied der Parlamentskommission der englischen Gewerkschaften ist Miß Margaret Irwin, die sich als Mitglied der Regierungskommission zur Untersuchung der Lage " der Arbeiterinnen, sowie als Gewerkschaftssekretärin in der englischen Arbeiterschaft viel Vertrauen erworben hat. Sie wurde auf dem Gewerkschaftskongreß zu Glasgow mit großer Stimmenmehrheit in die Parlamentskommission gewählt, und ist die erste Frau, die in dieser Kommission Sitz und Stimme erhalten hat. Ihre Wahl bedeutet einen entschiedenen Fortschritt der mit der Arbeiterbewegung zusammenhängenden Frauenbewegung.
* Eine Frau als Vorsitzende einer wissenschaftlichen Vereinigung. Zum Präsidenten einer bedeutenden wissenschaftlichen
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Vereinigung, der Ostenglischen Medizinischen Gesellschaft, ist ein weiblicher Arzt, Mrs. Garrett Anderson, gewählt worden.
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Zur Direktorin des Claybury- Krankenhauses wurde vom englischen Grafschaftsrath Miß Sinclair ernannt, nachdem ihre Vorgängerin, Miß Lomson, von der englischen Regierung an das Gouvernementshospital zu Madras berufen wurde.
Armenpflegerinnen dürfen nach dem Armenpflegergesetz von 1896 nun auch in Irland gewählt werden. Bei der ersten nöthigen Ersatzwahl wurde das neue Recht ausgenutzt, Miß Martin wurde im Bezirk Lisbellaw als erste Armenpflegerin Jrlands gewählt. Für das laufende Jahr stehen Neuwahlen bevor, aus denen voraussichtlich eine größere Anzahl von Frauen als Armenpflegerinnen hervorgehen werden.
* Als Fabrikinspektorin in der englischen Kolonie NeuSüdwales wurde Miß A. J. Duncan ernannt, die bisher Sanitätsinspektorin in London war. Sie ist der erste weibliche Fabritinspektor in dieser Kolonie.
* Ueber die Fortschritte der Frauenbewegung in Finnland bringt das Handbuch des Finnländischen Frauenvereins einige interessante Daten. Die Universität Helsingfors wurde im letzten Jahre von 200 weiblichen Studenten besucht, welche meist in den einheimischen Gymnasien ihre Vorstudien gemacht hatten. Für die Munizipalwahlen besitzen die Frauen das aktive Wahlrecht, während sie für die Schulaufsichtsräthe, die Verwaltungen der Armenhäuser und die Armenpfleger auch das passive besitzen. Von den 80 Armenhäusern haben 52 weibliche Direktoren. In der Armenpflege sind 217 weibliche Pfleger thätig. Und das Alles in dem kleinen Finnland , das noch dazu unter russischer Herrschaft steht!
* Weibliche Bürgermeister in Kansas . In Kansas ( Nord amerika ), wo die Frauen schon seit zehn Jahren das munizipale Wahlrecht besitzen, haben fünfzehn Frauen in dieser Zeit das Amt eines Bürgermeisters bekleidet.
* Ein Gesetz zu Gunsten des Frauenstimmrechts ist vom Senat von Kansas ( Nordamerika ) angenommen worden und liegt nunmehr dem Abgeordnetenhause vor. Dasselbe hat ein besonderes Komite ernannt, welches die bisher den Frauen zuerkannten politischen Rechte und ihre Folgen für das Staats- und Gesellschaftsleben untersuchen soll.
* Ueber ein Frauenstimmrechtsgesetz wird in Süd- Dakota und Washington im November 1898 voraussichtlich eine Volksabstimmung stattfinden. Miß Susan B. Anthony , die älteste Vorkämpferin der amerikanischen Frauenbewegung, hat wenig Hoffnung in Bezug auf das Resultat, weil besonders in Süd- Dakota zahlreiche Ausländer, vor allem Russen, wohnen, die bei der letzten Abstimmung im Jahre 1890 durch ihre 30 000 Stimmen den Ausschlag gegen das Frauenstimmrechtsgesetz gaben. Aehnlich liegen die Verhältnisse in Kalifornien , wo die gesetzgebende Körperschaft im Jahre 1895 ein Gesetz zu Gunsten der politischen Rechte des weiblichen Geschlechts annahm, die Voltsabstimmung jedoch es wieder zu Fall brachte, weil die sozial und intellektuell tiefstehenden chinesischen Einwanderer dagegen stimmten.
* Ein weiblicher Universitätsprofessor in China . Als Professor der englischen Sprache ist Miß Katharina Mullikin an die Pekinger Universität berufen worden. Darnach ist in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter der deutsche Zopf immer noch größer als der chinesische.
Quittung.
Für die streifenden Wäscherinnen in Neu- Isenburg gingen folgende Beträge ein und wurden dem Vorsitzenden der Lohnkommission überwiesen: G. E. 2 Mt. 50 Pf., K. K. 1 Mt., Frau Hrzf. 100 Mr., Dr. Bl. 20 Mt., Julius 6 Mt., Dr. Fr. 3 Mt., Paulchen 5 Mk. A. St. 1 Mt. 50 Pf., 3. 1 Mk., durch Fr. Grüzmüller 10 Mt. Zusammen 150 Mt.
Die Redaktion der„, Gleichheit".
Zur Beachtung.
Alle auf die Agitation unter den proletarischen Frauen bezüglichen Anfragen, Zuschriften, Sendungen 2c. sind von nun an zu richten an die Vertrauensperson
Frau M. Wengels