Zweifel, daß auch die übrigen Arbeiten, die in den Apotheken vor­kommen, sowie der Verkehr mit dem Publikum sehr gut von weib­lichen Personen besorgt werden können, wenn sie die nöthige Vor­bildung erhalten haben. In Holland   werden schon seit Jahren sehr viele Frauen in Apotheken beschäftigt.

Die Apothekenbesitzer haben denn auch keine Einwendung gegen. die Beschäftigung von Frauen in ihren Betrieben. Wenn sie besonders betonen, daß die Frauen, denen das gleiche Recht der Ausübung des Berufs wie den Männern zusteht, auch die gleiche Vorbildung wie diese besitzen müssen, so ist das wohl eine selbstverständliche Forderung, deren Berechtigung von Niemand bestritten werden kann. Die Herren Besitzer betonen wohl auch diese Forderung besonders, um darzu­thun, daß sie für die gewissenhafte Zubereitung der Arzneien besorgt find. Im Allgemeinen werden ihnen weibliche Gehilfen sehr erwünscht sein. Und um die Einstellung weiblicher Gehilfen wird es sich in erster Linie bei der Zulassung der Frauen zum Apothekergewerbe handeln. Denn wenn eine Apothekerin so vermögend ist, daß sie an den Erwerb einer eigenen Apotheke denken kann, so findet sich wohl sicher ein Apotheker, der sie in den heiligen Stand der Ehe führt, dafern die Dame nicht partout unverheirathet bleiben will. Der Mann bekommt mit ihr nicht nur eine Frau, obendrein eine ver­mögende Frau, sondern er vermag dank ihrer beruflichen Ausbildung und Thätigkeit einen Gehilfen zu sparen.

Die Rücksicht auf die Vermehrung der Gehilfenschaft ist sicher ausschlaggebend dafür, daß die Apothekenbesitzer die Zulassung der Frauen zum pharmazeutischen Gewerbe alles in allem mit Freude be= grüßen. Seitdem in Preußen und in den meisten anderen deutschen Staaten ein großer Theil der verliehenen und alle noch zu verleihen­den Apothekenkonzessionen rein persönlich ertheilt werden, hat die Apothekerkarriere für junge Männer nicht mehr den Reiz wie früher. In der Folge ist die Zahl der Gehilfen oft recht knapp. In großen Städten bemerkt man das weniger, weil dahin immer der Zug der jungen Fachgenossen geht. In fleinen Orten und namentlich in den Landapotheken haben dagegen die Besitzer oft viele Mühe, ordentliche Gehilfen zu bekommen und müssen manchmal mit schwerem Herzen etwas tiefer in den Beutel greifen, um sich das nöthige Personal zu sichern. Die Herren hoffen nun, und mit Recht, daß die Zulassung der Frauen zum Apothekerberufe in der Beziehung Wandel schafft. Außer­dem sind sie nach dem Stande der Dinge auf anderen Gewerbegebieten überzeugt, daß die Frauen in Betreff des Gehaltes und der Beköstigung noch weniger anspruchsvoll als die männlichen Gehilfen sein werden.

einen Moment ließ er sich in jenen Traum wiegen, an den alle die Bedauernswerthen, welche das Unglück fürs Leben gebrand­markt hat, sich anklammern möchten. Er sah sich gesund, under­legt, im Besize seiner Arme; so kam er an und Alles empfing ihn mit Jubel, die Mutter war glücklich, sie... flüsterte ihm ein" Ja" zu und die Hochzeit wurde gefeiert.

Aber plößlich rüttelt er sich auf. In einiger Entfernung auf der Straße war ein schwarzer Punkt zu sehen. Er strengte seine Augen an, um besser zu unterscheiden; es waren Leute, die ihm entgegen famen. Er fühlte etwas wie einen heftigen, inneren Schreck, der ihm das Athmen erschwerte. Er wollte sich stark zeigen, schluckte den Gram hinunter, nahm eine gleichgiltige Miene an und verhielt sich ruhig. Aber die Beklemmung nahm mit jedem Athemzuge zu; es schien, als müßte das Herz ihm zerspringen. Es wurde ihm übel. Mit weit aufgesperrten Augen besah er die schwarze Masse, die immer größer wurde.... Jezt hätte er nie ankommen mögen. Wenn er doch fliehen, sich ver­bergen, verschwinden könnte!

Langsam näherte sich die Menge, ohne einen Ruf, ohne einen Ton, ernst und melancholisch.

Als sie nur noch wenige Schritte davon entfernt waren, er­kannte er seine Mutter, welche die Arme nach ihm ausstreckte!

Sohn! mein Sohn! mein Sohn!" jammerte sie, während die Anderen sie unterstüßten, ohne daß sie es gewahr wurde.

Die Menge blieb stehen. Auch das Fuhrwerk machte Halt. Ungestüm richtete sich die große Gestalt auf, und die Decke glitt zu seinen Füßen. Nun fonnten ihn alle sehen. Ein Schrei er­tönte. Seine blasse Mutter fiel in Ohnmacht. Er hielt es nicht aus. Da, vor aller Augen stürzten über seine Wangen die Thränen, die er nicht trocknen konnte.

In dieser Todtenstille hörte man deutlich das Schluchzen, welches seinen Rumpf erbärmlich schüttelte.

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Die Gehilfen sehen in der Folge den zukünftigen Kolleginnen nicht mit besonders freundlicher Gesinnung entgegen. Man kann ihnen das nicht verübeln: die Aussicht auf eine Verschlechterung der Lage hat für Niemand etwas Verlockendes, und die Freude über einen Schritt mehr zur Gleichberechtigung der Geschlechter macht elende Erwerbsverhältnisse nicht annehmlicher. In dem Organ der konditionirenden Apotheker wird denn auch heftiger Widerspruch gegen die Einführung der neuen Konkurrenz erhoben, von der die Gehilfen, wie die Verhältnisse in der kapitalistischen   Gesellschaft liegen, mit größter Wahrscheinlichkeit eine Herabdrückung ihres Gehalts und ihrer Lebenshaltung erwarten. An das Selbständigwerden können heute die meisten unbemittelten konditionirenden Apotheker in ihrem ganzen Leben nicht denken.

Sehr schnell wird es allerdings mit der Zulassung der Frauen zum Apothekergewerbe nicht gehen. Stehen dem weiblichen Ge­schlecht doch bis jetzt noch äußerst wenige Anstalten zur Vorbildung ( Gymnasien) offen. Immerhin ist es schon jetzt Zeit, darauf hinzu­wirken, daß die zukünftigen Apothekergehilfinnen ebenso wie die weiblichen Arbeiter in anderen Berufen sich mit keinem geringeren Arbeitslohn begnügen, als ihn die männlichen Kollegen erhalten. Haben die Letzteren keine Schmutzkonkurrenz seitens der Gehilfinnen zu befürchten, so werden sie dieselben auch nicht schon von vorn­herein mit feindlichen Augen betrachten. Symmachos.

Das Frauenstimmrecht in England.

Nach Tily Braun.

In feinem Lande Europas   darf sich die Frauenbewegung des Umfangs, der Stärke und Erfolge rühmen, wie in England. Die englischen Frauenrechtlerinnen haben die privatrechtliche Emanzipation des weiblichen Geschlechts errungen, sie eröffneten diesem auf dem Gebiete der liberalen Berufe ein weites Thätigkeitsfeld, sie eroberten bereits für die Frauen einen Theil der politischen Rechte. Näher und näher rückt die Stunde, wo in England die letzte siegreiche Schlacht für die volle politische Gleichberechtigung der Geschlechter geschlagen wird. Da ist denn ein Ueberblick über die Entwicklung und den Stand des Kampfes für das Frauenstimmrecht von hohem Interesse, ein Ueberblick, der darthut, daß die englischen Frauen­rechtlerinnen in zähem, geduldigem Ringen, in nimmer rastender thatkräftiger Arbeit Schritt für Schritt Boden gewonnen haben. An der Hand eines reichen und übersichtlich zusammengestellten That­sachenmaterials zeichnet Genossin Brauns trefflicher Artikel im Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik"( 10. Band, 3. Heft: Das Frauenstimmrecht in England") ein anziehendes und klares Bild des Werdegangs der englischen Bewegung für die politische Gleichberech­tigung des weiblichen Geschlechts. Diesem Artikel, den wir unseren Leserinnen als einen werthvollen Beitrag zur Geschichte der Frauen­bewegung empfehlen, entnehmen wir Folgendes:

Bereits im dreizehnten Jahrhundert sandten die Grundbesitze­rinnen aus den alten eingesessenen Familien ihre Vertreter ins Parla­ment. In der Folgezeit nahm die Betheiligung der Frauen am öffent­lichen Leben zu. Ende des sechzehnten Jahrhunderts suchte ihr der berühmte Jurist Sir Edward Coke   entgegenzuwirken. Unter Berufung auf das Bibelwort: Die Frau soll in der Gemeinde schweigen", wollte er eine Frau nicht einmal als Zeugin vor Gericht vernehmen. Des Weiteren suchte er nachzuweisen, daß das englische Recht nirgends auf eine Gleichberechtigung der männlichen und weiblichen Bürger hindeute. Zum ersten Male tauchte damit die Frage auf, ob im Gesetz das Wort man" in der Bedeutung von Mensch oder Mann gebraucht werde. Der Deutung zufolge, welche Coke dem Worte gab, erschien der Ausschluß der Frauen von den Parlaments- und Ge­meindewahlen auch ohne besondere gesetzliche Bestimmungen allmälig als etwas Selbstverständliches. Damit ging nicht etwa ein Recht aller Frauen verloren, vielmehr nur ein Privilegium weniger be­güterter Damen. Eine der so Entrechteten, Anne Clifford  , Gräfin von Dorset  , Pembroke und Montgomery, hat sich durch ihren jahre­langen energischen Protest gegen die Vergewaltigung ihrer Rechte einen Namen erworben. Unter der Regierung Karls II.   übte sie in ihrer Eigenschaft als Obersheriff( Highsheriff) der Grafschaft West­moreland ihr Wahlrecht aus. Ihre Wahl wurde jedoch beanstandet, und die Regierung stellte einen anderen Kandidaten an Stelle des ihren auf. Daraufhin sandte sie an den Staatssekretär die ge­harnischte Erklärung ab: Ein Usurpator hat mich vergewaltigt,* ein König hat mich verachtet, aber ein Unterthan wird mich nicht be­beherrschen. Ihr Mann wird Westmoreland nicht vertreten." Ihr

* Bezieht sich auf Cromwell, unter dessen Proteftorate ihre Schlösser und Burgen niedergebrannt worden waren.