Nr. 14.

Die Gleichheit

7. Jahrgang.

Beitschrift für die Intereffen der Arbeiterinnen.

Begründet von Emma Ihrer in Pankow bei Berlin .

Die ,, Gleichheit" erscheint alle 14 Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post( eingetragen, unter Nr. 2902) vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pf.; unter Kreuzband 85 Pf. Jahres- Abonnement Mr. 2.60.

Stuttgart

Mittwoch, den 7. Juli 1897.

Nachdruck ganzer Artikel nur mit Quellenangabe gestattet.

Juhalts- Verzeichniß.

An die Leserinnen und Leser. Wir kämpfen für unser Recht.

der Bewegung.

Braun Berlin .

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Aus

Buschriften an die Redaktion der Gleichheit" sind zu richten an Fr. Klara Bettin( Eißner), Stuttgart , Rothebühl Straße 147, III. Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furthbach- Straße 12.

Wir kämpfen für unser Recht.

Das Vereins- und Versammlungsrecht der Frauen ist in Deutschland vielfach noch immer das fodifizirte Unrecht. So in

Zur Debatte über meinen Vorschlag. Von Lily Preußen, Bayern und vielen Zaunkönigstaaten, deren buntfarbige Feuilleton: Beatrice Webb .

Notizentheil von Lily Braun und Klara Zetkin : Gewerkschaftliche Arbeiterinnen­Organisation. Soziale Gesetzgebung.- Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens. Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen. Frauenbewegung.

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An die Leserinnen und Lefer.

Grenzlinien auf der Landkarte uns die Einheitlichkeit unseres ,, weiteren Vaterlandes" so anschaulich wie heiter zu Gemüthe führen. In einer stattlichen Zahl deutscher Einzelstaaten steht das Vereins- und Versammlungsrecht der Frauen im Zeichen der poli­tischen Rechtlosigkeit des weiblichen Geschlechts. Den Frauen, die ebenso wenig wie Unmiindige, Schwachsinnige und bürgerlich Ehr­lose das Wahlrecht besißen, ist von Rechtswegen die Mitgliedschaft von politischen Vereinen und der Besuch von politischen Vereins­fizungen und Versammlungen untersagt, in mehreren besonders rückständigen Herrgottsvaterländchen der Besuch von öffentlichen Versammlungen überhaupt.

Mit der vorliegenden Nummer führen wir eine Umgestaltung der Gleichheit" ein. Der für Artikel bestimmte Raum des Blattes soll künftighin beschränkt, der Notizen theil erweitert und be­reichert werden. Hier soll möglichst vielseitiges und zuverlässiges Thatsachenmaterial erscheinen über die Arbeits- und Lebens­bedingungen der proletarischen Frauen, über den Stand und die Entwicklung der Arbeiterinnenorganisationen im In- und Ausland, über den Stand und die Entwicklung der Frauen­bewegung allerwärts, über die Fabrikinspektion 2c. 2c. Besonderen die Masse der Frauen sich bethätigen konnte, innerhalb

dere Aufmerksamkeit gedenken wir der sozialen Gesetzgebung zum Schutze der Arbeiterinnen zuzuwenden. Nicht nur was in der Richtung fünftig geschieht, soll hier mit möglichster Genauigkeit und Vollständigkeit verzeichnet werden. Vielmehr beabsichtigen wir unter der Rubrik allmälig auch einen Ueberblick zu geben über die bereits in den verschiedenen Ländern bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zum Schuße der Arbeiterinnen. Auch gewerbegerichtliche Ent­scheidungen, die von besonderem Interesse für die Arbeiterinnen sind, wird die Gleichheit" von nun an bringen.

Ein vierzehntägig erscheinendes Blatt kann selbstverständlich feinen Anspruch darauf erheben, stets das Neueste an Thatsachen und Vorgängen zu veröffentlichen. Dagegen wird es unser Bemühen sein, den Notizentheil der Gleichheit" so vollständig, reichhaltig und vor Allem so übersichtlich als möglich zu gestalten. So fann er sich allmälig von mangelhaften und verbesserungsbedürftigen Ansätzen heraus zu einem Arsenal entwickeln, in dem unsere agitatorisch und organisatorisch thätigen Genossinnen in Gestalt von Thatsachen­material Kugeln für den Kampf finden. So fügt er sich ergänzend zu dem Theile des Inhalts, der die theoretische Schulung der Genossinnen nach wie vor als vornehmste Aufgabe sich angelegen sein läßt.

Genossin Braun, deren Vorschlägen" wir manche Anregung zu der begonnenen Neuerung verdanken, hat bereitwilligst eine regel­mäßige und umfangreiche Mitarbeiterschaft auch an diesem Theile der Gleichheit" zugesagt. Ihre trefflichen, weitreichenden Kenntnisse auf dem Gebiete der Frauenbewegung, der sozialen Gesetzgebung 2c. 2c. und ihre lichtvolle Darstellungsweise werden ganz wesentlich dazu beitragen, daß der Notizentheil der Gleichheit" den Leserinnen lieb wird und sich zu dem entwickelt, was er werden soll. Möchte das Beispiel unserer wackeren Genossin Nachahmung finden. Möchten die Genossinnen allerwärts an dem Notizentheil der Gleichheit" fleißig mitarbeiten. Hier ist vor Allem auch Gelegenheit geboten für die Stillen im Reiche des Sozialismus, ihre Kräfte und Kenntnisse im Dienste unserer Bewegung zu verwerthen. Wir hoffen, daß die ,, Gleichheit", die ihrem Wesen nach bleibt, was sie bisher gewesen, ihre alten Freunde bewahren und neue Freunde erwerben wird.

Die Redaktion.

Dieser Stand der Dinge entspricht sozialen Verhältnissen, die bereits in geschichtlicher Ferne liegen oder mehr und mehr in diese gerückt werden. Er ist das Kind gesellschaftlicher Zeiten, in denen die Familie die einzige Gemeinschaft war, innerhalb

deren die wirthschaftliche Grundlage ihrer Eristenz ruhte, die ein­zige Gemeinschaft, die unmittelbar bestimmend in den weiblichen Lebensgang eingriff.

Dieser Stand der Dinge steht aber im schroffsten Widerspruch zu den sozialen Verhältnissen, welche die kapitalistische Entwicklung für viele Millionen von Frauen gezeitigt hat. Er ist ein nicht blos frauen, sondern gemeinschädlicher Anachronismus in Tagen, in denen Millionen von Frauen wirthschaftlich von der Familie losgelöst sind, auf dem gesellschaftlichen Markte ihr Brot suchen müssen und unmittelbar unter alle Einflüsse des sozialen Lebens fallen. Die politische Rechtlosigkeit der Frau auf dem Gebiete des Vereins- und Versammlungsrechts schlägt da um in ihre Schußlosigkeit.

Wie breit die Schichte der deutschen Frauenwelt ist, welche behufs Vertheidigung ihrer Interessen im feindlichen Leben" ein freies, unbeschränktes, gesetzlich gewährleistetes Vereins- und Ver­fammlungsrecht benöthigt, das sagen uns beredt die trockenen, aber steifnackigen Zahlen der Gewerbeftatistik. Bereits 1882 gab es in Deutschland auf eine weibliche Bevölkerung von etwas über 23 Millionen rund 52 Millionen erwerbsthätiger Frauen und Mädchen. Seit diesem Jahre ist aber ihre Zahl beträchtlich an­geschwollen. Sie stieg in der weiteren Landwirthschaft um reichlich 81/2 Prozent; in der engeren Landwirthschaft um 8 Prozent; in Bergbau und Industrie um mehr als 34 Prozent; im Handels­gewerbe um über 94 Prozent; in der nebenberuflichen Haus­industrie um 71 Prozent.

Die weitaus meisten der erwerbsthätigen Frauen und Mädchen arbeiten nicht für eigene Rechnung, sie schaffen zu Nuz und Frommen eines Unternehmers, eines Herrn, sie sind Proletarierinnen. Prole= tarierin ist die barhäuptig zur Fabrik eilende Fabriklerin; Prole­tarierin ist die im eleganten Schleierhut einhertrippelnde Verkäuferin; Proletarierin ist die den Schein, standesgemäßen Auftretens" mit dem Preis heimlicher Entbehrungen zahlende Lehrerin. Proletarierin sein aber das heißt arm sein, heißt wirthschaftlich schwach sein