-107
Für das freie Vereins- und Versammlungsrecht der Frauen und gegen die preußische Vereinsgesetz novelle agitirte Genoffin Zetkin in mehreren Städten Thüringens . Versammlungen fanden statt in Jena , Apolda , Weimar und Erfurt . Sie waren alle vorzüglich besucht, in Jena und Weimar wohnten ihnen auch zahlreiche bürgerliche Elemente bei, darunter viele Frauen rechtlerinnen. In Apolda , Weimar und Erfurt wurde die bekannte Resolution, das Vereins- und Versammlungsrecht der Frauen und die preußische Vereinsgesetznovelle betreffend, einstimmig angenommen. in Jena mit allen gegen zwei Stimmen. Eine für Ilmenau vorgesehene Versammlung wurde vom fürsichtigen Stadtoberhaupt verboten. Mit diesem Verbot und seiner ebenso gefühlvollen als höheren Begründung beschäftigen wir uns an anderer Stelle.
Der Parteitag für Schlesien und Posen, der zu Pfingsten in Langenbiel au tagte, beschloß einem Antrag der Genossin Geiser entsprechend eine rege Agitation unter den wertthätigen Frauen der beiden Provinzen und empfahl die Wahl weiblicher Vertrauenspersonen, deren Adressen bekannt zu geben seien. Er protestirte ferner gegen die preußische Vereinsgesetznovelle und forderte ein freies Vereins- und Versammlungsrecht für Alle, ohne Unterschied des Geschlechts. Des Weiteren erhob er Protest dagegen, daß das bürgerliche Gesetzbuch die Gesinde- Ordnungen nicht abgeschafft habe und ver langte als einfachen Akt der Kultur und Gerechtigkeit die Aufhebung der an Sklaverei gemahnenden Bestimmungen und die Unterstellung der Dienstboten und der ländlichen Arbeiter und Arbeiterinnen unter die Gewerbeordnung.
-
Einwendungen, für mich noch ebenso fest, als früher, nur daß ich, belehrt durch die Kritik der Genossinnen und durch manche praktische Vorschläge, meinen Plan modifizirt habe.
Alles, was sich gegen ihn sagen läßt, hat Genossin Zetkin in ihrem Artikel zusammengefaßt; der größte Theil der übrigen gegneri schen Meinungsäußerungen besteht nur in Variationen des bereits von ihr Gesagten. Das erleichtert mir die Antwort, denn ich kann mich wesentlich darauf beschränken, auf die von ihr geäußerten Bedenken einzugehen.
Das Women's Industrial Council in London , das mir als Vorbild gedient haben soll, hat mir allerdings schon vor Jahr und Tag die Anregung zur Entwicklung eines ähnlichen Plans gegeben. Ich habe aber, theils in Folge der geringen Erfolge, die ich an der englischen Institution beobachtete, theils wegen der von denen Englands vollständig verschiedenen deutschen Verhältnisse, bald eingesehen, daß solch ein Plan, wenn er in seinem ganzen Umfang ausgeführt werden soll, vom Staat selbst, dem die ausreichenden Mittel und die ausführenden Organe zur Verfügung stehen, in die Hand genommen oder vollständig umgestaltet, und seiner Parteilosigkeit entkleidet werden müßte. Genossin Zetkin stellt nun die Frage auf, ob ein solches Erziehungsprogramm im Interesse einer Bewegung liegt, die einen entschiedenen Parteicharakter trägt. Sie verneint die Frage, weil das ausgesprochen sozialistische Gepräge" dem von mir entwickelten Plane fehle, weil er auch von Frauenrechtlerinnen der verschiedensten Richtungen ausgeführt werden könnte. Gewiß wäre dies möglich, ohne daß es gegen den Plan an sich spräche, aber dadurch, daß wir ihn ausführen, daß wir uns damit ausdrücklich in den Dienst unserer Partei stellen, bekommt er nothwendiger Weise ein ausgesprochen sozialistisches Gepräge". Das Material, das gesammelt werden soll, wird im Interesse unserer Bewegung verwerthet werden; die Veröffentlichungen, die von dem geplanten Zentralpunkt ausgehen sollen, werden für unsere Sache Propaganda machen.
-
Wenn Genossin Zetkin sagt:„ Seinem ganzen Zuschnitte nach ist der von unserer Mitkämpferin entwickelte Vorschlag nicht ein Programm für die Erziehung zum Sozialismus, sondern ein praktisches Arbeitsprogramm auf abgegrenztem Gebiete, durchgeführt von Sozia listinnen und im Interesse der sozialistischen Bewegung" so tann ich ihr nur zustimmen, denn etwas anderes habe ich gar nicht zu schaffen beabsichtigt. Wenn sie aber im Anschluß hieran die Ansicht ausspricht, daß keine Nothwendigkeit zu einer besonderen Organisation für die Erziehung unserer Kerntruppen vorliegt, so muß ich ihr widersprechen. Zwar haben wir in den Gewerk
Die Polizeigewalt im Kampfe gegen die ,, Umstürzlerinnen" hat in Ilmenau Lorbeeren geerntet. Es wurde dort eine Versammlung verboten, in der Genossin Zetkin über das Vereins- und Versammlungsrecht der Frauen referiren sollte. In der Begründung der staatsretterischen Maßregel heißt es: Wie Ihnen bekannt, ist die Abhaltung der in den letzten Jahren von Ihnen angemeldeten sozialdemokratischen Versammlungen immer genehmigt worden. Die für den 19. d. M. beabsichtigte Versammlung mußte indessen wie Ihnen zur Ersparung der Annoncirung schon mündlich mitgetheilt wurde in Rücksicht auf die Persönlichkeit der Rednerin, Clara Zetkin , welche bekanntlich in besonders scharfer Weise den Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnungen predigt, verboten worden." Der Herr Bürgermeister Eckard ist offenbar ein Gemüthsmensch, der, wenn sein Herz seinen guten Tag hat, den Sozialdemo kraten die Annoncirung einer Versammlung gütigst erspart. Er ist offenbar auch ein äußerst pflichteifriger Mann, der durch sein Walten die Wachsamkeit anderer städtischer Behörden um mehr als Nasenschaften, den Bildungsvereinen und Diskutirklubs, in unserer umlänge schlägt. Denn während Ilmenau vor der besonders scharfen ,, Umsturzpredigt" bewahrt blieb, durfte Genossin Zetkin in anderen Städten des Goetheländele ungehindert„ predigen", sogar in Weimar , das in dem gleichen Verwaltungsbezirk wie Ilmenau liegt. Sollten in diesem Städtchen die bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnungen" auf so besonders schwachen Füßen stehen, daß ein Referat die Wirkung des Posaunenblasens vor Jericho auszuüben vermöchte? Oder sollten daselbst dunkle Punkte" die Frauen als besonders gefährliche Agitatorinnen erscheinen lassen? In Ilmenau wurde nämlich seiner Zeit auch ein Referat der Genossin Steinbach verboten.
Bur Debatte über meinen Vorschlag. Wenn Jemand mit einem seit Jahren gehegten Plan, der die Frucht gründlicher Ueberlegungen ist, an die Deffentlichkeit tritt, so muß er von vornherein auf Widerstand gefaßt sein. Die Mehrzahl derer, die seit Langem in den gleichen Bahnen praktisch arbeiten, verlieren nicht nur leicht das objektive Urtheil, den Blick aus der Vogelperspektive über das Feld ihrer Thätigkeit, sie meinen auch gewöhnlich, daß jede Aenderung im Arbeitsplan, jedes Erschließen eines neuen Arbeitsgebietes, eine völlige Umwälzung, ja ein Aufgeben der bisherigen Wirksamkeit bedeutet. Die ablehnende Stellung derer, die sich zu meinem Vorschlag äußerten, entspringt hauptsächlich der erwähnten Annahme. Die Genossinnen sind von der Meinung ausgegangen, daß ich die gesammte Arbeiterinnenbewegung in einen Schraubstock spannen, gewissermaßen umorganisiren wolle, während ich nichts weiter beabsichtige, als eine Stelle zu schaffen, die mit ihrer stillen, theoretischen Arbeit in den Dienst der großen, frei sich entfaltenden Arbeiterinnenbewegung treten soll. Fast möchte ich sagen, meine Gegnerinnen haben aus der Mücke einen Elephanten gemacht. Ich gestehe gern zu, an dem Mißverständniß selbst mit die Schuld zu tragen, da ich meinem, die Diskussion einleitenden Artikel den Titel: ,, Die nächsten Aufgaben der deutschen Arbeiterinnenbewegung", statt „ Eine Aufgabe für die deutsche Arbeiterinnenbewegung" gab. Daß diese Aufgabe vorliegt und gelöst werden muß, steht heute, trotz aller
fangreichen Presse und Broschürenliteratur Mittel genug zu solcher Erziehung; wo aber haben unsere mitten in der Agitation stehenden Genossinnen die Zeit, an dem Vereinsleben all dieser Organisationen theilzunehmen, die ganze Presse und Broschürenliteratur zu verfolgen, und sich aus den tausenderlei Anregungen, Eindrücken und Belehrungen die geistigen Waffen selbst zusammen zu stellen, die sie für ihren Kampf nöthig haben? Genossin Zetkin beruft sich auf den Mangel an Muße, um damit gegen meinen Plan zu polemifiren, ich führe dieselbe Thatsache gerade als einen schwerwiegenden Grund für ihn an. Zur näheren Erklärung ein praktisches Beispiel: nehmen wir an, es wird beschlossen über eine bestimmte Frage, sagen wir über die aktuelle des Vereins- und Versammlungsrechts, in öffentlichen Frauenversammlungen Preußens zu referiren. Zwei, drei unserer Agitatorinnen übernehmen diese Aufgabe. Sie wissen aus den Zeitungen und den persönlichen Erfahrungen mancherlei, was sie für ihre Vorträge benutzen können, aber ihr Material bleibt unzulänglich. Lange Zeit zum selbständigen Suchen danach, zum Studium dickleibiger Bücher bleibt ihnen nicht, denn meistens geht es ihnen wie den Soldaten im Felde: die Marschordre kommt knapp vor dem Aufbruch. Um sich aber doch so gut als möglich vorzubereiten, gehen sie zu den Abgeordneten oder den Redakteuren der Partei, um sich von ihnen belehren zu lassen und Material von ihnen zu bekommen. Die Genossen helfen ihnen so gut es geht, aber sie beklagen sich nachher mit Recht über die Störung, die sie, die selbst meist ueberarbeiteten, erdulden müssen; auch haben sie nur selten das gerade für die spezielle Agitation unter den Frauen Wichtigste zur Hand. Haben wir dagegen eine Organisation, die sorgfältig alles sammelt, was auf die soziale, wirthschaftliche, rechtliche und politische Stellung der Frauen, speziell der Arbeiterinnen Bezug hat, deren Bureau jeder Agitatorin offen steht, wo sie in geordneten Rubriken das für sie Nothwendige stets vorfindet und wo außerdem eine Sekretärin anwesend ist, zu deren Aufgaben es gehört, ihr persönlich beizustehen, so spart sie an Zeit, ist nicht auf die Freundlichfeit und ungenügende Hilfe der Genossen angewiesen, und kann sicher sein, wohlausgerüstet in den Kampf zu gehen. Da aber außer ihr, um bei dem Beispiel zu bleiben, noch Andere über dasselbe Thema