zeigen jedenfalls mit überzeugender Wucht, wie dringlich der weitere Ausbau des gesetzlichen Schutzes zu Gunsten der Arbeiterinnen ist. Nur eine vollständige Unkenntniß der einschlägigen Verhältnisse, gepaart mit hochtrabender, aber seichter Prinzipienspielerei, fann gegenüber der anklagenden Sprache der angezogenen Zahlen den gesetzlichen Arbeiterinnenschutz als ein Attentat gegen die soziale Gleichberechtigung der Geschlechter bekämpfen, ihn als einen Umstand bewerthen, der dazu beitragen könnte, uns in Deutschland einem von frauenrechtlerisch- hysterischer Fantasie eigens entdeckten„ Männersozialismus" entgegen zu führen.
Frauenarbeit auf dem Gebiete der Industrie, des Handels und Verkehrswesens.
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Der lohndrückende Einfluß der Frauenarbeit erhellt deutlich aus den folgenden Angaben, die sich auf drei einander ziemlich nahestehende, d. h. ziemlich gleich gesundheitsschädliche Industriezweige beziehen. Die vorliegenden Zahlen zeigen übrigens erklärlich genug, daß mit der steigenden Verwendung weiblicher Arbeiter in einer Industrie nicht nur die Löhne der männlichen Arbeiter sinken, sondern auch die Löhne der beschäftigten Frauen und Mädchen selbst. In den Farbstofffabriken Deutschlands wurden im Jahre 1895 insgesammt 18675 Arbeiter beschäftigt, davon 92 Prozent männliche und 8 Prozent weibliche. Der Tagelohn betrug im Durchschnitt für männliche Arbeiter 2,96 Mt. und für weibliche 1,48 m., 1895 waren in den deutschen Zündholzfabriken 6258 Arbeiter thätig, davon nur 38,1 Prozent männliche und 61,9 Prozent weibliche. Der Durchschnittstagelohn betrug für die Arbeiter 2,05 Mt., für die Arbeiterinnen nur 1,21 Mk. Ein Vergleich der Durchschnittslöhne in der einen und anderen Industrie spricht also für die altbekannte Erfahrung, daß die Löhne für Arbeiter und Arbeiterinnen um so niedriger sind, je mehr auf einem Gebiete die billige, unorganisirte Frauenarbeit überwiegt. Der schlechte Verdienst der Zündhölzchenarbeiter erklärt sich übrigens noch durch einen besonderen Grund. Die Zündholzfabriken liegen vereinzelt in kleineren Orten auf dem Lande oder im Gebirge, und ihre Arbeiter, die männlichen wie die weiblichen, wissen nichts von Organisation. In den französischen Zündholzfabriken, die Staatsmanufakturen sind und in größeren Orten wie Marseille , Aix, Pantin und Aubervilliers liegen, haben die Arbeiter und Arbeiterinnen durch eine feste Organisation, die auch vor Streits nicht zurückschreckte, schon wesentliche Verbesserungen der Löhne und der Arbeitsverhältnisse erzielt. Daß in Deutschland dank der Gewerkschaft auch bei Zunahme der weiblichen Arbeiter das starke Sinken der Löhne verhindert werden kann, zeigen die Lohnverhältnisse in den deutschen Gummiwaarenfabriken. In diesen, die hauptsächlich in großen Städten liegen, wurden im Jahre 1895 10 367 Arbeiter beschäftigt, davon 61,5 Prozent männliche und 38,5 Prozent weibliche. Der Tagelohn der Männer betrug im Durchschnitt 3,15 Mt., derjenige der Frauen 1,71 Mr. Die Arbeiter und Arbeiterinnen halten ziemlich fest zusammen und sind zum Theil organisirt. Der Zusammenschluß hat dem allzustarken Sinken der Männer- wie der Frauenlöhne entgegengearbeitet. Die Arbeiterinnen haben also wieder einen doppelten Grund, sich den bestehenden Gewerkschaftsorganisationen anzuschließen. Durch die Gewerkschaft wird ihr eigener Lohn gehoben und hochge= halten; durch sie wird dem Herunterdrücken der Löhne der Arbeiter entgegengewirkt, die ja zum großen Theil Männer, Söhne oder Väter der Arbeiterinnen sind, und deren geringer Verdienst die gesammte proletarische Familie schädigt.
1895 um 14 804
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h. v.
Eine Zunahme der großindustriellen Arbeiterinnen in Preußen verzeichnen die Berichte der preußischen GewerbeAufsichtsbeamten für das Jahr 1896. Nach ihnen betrug die Zahl der über 16 Jahre alten Arbeiterinnen im Berichtsjahre 318485 gegen 302 628 im Vorjahre und 287 824 im Jahre 1894. Seit diesem Jahre hat also die Zahl der erwachsenen" großindustriellen Arbeiterinnen ziemlich gleichmäßig zugenommen. Sie stieg 4,9 Prozent; 1896 um 15 857= 5 Prozent. Bedeutend wuchs auch die Zahl der Betriebe, in denen Arbeiterinnen beschäftigt wurden. Sie betrug im Berichtsjahre 17 124 gegen 15 549 im Jahre 1895 und 15 461 im Jahre 1894. Ihre Zahl hat sich also 1895 um 88= 0,6 Prozent vermehrt, 1896 aber um 1575= 10 Prozent. Die Zahl der in inspektionspflichtigen Betrieben beschäftigten jugendlichen Arbeiterinnen betrug im Berichtsjahre 36 382 gegen 84 884 jugendliche männliche Arbeiter. 1896 haben in Preußen die in der Großindustrie verwendeten jugendlichen Arbeitskräfte insgesammt um 10 291 zugenommen, also fast um 10 Prozent. Der industrielle Aufschwung des Jahres 1896 hat zu einer stärkeren Heranziehung von billigen Arbeitskräften, von Frauen und jugendlichen Arbeitern geführt.
Frauenbewegung.
Der internationale Kongreß der Frauenrechtlerinnen, der in Brüssel vom 4. bis 7. August tagte, war von etwa 180 Delegirten aus Deutschland , Desterreich, Frankreich , Belgien , Holland , Spanien , Dänemark , Schweden , Norwegen , der Schweiz und Nordamerika beschickt. Der„ radikale" Flügel der deutschen Frauenrechtlerinnen war durch Frau Cauer, Frau Stritt, Frau Schwerin und Frau Sera Prölß vertreten, die gemäßigte" Richtung durch Frau Lina Morgenstern . Dem Kongreß wohnten nur einzelne belgische, holländische und französische Sozialistinnen bei, so die Frau des bekannten holländischen Parteigenossen van Kol und Mme. Vincent, die mehrere Pariser Konsumvereine und allemanistische Arbeiterinnensyndikate vertrat. Den deutschen Genossinnen wird es unverständlich sein, wie die genannten Damen es mit ihrer Ueberzeugung vereinbaren konnten, einem Kongresse beizuwohnen, der von der Vorsitzenden mit der Erklärung eröffnet wurde:„ die Rednertribüne stehe allen Anschauungen offen, mit Ausnahme derer, die auf dem Boden des Klassenkampfes wurzeln." Aber in Belgien , Holland und noch mehr in Frankreich werden die Worte„ Sozialist", " Sozialismus" in wahlloser, unkritischer Verschwendung gebraucht und mißbraucht." Sozialist" nennt sich dort heutzutage gern jeder leidlich gute Mensch und hervorragend schlechte Musikant, dessen Galle durch irgend welchen sozialen Mißstand erregt ist, und der deshalb unsere Gesellschaftsordnung irgendwie geändert sehen möchte. Die Frauen, die alle Ursache haben, zu den mit den heutigen sozialen Verhältnissen Unzufriedenen zu gehören, stellen ein starkes Kontingent der unklaren Gefühlssozialisten, die in ihrem dunklen Drange", aber leider„ des rechten Wegs" unbewußt, überall dabei sind, wo irgend eine„ fortschrittliche" Strömung tagt und kongreſselt. Die Tagesordnung des internationalen Frauenfongresses umfaßte vier Punkte: 1. Die Stellung der Frau im bürgerlichen Recht; 2. Defono mische Forderungen der Frauen; 3. Die Frauen und die Wohlthätigfeit; 4. Berichte über den Stand der Bewegung in den einzelnen Ländern und Organisationsfragen. Zum ersten Punkte der Tagesordnung sprachen u. A. Frau Prölß- Berlin über„ Das Familienrecht im neuen deutschen Gesetzbuche"; Frau Stritt- Dresden über„ Die Agitation des Bundes deutscher Frauenvereine gegen die Bestimmungen des neuen Familienrechts"; Fräulein Hill- London über„ Die rechtliche Stellung der englischen Frau"; Fräulein Augspurg- Zürich über ,, Die rechtliche Stellung des unehelichen Kindes"; Frau Cauer- Berlin über„ Das natürliche Kind und das neue bürgerliche Gesetzbuch";" Frau Stritt wie Frau Cauer betonten in ihren Referaten die Nothwendigkeit, die volle politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts zu erkämpfen. Fräulein Augspurg schrieb dem Staate die Pflicht zu, für den Unterhalt der unehelichen Kinder zu sorgen und wurde deshalb staatssozialistischer Neigungen" beschuldigt. Was die ökonomischen Forderungen" der Frauenbewegung anbelangt, so trat die Holländerin Frau Drucker für die Zulassung der Frauen zu allen Berufen und für gleichen Lohn für gleiche Leistung ein. Frau Bieber- Böhm- Berlin pflichtete der letzteren Forderung bei, wollte aber die Frau von Berufen ausgeschlossen wissen, die ihre Gesundheit und ihre Sittlichkeit bedrohen. Natürlich marschirte hierbei der bekannte enge Sittlichkeitsbegriff der genannten Dame auf. Frau ChéligaParis, Vertreterin der französischen„ Union universelle des Femmes", plädirte für die Beschäftigung mit der Arbeiterinnenfrage und die Gründung von Arbeiterinnenorganisationen. Frau Vincent- Paris sprach über die Bedeutung der Gewerbegerichte für die Arbeiterinnen" und forderte: aktives und passives Wahlrecht der Frauen bei den Gewerbegerichtswahlen; kostenlose Rechtsprechung der Gewerbegerichte; Ausschluß der Berufung; Uebertragung der Gewerbeinspektion an die Gewerbegerichte. Die Berichte über den Stand der Frauenbewegung in den einzelnen Ländern konstatirten im Allgemeinen Fortschritte. Die Behandlung des Themas:„ Die Frauen und die Wahlthätigkeit" gestaltete sich, wie vorauszusehen, zu einem ergöglichen Steeple- chase von gegenseitiger Beweihräucherung und Selbstkomplimenten. Die ,, Gleichheit" wird in ihrer nächsten Nummer eine ausführliche kritische Besprechung des Kongresses und seiner Arbeiten veröffentlichen.
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Die Zulassung der Frauen zum Apothekerberuf hat die am 24. und 25. August zu Straßburg i. E. stattfindende Hauptversammlung des Deutschen Apothekervereins zu erörtern. Der Versammlung liegt ein Antrag eines Kreisvereins vor, laut welchem der Deutsche Apothekerverein mit Rücksicht auf die im preußischen Apothekerrath zur Erörterung stehende Frage der Zulassung der Frauen zum Apothekerfach erklären soll, daß diesen die pharmazeutische Berufsthätigkeit zu gestatten ist, vorausgesetzt, daß sie die gesetzlich vorgeschriebene wissenschaftliche Vorbildung besitzen und im einzelnen Falle auch körperlich für die beabsichtigte Thätigkeit geeignet erscheinen.