Der Demokrat Altgeld wurde als Gouverneur von einem Herrn Tanner abgelöst, einem ausgesprochenen Vertreter der Großkapitalistenflaffe. Dem Unternehmerthum wurde es nun leicht, die Entfernung der unbequemen Fabrifinspektorin aus ihrem Amte durchzusetzen. Die Maßregelung erfolgte nach einem Konflikt von Frau Kelley mit der„ Illinois Glass Company" in Alton, welche der gesetzlichen Vorschrift entgegen Kinder in der Nähe der glühenden Schmelzöfen beschäftigte. Die Fabrifinspektorin mußte auf dem Zwangsweg dem Gesetz Geltung verschaffen, die straffällige Gesellschaft hatte jedoch Beziehungen zu der Regierung des Herrn Tanner und so wurde die pflichttreue Beamtin entlassen. Ihre Maßregelung ist nicht nur ein Beweis für die Rache und den Einfluß des Unternehmerthums, sondern auch für das die politischen Verhältnisse Amerikas vergiftende ,, Raub oder Beutesystem". Dieses System, das„ Spoils- System", be steht darin, daß mit jeder neuen Präsident- bezw. Gouverneurschaft auch die gesammte Beamtenschaft wechselt und die Stellen mit Günstlingen der neuen Leute besetzt werden. Ein Zufall hat es gefügt, daß Frau Kelley erst kürzlich in ihrer von uns an anderer Stelle erwähnten Arbeit das" Spoils- System" brandmarkte und insbesondere betonte, wie schädlich dieses System für die Fabrikinspektion ist. Sie schreibt in ihrem Artikel u. A.:„ Es werden in der Folge Inspektoren angestellt, die kaum die Listen ausfertigen können, welche als Berichterstattung über ihre tägliche Arbeitsleistung gefordert werden."( Die weibliche Fabrikinspektion in den Ver einigten Staaten , im„ Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistit".) Das„ Spoils- System" hat es dem Unternehmerthum wesentlich erleichtert, die in jahrelanger Wühlarbeit erstrebte Entlassung der Frau Kelley herbeizuführen. Die Leserinnen der„ Gleichheit" fonnten seit Jahren das Wirken der verdienstvollen Frau an der Hand von Artikeln und Notizen verfolgen. Sie wissen deshalb, daß ihre Entlassung ehrenvoller ist, als die meisten der von Staatsgewaltigen ausgetheilten Orden und Auszeichnungen. Diese Maßregelung ist die Quittung des Unternehmerthums von Illinois über die gewissenhafte und muthvolle Amtsführung der Fabrikinspektorin. Sie ist der höchste „ Befähigungsnachweis" dafür, daß die Frau den schweren und verantwortungsreichen Aufgaben der Gewerbeaufsicht gewachsen ist.
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Eine Vorbildungs- und Prüfungsordnung für die Gewerbeaufsichtsbeamten hat das preußische Ministerium für Handel und Gewerbe kürzlich im Reichsanzeiger" erlassen. Aus dieser Ordnung" erhellt, daß die preußische Regierung weder die Anstellung von Arbeitern als Assistenten plant, noch die Heranziehung
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Draußen auf der Treppe werden Schritte laut. Die Arbeitende horcht auf, eine bange Erwartung malt sich auf ihrem hübschen, verhärmten Gesicht, macht aber auch sofort einer halb freudigen, halb erschreckten Ueberraschung Plaz, als sie den Eintretenden erfennt:„ Ach, Ernst! nein, Herr Herr Rittner!" Der junge Mann in der blauen Schlosserblouse tritt näher und nimmt ihre zierlichen, durchsichtigen Hände in die seinen:„ Herr Nittner?"
Eine warme Röthe steigt in ihr Gesicht, mit einem traurigen Lächeln sucht sie sich frei zu machen:" Ach, nicht doch, nicht doch." Er faßt die Hände noch fester:„ Ich möchte mir nun Antwort holen, Frieda."
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Ihre braunen Augen füllen sich mit Thränen:„ Antwort?- Ernst Ernst. Es kann ja nicht sein, niemals." Mit einer raschen Bewegung hat sie sich losgerissen und ist aufschluchzend auf der wurmstichigen Bettstatt zusammengebrochen. Das hübsche Gesicht des jungen Mannes nimmt einen traurigen Ausdruck an: ,, Kann nicht sein? Niemals?- Frieda, Du liebst mich nicht?" Frieda, Du liebst mich nicht?" Ernst."
Er zieht sie in seine Arme:„ Na siehst Du, Frieda, das weiß ich doch, das hast Du mir doch gestanden, und nun sprich, warum fann's nicht sein?"
" Frag' mich nicht."
Ich frag' aber doch, Schaz, ich hab's mir nun einmal in den Kopf gesetzt, daß Du meine kleine Frau wirst. Vom ersten Mal an, wo Du mit Deinem schweren Wäschebündel unten an meiner Werkstatt vorübergingst, hab' ich es mir in den Kopf gesetzt, und wenn Du sagst: niemals, so will ich auch wissen, warum?"
Sie birgt den Kopf an seiner Brust und schluchzt von neuem: " O, wenn Du alles wüßtest!"
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Was soll ich denn alles wissen, Liebchen? Du wirst doch wohl fein Verbrechen auf dem Gewissen haben." Er versucht einen scherzhaften Ton anzuschlagen.
Ste beachtet es nicht:„ Wir sind ja so arm!"
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von Frauen zur Gewerbeaufsicht. Die erlassene Vorschrift besagt im Wesentlichen:
Zur Erlangung der Befähigung für den Gewerbeaufsichtsdienst ist erforderlich: 1) ein mindestens 3jähriges technisches Studium; 2) ein mindestens 1/ 2jähriges Studium der Rechts- und Staatswissenschaften auf deutschen Hochschulen; 3) die Ablegung zweier Prüfungen. Die erste dieser Prüfungen ist entweder a) die als Regierungsbauführer im Maschinenbaufach oder b) die als Bergreferendarius oder c) die Diplomprüfung als Hütteningenieur oder als Maschineningenieur an der Bergakademie oder einer anderen preußischen technischen Hochschule, d) die in den Bundesrathsbestimmungen vom 22. Februar 1894 bezeichnete Vorprüfung als Nahrungsmittelchemiker, oder die Diplomprüfung als Chemiker an einer preußischen technischen Hochschule, oder die Habilitation für Chemie, oder die Doktorpromotion einer preußischen Universität, wenn Chemie bei der Promotionsprüfung das Hauptfach bildete. Die zweite Prüfung ist vor dem Prüfungsamt für Gewerbeaufsichtsbeamte abzulegen. Der zweiten Prüfung muß ein mindestens 1/ 2jähriger Vorbereitungsdienst bei den Gewerbeaufsichtsbehörden vorausgehen. Nach erfolgreicher Beendi gung des Vorbereitungsdienstes bei einer Gewerbeinspektion hat sich der Aspirant zur ferneren Vorbereitung auf die zweite Prüfung auf die Dauer von wenigstens drei Semestern an einer deutschen Hochschule dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften unter besonderer Berücksichtigung der Gewerbeverwaltung, der Gewerbehygiene und der Wohlfahrtspflege zu widmen. Die Prüfung erfolgt vor dem Prüfungsamte für Gewerbeaufsichtsbeamte in Berlin , deren Mitglieder vom Minister für Handel und Gewerbe ernannt werden. Die Prüfung zerfällt in eine schriftliche und eine mündliche. Es ist bedauerlich, daß in Sachen der Fabrikinspektion der preußischen Regierung noch immer jedes Verständniß mangelt für die erwähnten zwei Neuerungen Anstellung von weiblichen Fabrikinspektoren und Assistenten und Assistentinnen aus der Arbeiterklasse - die nicht nur vom Proletariat gefordert werden, sondern von jedem halbwegs einsichtigen Sozialreformer.
Soziale Gesetzgebung.
* Ein sozialpolitisches Gewerbegesetz. Der Regierungsrath des Kantons Zürich hat einen Entwurf für ein Gesetz, betreffend das Gewerbewesen" veröffentlicht, der in mancher Hinsicht klassisch genannt werden darf. Zum Schutze der Gewerbetreibenden" wie
,, Und das glaubst Du, müßte Dich von mir treiben? O, Frieda, Du thörichtes kleines Ding. Verdiene ich nicht genug?" Sie wirft einen verzweifelten Blick durch das Zimmer: Nein, nein, Ernst, ich weiß ja, Du bist so gut, das ist es auch nicht- aber siehst Du, Vater
Seine Augen öffnen sich groß und starr:„ Dein Vater will es nicht?"
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" Gott , doch- er war so froh! Aber frag' doch nur nicht! Quäl' mich nicht so!" Sie springt auf und beginnt wie in wahnsinniger Herzensangst im Zimmer auf und ab zu wandern. Er tritt zu ihr und legt sanft den Arm um ihre Schultern:„ Ich will Dich nicht quälen, Frieda, aber Du sollst auch Vertrauen zu mir haben. Sprich Dich aus, Mädel, was ist's mit Vater?"
Sie sieht mit einem dankbaren Blicke zu ihm empor: Wie gut Du bist, Ernst, aber" Sie zögert wieder und dreht das Taschentuch in den Fingern, dann richtet sie sich plötzlich auf: ,, Und ich will es Dir doch sagen, Du sollst alles wissen, aber veracht' ihn nicht." Und als wäre ihr mit dem Entschluß die Ruhe wieder gekommen, spricht sie weiter, rasch und ohne zu stocken: ,, Siehst Du, ich war dreizehn Jahre alt, als es geschah, und ich weiß noch genau, wie schwer wir es damals hatten. Fünf kleine Kinder und Mutter brustkrank, und Vaters ganzer Lohn nur fünfzehn Mark die Woche, oder wenn er die Nächte durcharbeitete, achtzehn. Trocken Brot und Kartoffeln war unser Essen und in Lumpen sind wir gegangen, daß die Leute uns nachschrien auf der Straße. Gerade als es am schlimmsten war, kamen die Masern und die zwei Kleinsten starben in einer Woche. Viel Zeit zum Trauern hatten wir nicht, wir mußten arbeiten, auch ich schon. Ich ging abwaschen in eine Kneipe, den ganzen Nachmittag für einen Groschen, und Mutter nähte Mäntel- aber an ihrem Herzen fraß es und keine drei Wochen später lag auch sie." ( Schluß folgt.)