besorgen haben. Als Altersgrenze für die Zulassigkeit der Fabrikarbeit von Kindern wurde das vollendete 14. Lebensjahr festgesetzt. Das Fabrikgesetz entsprach mit diesen Bestimmungen durchaus nicht den Forderungen der organisirten Arbeiter. Nichtsdestoweniger wurde es von den Unternehmern und ihren Preßhandlangern so heftig bekämpft— viele einsichtslose, rückständige Arbeiter erklärten sich ebenfalls gegen die Reform— daß man froh sein mußte, daß das Gesetz in der Volksabstimmung vom Oktober 1877 mit einer kleinen Mehr heit Annahme fand. Es stimmten 181204 Stimmberechtigte dafür und 170837 dagegen. Seitdem sind zwanzig Jahre vergangen; die Zahl der Fabrikarbeiter hat sich in diesem Zeitraum um mehr als die Hälfte, die Summe der angewandten Pferdekräfte um das Anderthalbfache vermehrt. Das Fabrikgesetz ist unverändert gebliebe». Die seit Jahren von den Arbeitern geforderte Revision zwecks Einführung des Zehn- statt des geltenden Elfstundentags ist bis heute stets abgelehnt worden. Insbesondere werde gegen die Forderung geltend gemacht, daß die benachbarten großen Industriestaaten Deutschland und Frankreich , sowie Italien mit ihrer Arbeiterschutzgesetzgebung dem schweizerischen Fabrikgesetz nahe kommen, insbesondere aber auch für die erwachsenen männlichen Arbeiter den Maximalarbeilstag einführen müßten, ehe die kleine Schweiz den gesetzlichen Arbeiterschutz weiter führen könne. Dieser Argumentation ist eine gewisse Berechtigung nicht abzusprechen, doch wird sie dadurch sehr abgeschwächt, daß die tagliche Arbeitszeit auch in der Industrie der genannten Länder auf 11, 10, 9 und selbst auf 8 Stunden herabgesetzt worden ist in Folge der Bestrebungen und Kämpfe der organisirten Arbeiterschaft und der technischen Entwicklung. Ferner haben nach der amtlichen Arbeiterstatistik von 1893 in der schweizerischen Industrie selbst nur noch 37 Prozent der Arbeiter den Elfstundentag, während 9 Prozent nur 62'/» Stunden pro Woche, 28 Prozent bis 60 und 5 Prozent unter 60 Stunden pro Woche arbeiten. Die größte Zahl der Arbeiter, welche noch immer 11 Stunden täglich schaffen müssen, sind in der Textilindustrie thätig, deren Arbeiterschaft zu zwei Drittel aus Frauen besteht, so daß gerade der schutzbedürftigste Theil der erwachsenen Arbeitskräfte noch die längste Arbeitszeit hat. Unter diesen Umständen sollte die Schweiz es doch wagen, an die Revision des Fabrikgesetzes zwecks Einführung des Zehnstundentags heranzutreten. Eine Erweiterung hat allerdings das Fabrikgesetz insofern erfahren, als es im Jahre 1891 durch bundesräthliche Verordnung auf alle Betriebe ausgedehnt wurde, in welchen mehr als 3 Personen arbeiten, wenn darunter sich solche von weniger als 18 Jahren befinden oder sofern ein mechanischer Motor verwendet wird. Wo diese Voraussetzungen nicht zutreffen, unterstehen dem Fabrikgesetz nur Betriebe, in denen mehr als 10 Personen beschäftigt sind. Sie sieht schüchtern zu ihm empor.„Und Du willst mich also doch noch?" „Ja warum soll ich denn nicht wollen, Liebchen? Bin ich denn nicht ein Arbeiter? Denkst Du, ich kann nicht fühlen, wie Deinem Vater zu Muthe war? Wollte er denn etwas anderes, als sein Recht,' unser Recht, das alle Tage mit Füßen getreten wird! Man beutet uns aus und drongsalirt uns, wo man kann, und wenn dann das Blut einmal überwallt, dann ins Gefängniß mit dem Drechen Palroist. Die Herren sollten sich hüten!" Er ballte die Faust. Ihre Augen leuchteten auf:„Das haben die Rollegen dem Vater auch gesagt, aber siehst Du, er ist noch einer von den Alten, und so kommt er sich vor wie ein Verbrecher und meint, er müsse alles verheimlichen und— und— und darum glaubte ich, Du würdest auch so denken." „Und Dir den Laufpaß geben? Nein Schatz, ich habe Dich, und ich halte Dich, und ich denke, das Bischen Glück, das uns Armen noch bleiben kann, unsere Liebe, soll uns nie verlassen. Von nun an sorge ich für Deinen Vater und für Dich, wenn Du willst, heißt das." „O, ob ich will!" Unter Lachen und Weinen sinkt sie an seine Brust. Und so stehen sie und halten sich umschlungen. Ernst löst zuerst die Arme wieder und horcht:„Ich glaube, es kommt Jemand." Sie lauscht gleichfalls, ihr ganzes Aussehen ist ein anderes geworden, sie strahlt vor innerer Glückseligkeit:„Es ist Vater!" Mit einem hellen Jubelruf eilt sie dem alten Manne entgegen, weicht aber sofort zurück und betrachtet erstaunt sein freudig erregtes Gesicht.„Vater,— Du weißt?" Wie der Umstand, daß viele Tausende von schutzbedürftigen Lohnarbeitern der Wohlthat des Fabrikgesetzes aber nicht theilhaftig wurden, zur Ausdehnung des Geltungsbereichs dieses Gesetzes im Jahre 1391 führte, so hat er auch die seit 1888 erlassenen Arbeiterinnenschutzgesetze mehrerer Kantone veranlaßt. Nach der Berufsstatistik von 1338 arbeiteten in„fremden Geschäften", also als Lohnarbeiter, 321714 Personen, wovon nur 139106 in den dem Fabrikgesetz unterstellten Fabrikbetrieben. Von der Gesammtzahl der Lohnarbeiter gehörten 126403, von den Fabrikarbeitern 72357 dem weiblichen Geschlecht an. Das erste kantonale Arbeiterinnenschutzgesetz schuf im Jahre 1838 der Kanton Baselstadt . Es ist im Wesentlichen eine Uebertragung des eidgenössischen Fabrikgesetzes auf kleinere Unter nehmungen, die durch jenes nicht erreicht werden. So findet das Baseler Arbeiterinnenschutzgesetz Anwendung auf alle Gewerbe, in welchen drei oder mehr weibliche Personen gewerbsmäßig arbeiten, oder in welchen überhaupt Mädchen unter 18 Jahren als Arbeiterinnen oder Lehrtöchter beschäftigt werden. Ausgenommen von dieser Bestimmung sind die Wirthschaften und die Ladengeschäfte, sofern die Inhaber der letzteren ihre weiblichen Angestellten nicht zu gewerblichen Arbeiten, sondern zur Bedienung der Käufer verwenden. Die tägliche Arbeitszeit ist im Kantonal- wie im Fabrikgesetz auf 11 Stunden, an den Vorabenden von Sonn- und Festtagen auf 10 Stunden festgesetzt. In Bezug auf die Mittagspause bleibt aber das Baseler Gesetz hinter dem eidgenössischen Fabrikgesetz zurück, indem es nur eine solche von einstündiger Dauer fordert, während letzteres für Arbeiterinnen mit eigenem Haushalt die anderthalbstündige Mittagspause vorschreibt. Seit Jahren fordern die organisirten Arbeiter in Basel die Revision des Arbeiterinnenschutzgesetzes, sie verlangen die Einführung des Zehnstundentags, sowie die Anstellung weiblicher Fabrikinspektoren, bis jetzt jedoch vergeblich. Im Jahre 1392 folgte der Kanton Glarus mit einem Arbeiterschutzgesetz, das nicht blos den Arbeiterinnen zu Gute kommt. Es erstreckt sich auf alle Geschäfte, in welchen Personen (ohne Unterschied des Geschlechts) gewerbsmäßig und gegen Lohn im Dienste des Inhabers arbeiten oder als Lehrlinge oder Lehrtöchter regelmäßig beschäftigt sind. Das Gesetz schreibt die gleiche Arbeitszeit vor, wie das Baseler, geht aber über dieses hinaus, indem es Ueberzeitarbeit nur für zwei Monate pro Jahr im Maximum zuläßt, den Arbeiterinnen mit Hauswesen wie das Fabrikgesetz anderthalbstündige Mittagspause gewährt und den Angestellten in Ladengeschäften sowie in Wirthschaften eine Nachtruhe von mindestens neun Stunde» bewilligt. Es enthält des Weiteren Vorschriften das Lehrverhältniß betreffend. Ein Jahr später, 1893, erließ der Kanton St. Gallen ein Er streckt ihr beide Hände entgegen.„Ich Hab' eine Stelle, Frieda, endlich eine Stelle, zwanzig Mark die Woche. Nun sollst Du's aber gut haben und Dich pflegen, aber, was ist's? Herr Rittner, Sie hier?" Frieda schlingt die Arme um Rittners Hals und birgt das Antlitz an seiner Brust.„O, Vater, er weiß alles— und er will mich doch." Der alte Mann greift nach dem Bettpfosten, um nicht zusammenzusinken:„Frieda! Frieda, wirklich?" Und als er, wie zum Schwur, Ernst Rittners Handschlag in der Rechten fühlt, kann er nur noch stammelnd hinzufügen:„Kind— Rinder, das hätte Mutter erleben müssen." „Und morgen feiern wir Verlobung", sagte der junge Schlosser, „und nirgends anders, als in der Neuen Welt." Das Mädchen sieht ihn erstaunt an; er lacht:„Ja, Liebchen. in der Neuen Welt, weißt Du nicht mehr, was Du mir neulich mal erzählt hast, als wir uns auf der Pferdebahn trafen?" Sie überlegt:„Ach, von dem Sommerfest, zu dem ich damals mit den Pflegeeltern war, und daß ich damals solch' schreckliche Sehnsucht hatte, auch einmal froh und glücklich sein zu können. — Nur ein Mal!" Er zieht sie wieder an sich und küßt sie:„Morgen sollst Du beides sein, Frieda, morgen und für immer." Und wieder ist Sommeifest in der Neuen Welt, wieder schiebt und drängt sich eine bunte Menge durch die Wege des prächtigen, alten Gartens, wieder klingen die lustigen Tanzweisen im Göttersaal und die Paare schweben auf und nieder.
Ausgabe
7 (27.10.1897) 22
Einzelbild herunterladen
verfügbare Breiten