und wenn zwei Schichten sich ablösen, die Zeit von 10 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens betrachtet. Die Sonntage und eine Anzahl anderer Feiertage sind als Ruhetage zu betrachten, wobei es jedoch Nichtchristen gestattet ist, anstatt des Sonntags an einem anderen Tage der Woche zu feiern. Die Regierung hat das Recht, in gesundheitsschädlichen Betrieben die Arbeitszeit noch weiter herabzusetzen. Die Ueberwachung der Durchführung des Gesetzes ist den Gewerbeinspektoren anvertraut. Daß im Gesetz keine Vorkehrungen für eine schleunige und möglichst gerechte Entscheidung von Streitfällen( Schiedsund Gewerbegerichte) vorgesehen sind, erscheint als ein großer Mangel. Auch die festzuhaltenden Arbeitspausen sind leider nicht bestimmt. Das neue Arbeiterschutzgesetz ist wesentlich mit auf die neuerliche Arbeiterbewegung in Rußland zurückzuführen, insbesondere auf die großen Ausstände der St. Petersburger Textilarbeiter. Diese Ausstände erfolgten ganz nach westeuropäischem Zuschnitt und unterschieden sich sehr deutlich von den spontanen tumultuarischen Ausbrüchen der Unzufriedenheit der früheren Zeit. Selbst der russische Regierungsanzeiger sprach mit Rücksicht auf die ausständigen Arbeiter von der ,, ruhigen, besonnenen, obwohl ungesetzlichen Verlegung ihrer Pflichten". Die Bewegung der Arbeiter richtete sich nicht so sehr gegen die Niedrigkeit des Arbeitslohnes, als vielmehr gegen die Mißbräuche auf dem Gebiete der Arbeitszeit und der Arbeitsordnungen. So verlangten z. B. die Spinner der Katharinischen Manufaktur im St. Peters burger Kreise, in der die Arbeitszeit 14 Stunden mit einer Stunde Mittagspause betrug, die Herabsetzung der effettiven Arbeitszeit auf 10% Stunden, zugleich aber, daß der Arbeitstag fest begrenzt werde von 7 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends, daß die Mittagspause 11/2 Stunden dauere u. s. w. Dem ersten Ausstand der St. Peters burger Textilarbeiter im Januar vorigen Jahres suchte man zwar noch in der üblichen Weise durch Einsperrungen, Ausweisungen und Verschickung, durch Zusendung der fälligen Löhne und der Arbeitsbücher der Ausständigen an die betreffende Heimathgemeinde in der Provinz u. s. w. zu steuern; als aber Mitte Januar d. J. der Ausstand von Neuem begann und nicht weniger als 20000 Menschen ergriff, und die Ausständigen erklärten, es sei ihnen schon im Sommer ein Maximalarbeitstag und Abstellung ihrer Beschwerden versprochen worden, da wurde unter dem Vorsitz des Finanzministers Witte eine Konferenz der Fabrifinspektoren und Fabrikanten zusammenberufen, welche die Grundzüge des neuen Arbeiterschutzgesetzes festsetzte. Die St. Petersburger Ausstände wurden, wie wir bereits mittheilten, von einer anscheinend kleinen, aber energischen und fähigen sozialdemokratischen Organisation geleitet, die den Namen ,, Vereinigung für die Befreiung der arbeitenden Klasse" führt, unter den Arbeitern sozialdemokratische und sozialpolitische Flugschriften verbreitet und in St. Petersburg auch für eine Maifeier( Verbreitung von Maifestzeitungen) gesorgt hat.
Zum Schutze der unehelichen Kinder enthält das Norwegische Gesetz vom 20. August 1842 folgende Bestimmungen: Art. X: Bestraft wird derjenige Mann mit Geldstrafe, Gefängniß oder mit Zwangsarbeit bis zum fünften Grad, der sich weigert, einer Frau, die von ihm außerhalb der Ehe geschwängert ist, diejenigen Hilfsmittel zu gewähren, die er seiner Lage nach zu gewähren vermag, und welche die Schwangerschaft und die Entbindung erfordern, falls er durch diese Weigerung verursacht, daß die Frau ins Elend geräth oder einen strafbaren Aft gegen das Leben des ungeborenen oder geborenen Kindes begeht. Art. XI: Mit Gefängniß oder Zwangsarbeit bis zum fünften Grad wird derjenige Mann bestraft, der weiß, daß eine von ihm geschwängerte Frau eine strafbare That gegen das ungeborene oder geborene Kind begehen will und nicht versucht, diese That zu verhindern. Wenn der Tod des Kindes erfolgt ist, können ihm die Zwangsarbeiten des vierten Grades auferlegt werden. Art. XII: Eltern, Lehrer und andere Personen werden in ähnlichem Falle ebenfalls mit Geldstrafe und Gefängniß bestraft, wenn sie eine geschwängerte Frau verlassen, welche zu ihnen oder zu ihrem Hause gehört und in Folge dieser Verlassenheit und Hilfslosig= keit eine strafbare That gegen das Leben des ungeborenen oder ge= borenen Kindes begeht. Wie Professor Bridel aus Genf auf dem internationalen Frauenfongreß zu Brüssel mittheilte, haben diese Bestimmungen sehr gute Wirkungen erzielt.
Frauenbewegung.
* Weibliche Juristen. Die französische Presse beschäftigte sich fürzlich in spaltenlangen Artikeln auf das Lebhafteste mit Fräulein Jeanne Chauvin , die, wie wir schon berichteten, zur Advokatur zugelassen werden wollte. Um sie zu unterstützen hatte einer der be= fanntesten Feministen( Frauenrechtler), Louis Frant, ein Memorandum über ,, weibliche Advokaten" erscheinen lassen, worin er den Nachweis der Berechtigung von Fräulein Chauvins Forderung
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zu führen suchte. Fräulein Chauvin hat vom Generalstaatsanwalt des Pariser Appellhofs das Lizentiatendiplom erhalten und wird demnächst den vorgeschriebenen feierlichen Eid leisten. Da, wie bereits gesagt, die Mehrzahl der Pariser Advokaten für ihre Sache eintritt, so dürfte sie bald ihre Antrittsrede im Justizpalast halten. Frankreich gebührt der Ruhm, in Europa den ersten weiblichen Doktor der Rechte zur offiziellen Ausübung der Praxis als Rechtsanwalt zugelassen zu haben. Vor acht Jahren erhob in Brüssel eine junge Belgierin, Marie Popelin , gleichfalls den Anspruch, als Rechtsanwalt zugelassen zu werden, leider ohne Erfolg. Es muß anerkannt werden, daß sich unter den Feministen, die für Fräulein Chauvin eintraten, viele ihrer Berufskollegen befanden. Ganz richtig erklärte einer von diesen kürzlich einem Reporter der Zeitung„ Temps":" Es heißt einfach logisch handeln, wenn wir den weiblichen Doktor der Rechte zur Advokatur ebenso zulassen, wie den weiblichen Doktor der Medizin zur ärztlichen Praxis. Wenn wir den Frauen die Universität öffnen, müssen wir ihnen auch den Beruf freigeben, und warum der Einen verbieten, was wir der Anderen erlauben?"
* Zur Jnspektorin für Armenpflege ist in London Miß Ina Stansfield ernannt worden. Sie war bisher Pflegerin in einem Armenviertel.
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In den Armenrath von Südaustralien wurde als erste Frau Miß Katharine Spence berufen.
* Den ersten weiblichen Schulinspektor hat die Regierung von Südaustralien in Miß Blanche Mc Stamara angestellt.
* Als Rechtsanwalt hat sich eine Farbige, Miß Lulie Lyttle, in Kansas ( Nordamerika ) niedergelassen. Sie ist erst 23 Jahre alt und hat sich zum Ziele gesetzt, besonders für die Sache der Frauen ihrer Rasse einzutreten.
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und zu
Betreffs des Frauenstimmrechts in Norwegen äußerte der Dichter und Politiker Björnstjerne Björnson kürzlich gegenüber einem Berichterstatter des Blattes, Politiken", daß seine Einführung nur eine Frage der Zeit sei. Der glänzende Wahlsieg, den die radikale Partei in Norwegen in letzter Zeit errungen hat dem die politische Agitation des berühmten Dichters nicht wenig beitrug wird nach seiner Ansicht als erste Folge die Einführung des allgemeinen Wahlrechts nach sich ziehen. Als Frucht des allgemeinen Wahlrechts erwartet Björnson eine Reihe von Reformen in der Richtung der Unabhängigkeit Norwegens von Schweden und der Erweiterung der Volksrechte, darunter auch das Wahlrecht für das weibliche Geschlecht. In Deutschland hat keine der bürgerlich radikalen Parteien die Forderung der Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts in ihr Programm aufgenommen. Auch der Frauenfrage gegenüber erweist die deutsche Demokratie ihre Rückständigkeit und Schwäche.
Einen weiblichen Bürgermeister hat das kleine Städtchen Lincoln in New Jersey , Nordamerita, bekommen. Außer der jungen, hübschen Miß Emma Egel, die mit dem Amte betraut wurde, ist noch eine Frau in den Rath der Stadt gewählt worden, der im Ganzen aus fünf Personen besteht. Da zwei von den drei männlichen Rathsmitgliedern es für unter ihrer Würde hielten, unter weiblichem Regiment zu stehen und ihr Amt niederlegten, steht eine Neuwahl bevor, bei der, wie es heißt, noch eine Frau gewählt werden wird. Auch der Stationsvorsteher Lincolns ist eine Frau, so daß hier von einer„ Weiberherrschaft" gesprochen werden kann. Freilich herrschen die Frauen in Lincoln nur über 500 Seelen.
Ueber die Zulassung der Frauen zum Apothekerberuf hat sich nun auch die Desterreichische Pharmazeuten- Gesellschaft ausgesprochen. Mit großer Mehrheit nahm sie auf ihrem letzten Kongreß eine Resolution an, wonach die Zulassung der Frauen zum Apothekerberuf nicht nur von der vorgeschriebenen Vorbildung und körperlichen Eignung, sondern auch in jedem einzelnen Falle von einer besonderen ministeriellen Verfügung abhängig gemacht werden soll.
Quittung..
Für den Agitationsfonds gingen folgende Beträge ein: aus Memel durch Genossin Treptau auf Liste Nr. 39: 10 Mt.; aus Köln von den Genossinnen: 20 Mt.; Summa 30 Mt. Dankend quittirt Frau M. Wengels, Vertrauensperson Berlin O, Fruchtstraße 30, Quergeb. 2 Tr.
Druck und Verlag von J. H. W. Die Nachf.( G. m. b.g.) in Stuttgart .